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Der ohrenbetäubende Knall löste einen Autopiloten in mir aus. Ich ließ mich auf die Knie fallen und rutschte zu Luca. Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, zerrte ich mir mein Shirt über den Kopf und riss die Ärmel ab. Im Sport-BH kniete ich über Luca und presste den Ärmel auf die Wunde. „Hey Luca, bleib bei mir! Du musst ganz ruhig atmen. Das wird schon wieder! Aber du musst bei mir bleiben, okay?" „Okay?!", krächzte er. Sein schmerzerfülltes Gesicht entspannte sich ein wenig. Vermutlich musste er sich dazu zwingen. „Brauchst du Hilfe?" Claire kam runter zu mir. „Wie sieht es mit Rico, Carter und Nikki aus?", erkundigte ich mich. „Kenny, Taylor und Lina haben sie sofort nach dem Schuss überwältigt." „Geht es dir gut?" „Einigermaßen.", erwiderte sie. „Lydia hat ein zweites Handy im Stiefel. Schau bitte nach ihr und ruf die Polizei und einen Krankenwagen. Wir haben keine Ahnung, wo wir sind, also sag ihnen bitte, dass sie uns orten müssen, da wir entführt wurden." Claire nickte. Sie stand nicht sofort auf. Stattdessen zog sie ihre Jacke aus und reichte sie mir. „Nimm sie! Im BH ist es ziemlich kühl." „Kannst du kurz drücken? Du bist ordentlich Druck ausüben, obwohl Luca stöhnt. Wir müssen diese Blutung so gut wie möglich aufhalten!" Die Jacke plumpste zwischen uns auf den Waldboden. Claires Hände schlängelten sich zwischen meinen Armen hindurch und drückten auf den blutgetränkten Stoff. Auf Lucas Stöhnen hin zuckte Claire zusammen, aber ließ nicht nach. „Ich danke dir!", sagte ich, als ich die Jacke überstreifte. Es war nicht viel, aber es half mir genug. „Ich kümmere mich wieder darum. Atme einfach durch! Diese Situation muss überwältigend sein.", erwiderte ich. Mit halbem Ohr hatte ich mitbekommen, dass Lydia die Rettungskräfte informiert hatte. Sie mussten sich beeilen, denn ich war mir sicher, dass Luca nicht lange durchhalten würde. Der Blutverlust war bereits jetzt massiv! Noch einbisschen und ich musste zu einer zweiten Beerdigung gehen. Doch bei dieser Beerdigung würde die Person nicht wieder kommen, wie bei der letzten...

„Wie schaffst du das?", riss Claires Stimme mich aus meinen Gedanken. Ich nahm meinen Blick nicht von Luca. Gott sei Dank konnte ich Blut sehen! Sonst würde ich jetzt alt aussehen. „Was meinst du?", wollte ich wissen. Nebenbei knäulte ich mit einer Hand den zweiten Ärmel, der auf meinen Beinen lag, zusammen und drückte das neue Stoffknäuel auf die Wunde. „Du behandelst eine Schusswunde! Du bist nicht durchgedreht, obwohl wir entführt worden sind. Ich bin nur ruhig, weil du so entspannt bist! Sogar Lina und Lydia kriegen die Krise, aber weniger als es eigentlich zu erwarten ist.", erklärte Claire mir. Ich glaubte, in ihrer Stimme einen Hauch von Bewunderung zu hören. „Wie du bestimmt herausgehört hast, sind Rico und Carter für uns keinen Unbekannten! Das von heute ist nicht das erste Mal und ich persönlich komme mit einem sagen wir mal anderen Gesellschaftsstatuts hier hergekommen. Deswegen versuche ich Ruhe auszustrahlen, bedingt durch meine Erziehung und ich bin ein wenig geschult für Krisensituation. Taylor wird dir das alles in Ruhe genauer erklären. Luz, nicht die Augen zu machen! Hilfe ist unterwegs." „Ich bin müde..." „Ich weiß, aber du musst durchhalten! Sonst muss ich Gewalt anwenden. Wenn du mir hier und jetzt wegstirbst, dann verfolge ich dich in den Himmel und trete dir in den Hintern. Darauf gebe ich dir Brief und Siegel!" Ein schwaches Lächeln zierte die Lippen meines besten Freundes. „Die Drohung hat Lina-Style.", murmelte er. „Du sprichst immer mehr wie wir, Rosie..." Dann sackte Lucas Kopf zur Seite. Die Ruhe verpuffte. „Luca?" Er reagierte nicht. „LUCA, VERDAMMT! DU KANNST DAS NICHT MACHEN! MACH SOFORT DIE AUGEN AUF!", schrie ich ihn an. Luca zuckte nicht einmal mit der Wimper. Vor lauter Verzweiflung wischte ich ihm eine. Nicht einmal das brachte ihm zum Aufwachen. „Ich bitte dich, Luz! Bitte, bitte, bitte, verlass uns nicht. Nicht jetzt! Nicht nach diesem Tag. So selbstsüchtig das auch klingen mag, du kannst uns noch nicht verlassen. Wir überstehen das nicht! Außerdem will ich, dass du deine und Linas Hochzeit erlebst. Hochzeit ohne Bräutigam ist problematisch! Luca, bitte! Bitte...", wimmerte ich. Trotz meiner Verzweiflung drückte ich weiter auf die Wunde, in der Hoffnung ihm dadurch am Ende das Leben zu retten. Im nächsten Moment tauchten Sanitäter und Polizisten um uns herum auf. „Wir übernehmen ihn jetzt!" Ich bewegte mich nicht. „Wie heißt sie?" „Rose!", hörte ich Claire. „Rose? Ich bin Brian." „Ja?", erwiderte ich leise. „Du hast das sehr gut gemacht. Aber meine Kollegen müssen jetzt ihre Arbeit machen und ich würde dich gerne untersuchen. Kannst du deine Hände von ihm nehmen?" Ich bewegte mich nicht. „Er ist wie ein Bruder für mich! Passen Sie gut auf ihn auf?", fragte ich. „Sie werden ihn nicht aus den Augen lassen, bis wir im Krankenhaus sind.", versprach der Sanitäter mir. Dieses Versprechen hatte ich gebraucht, um mich von Luca zu lösen. Der junge Mann, er war kaum älter als Nathan, half mir auf. Seine Kollegen machten sich sofort an die Arbeit. „Rose, wo ist denn dein Shirt?", wollte er wissen. „Sie finden es neben Luca!" Ich deutete auf den Boden. „Ich habe es ausgezogen und zerrissen! Ich wollte die Blutung damit stoppen." „Ich gebe dir gleich was zum Anziehen! Deine Leggings hängt nur noch in Fetzen an dir." Das hatte ich nicht bemerkt, aber es war eine Tatsache. Brian führte mich zu einem Krankenwagen. Dort erkannte ich einen Sanitäter, der einen untersuchte. Ich erkannte nur, dass es einer der Jungen war. Doch mehr sah ich nicht. „Rose!" „Finn!" Er wollte mich umarmen. Aber ich hielt ihn ab. „Ich bin voller Blut! Lass uns das gleich nachholen." Finn nickte und dann kam Brian mit einer Wasserflasche zurück. Stumm ließ ich mir von ihm das Blut abwaschen. Danach zog ich mir den Sanitäterjogginganzug im Krankenwagen an. Am Ende untersuchte der Sanitäter mich. „Körperlich bist du fit! Aber das Krankenhaus muss dir Blut abnehmen wegen der Betäubungsmittel, die euch verabreicht wurden." Verstehend nickte ich. „Vielen Dank!", antwortete ich. „Könnte ich Sie um einen Gefallen bitten, Brian?" Er nickte. „Könnten Sie diese Jacke Claire geben? Das ist das Mädchen, das Ihnen meinen Namen verraten hat." „Selbstverständlich." Ein freundliches Lächeln lag auf meinen Lippen, als er mir die Jacke abnahm. Brian verschwand und Finn schloss mich stürmisch in seine Arme. Der Sanitäter, der ihn untersucht hatte, war vorne eingestiegen. „Ich hab Angst!", gestand Finn mir. Ich schlang meine Arme um ihn. „Ich weiß. Ich auch!"

California's BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt