Kapitel 21

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Die Uhr auf ihrem Handy zeigt genau 9:50 Uhr als Maria am nächten Tag aus dem Taxi steigt, welches sie zum Tower gebracht hat und ein weiteres Mal mit einem glücklichen Lächeln die Fassade des riesigen Gebäudes hinaufblickt.
Sie ist gleichzeitig so aufgeregt, dass sie beinahe vergisst den Fahrer zu bezahlen und auf ihrem Weg zum Fahrstuhl zwei ihr entgegenkommende Personen anrempelt.
"Guten Morgen Ms. Robertson. Es ist schön Sie wieder hier zu haben", wird sie von Jarvis begrüßt als sie im Aufzug steht und in das gewünschte Stockwerk fährt.
"Ja, das stimmt. Schön wieder hier zu sein", antwortet sie mit einem Lächeln auf den Lippen.
Die Fahrt scheint viel länger zu dauern als normalerweise und mit jeder verstreichenden Sekunde beginnt das Herz der jungen Frau schneller zu schlagen. Denn neben dem Gefühl der Erleichterung, dass sie wieder zu Loki kommen darf, breitet sich zunehmen die Unsicherheit in Maria aus, da sie noch immer nicht weiß, was genau die Avengers dazu bewegt hat diese Entscheidung zu treffen. Diese Frage hat sich die Psychologin die halbe Nacht gestellt und ist daher einen weiteren Morgen nach viel zu wenig Schlaf aus dem Bett gestiegen. Obendrein musste sie dann auch noch bei ihrer Arbeitsstelle anrufen und lügen, als sie bescheid gesagt hat, sie sei immer noch krank und müsse einen weiteren Tag zu Hause bleiben.
Irgendwann spürt sie dann doch, wie der Fahrstuhl langsamer wird und schließlich anhält. Als sich die Türen öffnen, droht das Herz der Rot-Blonden fast aus ihrer Brust zu springen und sie atmet einmal tief durch um dagegen anzukommen und sich wieder ein bischen zu beruhigen.
Dann beginnt sie langsam einen Schritt vor den anderen zu setzen und auf die große Couch zuzugehen.
Als sie jedoch sieht, wer dort sitzt, stockt ihr der Atem und die Frau hält in ihrer Bewegung inne.
Es ist nicht nur Stark anwesend, wie sie vermutet hat, sondern auch die restlichen fünf Mitglieder der Avengers, was Marias Nervosität innerhalb von Sekunden ganz neue Ausmaße verleiht.
Eigentlich hat sie sich ausgemalt, dass ihr der Milliardär kurz alles erklärt, was er am gestrigen Abend nicht getan hat, möglicherweise noch eine Predigt über ihr undurchdachtes Verhalten hält und sie dann zu dem Schwarzhaarigen in den Zellentrackt gehen lässt.
Doch anscheinend hat sie diese Rechnung ohne die Avengers gemacht, die nicht so aussehen als würden sie gleich alle gehen und die Psychologin mit dem Braunhaarigen alleine lassen.
Sie muss also wohl oder übel die vorwurfsvollen Blicke und klagenden Worten von allen über sich ergehen lassen. Aber vielleicht ist das auch eine angemessene Strafe und sie muss so einfach ein für alle Mal ihre Lektion lernen.
"Ah, da sind Sie ja, pünktlich auf die Minute!", wird sie von der Stimme Stark's aus ihren Gedanken gerissen, der sie als erstes bemerkt zu haben scheint.
Augenblicklich kleben 6 Augenpaar auf der junge Frau und beobachten sie dabei, wie sie sich zögernd in Bewegung setzt und auf die Couch  zugeht.
"H-Hallo", sagt sie dann und nickt zur Begrüßung in die Runde.
Rogers und Thor schenken ihr ein freundliches Lächeln, auch wenn das des Soldaten deutlich künstlicher wirkt als das des Gottes, des sich aufrichtig zu freuen scheint sie zu sehen.
Banner und Barton beäugen sie mit unschlüssigen Blicken, da sie sich noch nicht sicher zu sein scheinen, was sie von der Frau denken sollen, während Romanoff die Rot-Blonde mit ihren stechend grünen Augen fast zu erdolchen droht, was diese nur noch nervöser werden lässt.
Ob ihr dieser Blick gilt, weil die Rothaarige ihr ihr Verhalten übel nimmt oder ob es einfach des Misstrauens geschuldet ist, welches sie jedem aufgrund ihres Job entgegen zu bringen scheint, weiß Maria nicht, doch hat auch keine Zeit länger darüber nachzudenken, da Stark erneut das Wort ergreift.
"Setzen Sie sich doch bitte, wir haben einiges zu besprechen."
Die Erdbeerblonde folgt seiner Bitte und lässt sich an dem Ende der Couch nieder, an dem noch niemand sitzt.
Einen Moment ist es still und die Frau spürt nur die Blicke jedes Avengers-Mitgliedes auf sich haften.
"Ihnen noch einmal zu sagen, dass das vorgestern eine wirklich dumme Idee gewesen ist, können wir uns glaube ich sparen, da Sie das sicherlich mindestens genauso gut wissen", beginnt Rogers dann.
"Aber was Sie umbedingt noch wissen sollten ist, dass wir einen solchen Fehler kein zweites Mal dulden und darüber hinwegsehen werden!", macht Banner in einem Tonfahl weiter, der eindeutig zeigt, dass es die Psychologin immer noch am liebsten ihren Pflichten entbinden würde, auch wenn er eigentlich derjenige war, der sie ursprünglich vorgeschlagen hat.
Aber vielleicht ist genau das der Grund seines Ärger. Er fühlt sich möglicherweise für das, was passiert ist verantwortlich und will einen weiteren Vorfall unter jeden Umständen verhindern, was Maria ihn keineswegs übel nehmen kann.
Dennoch kann die Frau nicht verhindern, dass ihr Blick sich gen Boden richtet und sie beschämt nickt. Die Tatsache, dass die gesamten Avengers hier versammelt sind und ihr vorwurfsvoll Blicke zuwerfen, macht die ganze Angelegenheit noch unangehemer als wenn nur Stark sie empfangen hätte.
"Dennoch haben wir uns dazu entschieden, Ihnen noch eine Chance zu geben, da es, den Aufnahmen der Überwachungskamera zufolge, zuletzt zu interessanten Entwicklungen gekommen ist, was Loki betrifft", übernimmt der Captein dann wieder und der Rot-Blonden schießt bei seinen Worten augenblicklich die Röte ins Gesicht, was ihren Blick noch weiter nach unten sinken lässt.
"Sie... S-Sie haben a-alle das Video gesehen?", fragt sie dann in leiser und unsicherer Stimme, obwohl die Antwort darauf ziemlich klar ist.
Natürlich haben sich alle angeguckt, wie Loki ausgerastet und sie in seine Zelle gegengen ist und ihn schließlich umarmt hat. Warum sollten sie das denn auch nicht tun?
"Gewiss, das haben wir und ich muss gestehen, dass ich fast glaubte, meine Augen würden mich täuschen", antwortet die tiefe Stimme Thors und die Psychologin sieht zu ihm auf.
"W-Wiso? Was war so ungewöhnlich? Dass ich in die Zelle gegangen bin, ohne um Erlaubnis zu fragen?", will die Frau dann wissen.
Der Blonde schüttelt lachend den Kopf.
"Oh nein, das ist es nicht. Obwohl es gewiss sehr mutig gewesen ist, sich in der Verfassung meines Bruders an ihn heranzuwagen. Was mich verwundert ist, dass er dir gegenüber seine Maske hat fallen lassen und Gefühle zeigte, die selbst mir unbekannt waren", erklärte der Donnergott und zu Marias Erstaunen ohne auch nur den Funken eines vorwurfsvollen oder anklagenden Tons in der Stimme.
Er spricht mir ihr, als hätte er den Ernst der Lage nicht ganz verstanden und ihr längst verziehen, wofür sie ihm insgeheim sehr dankbar ist.
Gleichzeitig macht seine Aussage die Frau stutzig. Er hat Loki noch nie ausrasten sehen, obwohl er schon sein gesamtes Leben mit ihm verbracht hat und ihn besser kennen müsste, als jeder andere?
Es scheint ganz so, als hätte der Schwarzhaarige mit seiner Illusion des skrupellosen Bösewichts ganze Arbeit geleistet und wirklich so gut wie jeden damit hinters Licht geführt.
"Also hast du auch immer gedacht, dass er wirklich bösartige Absichten hatte als er New York angegriffen hat?!", fragt die Psychologin dann, ihre Unsicherheit mit einem Mal vollkommen vergessen.
"Das haben Sie nicht?!", platzt es aus Barton, Rogers und Banner gleichzeitig heraus, was Maria wieder daran erinnert, dass sie nicht mir Thor alleine ist.
Für einen Moment sehen sich alle verwirrt an, bis die Erdbeerblonde wieder das Wort ergreift.
"Anfangs schon ja, aber je mehr Zeit ich mir ihm verbracht habe, desto sicherer bin ich mir gewesen, dass mehr in Loki steckt als das Monster, das alle in ihm sehen", stellt sie klar.
"Und wann hatten Sie vor uns darüber zu informieren?", will Banner wissen und sieht entgeistert zu der Frau hinüber.
"Wie gesagt, ich was mir nicht sicher und dachte, dass allen inzwischen aufgefallen sein muss, dass mit Loki etwas nicht stimmt", verteidigt sich die Rot-Blonde und sieht in die Runde, in der Hoffnung in ein paar Gesichtern Verständnis zu erkennen.
Jedes Mitglied der Avengers zeigt zwar Emotionen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, doch außer Thor, der die Aufregung schon wieder nicht zu verstehen scheint, ist keiner dabei, der auch nur ansatzweise an so etwas wie Verständnis herankommen würde.
Barton und Banner sehen so aus, als würden sie Maria am liebsten gleich an die Kehle gehen, dafür dass sie sie nicht über anscheinend so wichtige Vermutungen unterrichtet hat, Romanoff hat immer noch ihren prüfenden Blick aufgesetzt, Rogers sieht so aus, als würde er darüber nachdenken, wie er den Schwarzhaarigen in der Zelle bisher gesehen hat und Stark beäugt sie mit einem derart undefinierbarem Blick, dass die Frau keine Ahnung hat, welche Emotionen sich alle darin widerspiegeln.
Für ein paar Sekunden, die sich wie Stunden anfühlen, herrscht absolute Stille zwischen den sieben Personen im Raum und alle starren nur von einem zum nächsten.
"Ähm, bevor wir hier weiter in Schweigen verfallen, würde ich gerne weiter machen", beginnt Stark dann irgendwann und bricht die unangehemen Stille.
"Gute Idee, wo sind wir stehen geblieben?", stimmt die Rothaarige dem Milliardär zu und nickt fragend in die Runde.
"Wir waren dabei zu klären, warum unsere liebe Ms. Robertson es nicht für nötig gehalten hat, uns darüber zu informieren, dass sie vermutet hinter Loki würde mehr stecken als das, was wir bisher alle in ihm gesehen haben!", murrt der Bogenschütze und scheint wirklich verärgert darüber zu sein.
"E-Es tut mir leid, dass.....d-dass ich nichts gesagt habe, aber ich dachte wirklich, es wäre schon aufgefallen, dass Loki nicht nur der grausame Bösewicht ist. Dafür hat er doch viel zu oft aus Emotionen heraus gehandelt", erklärt Maria kleinlaut und kann den Ärger der Avengers langsam sogar verstehen.
Vielleicht ist es ihr, als ausgebildete Psychologin, auch nur komisch vorgekommen und andere Menschen haben wirklich nichts eigenartiges an dem Mann bemerkt.
"Sie haben Recht", stimmt ihr dann unerwarteterweise Captain Rogers zu, "Wenn ich einmal genau darüber nachdenke, dann haben wir Loki alle von Anfang an als Bösewicht wahrgenommen und uns nicht die Mühe gemacht einmal genauer hinzusehen."
Der Blonde schenkt der Rot-Blonden eine aufrichtig aufmunterndes Lächeln, welche sie dankbar erwidert.
"Er hat Recht. Eigentlich ist es offensichtlich, dass Loki nicht dem Charakter eines typischen Bösewichts entspricht", stimmt auch Romanoff zu und ihre bisher so eiserne Miene wird etwas weicher.
"Ach ja? Und was ist mit den dutzenden oder sogar hunderten Unschuldigen, die seinen Taten zum Opfer gefallen sind und damit, dass er mich eigenhändig zu seiner willenlosen Marionette gemacht hat?", entgegnet Barton neben ihr und verschränkt mit verärgerter Miene die Arme vor der Brust.
"All diese Taten entsprechen genau denen eines typischen Bösewicht, wenn ich mich nicht gänzlich irre."
"Ja, das stimmt. Ich will Loki auch in keinster Weise verteidigen oder seine Taten schönreden. Aber denkt doch mal im Kern über sein Verhalten nach", erwiedere die Rothaarige und scheint damit wirklich alle langsam zu überzeugen, da auf ihre Aussage hin keine weiteren Einwände mehr kommen.
"Sie wollten mir noch erzählen, was Loki gesagt hat, das Sie umgestimmt hat und mir eine zweite Chance gibt", nutzt Maria dann die Gelegenheit und wechselt schnell das Thema, um alle auf etwas andere Gedanken zu bringen und sieht zu Stark, der auf der anderen Seite der Couch sitzt.
"Ach ja stimmt, das hätte ich fast vergessen", beginnt der Braunhaarige, "Ihr kleiner Freund hat uns alle ziemlich überrascht damit, dass muss ich schon sagen."
Die Psychologin sieht ihn ungeduldig an, da sie befürchtet, dass er abermals eine gefühlte Ewigkeit um den heißen Brei herumreden wird und wartet darauf, dass der Mann endlich mit der Sprache herausrückt.
"Ich glaube, ich kann für alle sprechen, wenn ich sage, dass das definitiv niemand erwartet hat", beginnt Stark jedoch, wie befürchtet wieder der direkten Frage auszuweichen, was ihm von der Rot-Blonden Frau nur ein genervetes Augenwollen einbringt.
"Vorallem mich haben seine Worte wirklich zum Nachdenken gebracht und ich-", plappert der Braunhaarige unbekümmert weiter, bis er von der Psychologin harsch unterbrochen wird.
"Jetzt kommen Sie doch mal zum Punkt! Macht es Ihnen eigentlich Spaß, mich so aufzuziehen?"
"Ja, um ehrlich zu sein ist das ziemlich lustig und-", beantwortet der Mann die rhetorische Frage und wird dieses Mal von Rogers unterbrochen, der ebenfalls langsam genervt zu sein scheint.
Der Milliardär schnaubt, gespielt gekränkt darüber, dass er jeden mit seinem Geschwarfel zu nerven scheint, doch rückt dann doch endlich mit der Sprache heraus.
"Loki hat gefragt wo Sie sind, weil Sie gestern nicht da waren und er wollte wissen, wie es Ihnen geht."

- I'm here for you - (Loki FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt