Kapitel 30

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Der wenige Schlaf, den sie in der letzten Nacht bekommen hat, macht sich mit einem weiteren Gähnen bemerkbar, als Maria am nächsten Morgen im Fahrstuhl des Stark-Towers steht.
Der Gedanke an ihren heutigen Besuch bei Loki hat sie einfach nicht losgelassen und so die meißte Zeit am Schlafen gehindert, wofür die Frau ihren Kopf ein weiteres Mal verfluchen könnte. Sie macht sich ohne es zu wollen immer viel zu viele Gedanken um Gott und die Welt und teilweise vollkommen belanglose, kleine und unwichtige Dinge werden dann zu riesigen Problemen oder Sorgen, die sie von dem abhalten, was sie eigentlich tun sollte.
Die Psychologin atmet einmal tief durch, reißt sich dann zusammen und tritt die letzten Meter bis zu ihrem Ziel an.
Wie so oft sitzt der Schwarzhaarige auf der Liege in seiner Zelle und starrt Löcher in die Luft. Als er Maria bemerkt, flammt für den Bruchteil einer Sekunde Erleichterung in seinen Augen auf, bevor er jedoch blitzschnell wieder seine gleichgültig Miene aufsetzt.
"Guten Morgen", begrüßt ihn die Frau und schenkt dem Gott ein freundliches Lächeln, "Ich hoffe, du hast dich entschieden, ob du heute vorhast zu kooperieren oder nicht."
Wie schon erwartet bekommt die Erdbeerblonde auf ihre Aussage keine Antwort, fährt aber unbeirrt fort.
"Jarvis, wenn du so nett wärst und die Zelle öffnen würdest", spricht sie in die Luft und nimmt sich den Stuhl, der wie gewöhnlich davor steht, um ihn mit in die Zelle zu nehmen.
"Natürlich Ms.", ertönt die monotone Stimme der KI und im nächsten Moment löst sich die Laiserwand vor ihr in Luft auf.
"Was soll das bitte werden?", fragt Loki verwirrt, als Maria den Stuhl, der viel schwere ist als er aussieht, in die Zelle zerrt und ihre Tasche daneben fallen lässt.
"Oh, ich habe mir gedacht, es ist angenehmer miteinander zu sprechen, wenn man nicht von so einer lästigen Wand getrennt wird", erklärt sie daraufhin und lässt sich auf ihren Stuhl sinken.
"Dem entnehme ich, dass du davon ausgehst, dass ich heute die Fragen beantworte, die du mir stellst" stellt der Schwarzhaarige fest und verschänkt die Arme vor der Brust.
"Wenn ich dich wirklich so nerve, wie du mir die ganze Zeit sagst, dann wäre das die logischste Entscheidung, ja", bestätigt ihm die Frau und kramt nach einem Notizbuch um alles mitschreiben zu können, was ihr Loki vermutlich jeden Moment sagen wird.
"Miss, ich habe die Anweisung die Zelle wieder zu schließen. Falls es Probleme geben sollte, sagen Sie einfach Bescheid", mischt sich Jarvis ein, gerade als Maria die erste ihrer zahllosen Fragen stellen will.
Sie nickt bestätigend und kurz darauf wird die Wand wieder eingeschaltet. Es ist ein komisches Gefühl mit dem Gott auf einer Seite davon und nicht, wie gewohnt, dadurch getrennt zu sein, doch die Psychologin beschließt sich davon nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
"Also, dann fang doch mal an zu erzählen. Warum genau hast du New York angegriffen? Und jetzt würde ich gerne die Wahrheit hören", stellt sie dann ihre erste Frage und blickt Loki erwartungsvoll an.
Doch zu ihrer Überraschung beginnt dieser nicht ihre Frage zu beantworten, sondern sieht sie nur schweigend an.
Anfangs schiebt sie es noch darauf, dass er vielleicht erst einmal nachdenken muss, was genau er sagt, doch als auch nach knapp 30 Sekunden noch nichts passiert ist, beginnt sich die Frau zu wundern.
"Ähm Loki?", fragt sie, verunsichert von seinem Verhalten, das sie wirklich nicht erwartet hat,"Ich habe eine Frage gestellt."
Für einen Moment herrscht wieder Stille, dann nickt der Schwarzhaarige leicht.
"Ich weiß."
"Du kannst dich aber schon noch daran erinnern, was ich dir gestern gesagt habe oder?", will Maria wissen, da sie mittlerweile ernsthaft an der geistigen Gesundheit ihres Gegenübers zu zweifeln beginnt.
Wieder bekommt sie als Antwort nur ein minimales Nicken, was die Situation nicht ansatzweise klarer macht.
"Und du weißt auch, dass du gestern noch unglaublich genervt von mir warst und deshalb wirklich die Fragen beantworten solltest, die ich dir stelle?", fragt die Erdbeerblonde und tippt unsicher mit ihrem Stift auf dem Notizbuch herum.
Sie ist sich zwar ziemlich sicher gewesen, dass Loki sie nicht wirklich so sehr hasst, wie er die ganze Zeit vorgegeben hat, doch dass er jetzt so derartig anders reagiert als sie es erwartet hat, wirft sie zugegebenermaßen ziemlich aus dem Konzept. Warum hat er sich in den letzten Tagen so viel Mühe gegeben sie nicht zu mögen nur um jetzt, wenn er eine einmalige Chance bekommt die Frau für immer loszuwerden, genau das Gegenteil von dem zu tun, was man von ihm erwartet hat? War hat er vor?
Viel zu viele Fragen über das merkwürdige Verhalten des Schwarzhaarigen schwirren der Psychologin auf einmal durch den Kopf und sie braucht einen Moment um sie alle ordnen zu können.
Doch auch in dieser Zeit schweigt der Mann vor ihr weiterhin und sieht so aus, als würde er gar nicht richtig mitbekommen, dass sie ihn etwas gefragt hat.
"Hallo, Erde an Loki? Was zur Hölle ist los mit dir?", fragt Maria dann und wedelt mit ihrer Hand vor dem Gesicht der jungen Gottes herum, der daraufhin nur ein paar Mal zu blinzeln beginnt.
Jedoch sagt er wieder nichts, was die Frau so derartig aus dem Konzept bringt, dass sie sich wünscht einfach wieder den genervten Loki vor sich zu haben, der auch in den Tagen zuvor immer in dieser Zelle gesessen hat. Bei ihm wusste sie wenigstens, wie sie sich verhalten und was sie tun musste.
"Verdammt jetzt rede doch mit mir! Was hast du?"
Die Erdbeerblonde kann nicht verhindern, dass sie es zumindest ein bisschen mit der Angst zu tun kriegt.
Als sie daraufhin wieder keine Antwort bekommt, erhebt sie sich von ihrem Stuhl und geht zögend auf den Schwarzhaarigen zu. Gerade als sie ihre Hand nach seiner Schulter ausstreckt um daran schütteln zu können, ertönt doch die Stimme des Mannes, die sie so unvorbereitet trifft, dass sie leicht zusammenzuckt und vor Schreck einen Schritt zurückweicht.
"Ich will dir etwas zeigen."
Mehr nicht. Mehr ist es nicht, was er sagt und dennoch schafft er es, Maria damit noch mehr zu verwirren, als sie es sowieso schon ist.
"Was?", fragt die Frau und mustert den Mann ihr gegenüber so, als ob er seinen Veranstd verloren hätte.
Doch dieser streckt nur wortlos seine Hand nach ihr aus.
"L-Loki, was... w-was soll-", sammelt die Erdbeerblonde und starrt zwischen er Hand und Lokis Gesicht hin und her.
"Nimm meine Hand, ich will dir etwas zeigen", wiederholt sich der Halbgott, "Bitte."
Noch einen Moment zögert die Psychologin, doch dann fasst sie sich ein Herz und greift nach der Hand ihres Gegenübers. Sie ist kalt und um einiges größer, sodass ihre eigene darin aussieht, wie die eines Kindes.
"Du solltest dich vermutlich besser hinsetzen", murmelt Loki und Maria zieht den Stuhl etwas näher heran, sodass die beiden jetzt fast Knie an Knie voreinander sitzen. Ihr Herzschlag hat sich unbemerkt verschnellert, und pocht jetzt heftig gegen ihren Brustkorb während die Frau dem Schwarzhaarigen in die Augen sieht.
Dann plötzlich durchzuckt sie ein eigenartiges Gefühl. Die Erdbeerblonde zuckt vor Schreck zusammen und schließt aus Reflex für einen kurzen Moment ihre Augen.
Als sie sie jedoch wieder öffnet, sieht sie nicht Loki vor sich und auch keine Zelle mehr, in der sie bis vor einer Sekunde noch gesessen haben muss.
Ein Bild erscheint vor ihren Augen. Eine dunkle und steinige Landschaft, die sie mit Sicherheit noch nie in ihrem Leben gesehen hat. Sie kann die eisige Kälte förmlich spüren, die an diesem Ort zu herrschen scheint.
Dann ein weiteres Bild. Wieder ähnliche Landschaft aber dieses Mal ist der Boden übersät mit regungslosen Körpern. Leichen, gegenseitig von einander ermordet.
In der nächsten Sekunde ist ein Mann zu sehen. Er geht zwischen den Körpern hindurch. Langsam und offensichtlich ermüdet vom Kampf. Er scheint so gut wie der einzige Überlebende zu sein.
Dann ist da ein Kind. Ein Baby genauer gesagt, abgelegt auf einem kalten Stein. Die Augen glühend rot und die Haut so eisblau, wie die gesamte Umgebung.
Für einen Moment ist wieder alles schwarz und Maria denkt schon, diese eigenartige Vision oder was auch immer das ist, wäre vorbei, als ein anderes Bild erscheint.
Zwei Jungen, die ausgelassen miteinander spielen und sich gegenseitig zu fangen versuchen. Einer Blond und der andere mit Haare, so schwarz wie die Nacht.
Die Szene verschwimmt und wird durch eine andere ersetzt.
Der Junge mit den pechschwarzen Haare steht allein und sieht dem Blonden dabei zu, wie er von einem Mann mit Geschenken überhäuft wird.
Wieder erscheint ein anderes Bild, welches diese Mal den Blonden zeigt, der in mitten einer ihm zujubelnden Menge steht. Dann eines, auf dem er von seinen Eltern gefeiert wird.
Obwohl diese Szene glücklich und unbeschwert aussehen, wird Maria ungewollt von einem Gefühl der Trauer und des Schmerzes überrollt.
Es folgen weitere Bilder. Immer mehr und immer schneller spielen sie sich vor ihrem inneren Auge ab, wie ein Film. Ihn ihrem Mittelpunkt: Scherz, Trauer, Angst und Wut.
Die Frau sieht den Schwarzhaarigen, wie er beschimpft wird, sie sieht ihn, wie er sich spät nachts aus seinem Zimmer schleicht, wie er sich einsam und mit tränennassen Augen in der dunklen Ecke einer Bibliothek versteckt. Sie muss dabei zusehen, wie der Andere mit Lob und Geschenken überschüttet wird und sein bestes Leben lebt, während der Schwarzhaarige sich immer weiter zurückzieht.
Die Bilder sind mittlerweile so schnell, dass sie Mühe hat jedes einzelne zu erkennen, doch dafür spürt sie umso genauer die Gefühle, die sich dahinter verbergen. Mit jeder Szene scheint die Trauer größer zu werden, und gleichzeitig auch die Wut.
Dann sieht sie ein Bild von dem Schwarzhaarigen, der so voller  Schmerz scheint, dass es ihr beinahe das Herz zu zerreißt scheint.
"Warum?"
"Sag es mir!"
Die wütende Stimme ist so voller Trauer, dass die Frau sie am eigenen Laib spüren kann.
Sie sieht ein Bild, von dem Mann, der über einem Abgrund in die weiten des Weltalls hängt.
"Ich hätte es vollbringen können Vater! Für dich, für alle von uns!"
Der Schmerz scheint so übermächtig zu werden, dass Maria ihn kaum noch aushalten kann.
"Nein, Loki."


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Hallo Leute,
ich hoffe euch hat dieses Kapitel gefallen und ihr seid gespannt, wie es weiter geht! Ich weiß, ich bin fies, dass ich hier jetzt meinen Cut mache aber sonst wäre das Kapitel unglaublich lang geworden und hätte nicht mehr zu der normalen Länge der Anderen gepasst.
Ich schreibe aber im Moment ziemlich viel und deshalb solltet ihr nicht lange auf das nächste Kapitel warten müssen.
Das war's jetzt aber auch schon wieder von mir und ich wünsche euch allen noch eine schöne Woche :)

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