56. Kapitel - Auch nur eine gebrochene Seele?

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„Hör ihnen einfach zu und sag zu allem ja, was sie verlangen. Vertrau mir. Wir kriegen das hin." redete Sebastian beruhigend auf mich ein.

Meine Hände zitterten und Wasser füllte meine Augen, sodass der helle Bildschirm des Handys verschwamm.

Ich atmete tief durch, schniefte und wischte mir die Tränen aus den Augen.
Ich wählte die Nummer, die auf Lucas Shirt stand und drückte dieses fest an mich, während ich wartete, das jemand abnahm.

„Hey Max!" hörte ich Finns Stimme auf der anderen Seite.
„Hey." ich versuchte mich zusammenzureißen und nett zu klingen. Zur Hilfe setzte ich ein Lächeln auf. „Wo bist du denn?" fragte ich und stellte den Ton auf laut, sodass Sebastian mithören konnte.

„Ein paar Straßen weiter, bei einem Freund von Klara. Luca ist bei uns, wir haben ihn am Strand gefunden." berichtete mir Max.

‚Gefunden'. Aha.

„Ein Glück. Wir haben uns schon Sorgen gemacht." sagte ich erleichtert und wechselte einen Blick mit Sebastian, der angespannt vor mir saß.

„Er wirkte ziemlich aufgewühlt. Wir haben ihn wohl verletzt. Und Klara hat sich einen Spaß daraus gemacht, diese Nachricht auf Lucas T-Shirt zu schreiben. Sie ist sehr aufgewühlt, seitdem Sebastian mit ihr Schluss gemacht hat." Sebastian sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Es tut mir Leid, falls euch das erschreckt hat. Naja, jedenfalls meinte Luca zu mir, dass er Abstand von uns und vor allem dir braucht. Was hältst du von einem Urlaub, Schatz?"

Das Handy zitterte in meinen Händen bei dem Gedanken an die zahlreichen Lügen, die Finn mir gerade auftischte.

„Das können wir gerne machen. Luca wird diese Auszeit bestimmt gut tun." es fiel mir sehr schwer diese Sätze zu sagen, während mein Inneres danach schrie, Luca wieder in meine Arme zu schließen.

„Perfekt. Ich schicke dir die Adresse. Bis gleich!" meinte Finn fröhlich. Ich murmelte eine Antwort und legte auf.

„Bemerkst du jetzt, wie gut er lügen kann?" flüsterte Sebastian und sah mich besorgt an.

Ich nickte langsam und starrte aus dem Fenster. „Was ist dein Plan?"

Sebastian rutschte auf seinem Stuhl herum und sah mir in die Augen. „Finn ist ein sehr sensibler Mann, ob du es glaubst oder nicht. Er hat schon sehr viele Enttäuschungen im Leben erlebt, zahlreiche Menschen haben sein Leben verlassen und seine Liebe wurde nie erwidert. Jetzt denkt er, dass du die erste und damit perfekte Person bist, seine Liebe zu erwidern und das für immer. Seine ganze Motivation baut darauf auf, dass er denkt, dass du ihn liebst. Sag ihm ins Gesicht, dass das nicht so ist. Mach ihm klar, dass du ihn nicht angelogen hast und sag ihm meinetwegen, was für ein toller Mensch er ist. Aber vor allem musst du ihm sagen, dass du noch nicht bereit bist für eine Beziehung und dass du das im Moment nicht willst. So kann er sich hoffentlich nicht einreden, es wäre seine Schuld und du triggerst damit hoffentlich nichts. Nur so kannst du Gewalt verhindern und vielleicht sogar erreichen, dass er dich gehen lässt." erzählte Sebastian mir.
„Er ist auch nur eine gebrochene Seele und eine kaputte Person, die auf Gefühlen basierend handelt. Im Moment ist es am wichtigsten, dass wir Luca holen und du Finn loswirst." Sebastian sah mir tief in die Augen.

"Schaffst du das?"

"Ich werd's versuchen."

„Nur du kannst ihn loslassen."

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"Hey du." begrüßte Finn mich grinsend und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich zwang mich zu einem Lächeln und folgte seiner willkommenden Geste ins Innere des kleinen Hauses. Man kam sofort ins Wohnzimmer. Es war süß und schlicht eingerichtet und auffällig aufgeräumt.

"Ach, du auch hier. Komm rein." hörte ich Finn Sebastian begrüßen. Das passte ihm wohl nicht ganz.

Sebastian und ich hatten eben ein paar Atemübungen gemacht, um ruhig zu werden und hoffentlich zu bleiben.

"Setzt euch. Wollt ihr was trinken?" fragte Finn und stellte sich in den Türrahmen zwischen dem Wohnzimmer und warscheinlich der Küche.

Ich verkniff mir das "Wo ist Luca?" und antwortete. "Ein Glas Saft, irgendeiner." ich musste was schmecken. "Schatz." ich lächelte.

Sobald Finn mir den Rücken zugekehrt hatte, verschwand mein Lächeln und ich schüttelte mich. Sebastian seufzte und wir setzten uns nebeneinander aufs Sofa.

Aus der Küche erklang das Geräusch eines Wasserkochers und Sebastian stand kurzerhand auf. Ich sah ihn fragend an.
"Ich gehe Luca suchen." Das klang nicht nach einer Frage. "Viel Glück. Und denk daran, was ich dir gesagt habe. Du musst hier vor allem an Luca und dich denken." machte Sebastian mir klar und ich nickte.

Dann drehte er sich um und ging wieder in den Flur. Ich hatte eine Treppe am Ende des Gangs gesehen.

Gleich darauf kam Finn wieder zurück, mit einem Glas Orangensaft und einem Tee in der Hand. Er stellte beides auf den Tisch und fragte:"Wo ist Sebastian?"

"Sucht nach Luca." Ich biss mir auf die Lippe. Ich hätte lügen sollen.

Doch Finn zuckte mit den Schultern. "Dann kommt er wahrscheinlich gleich wieder. Luca schläft." Log er?

Ich nahm einen großen Schluck von meinem Saft, während Finn sich neben mich setzte und seinen Tee auf den Glastisch am Sofa stellte.
Er legte seinen Arm auf die Lehne und sah mich lächelnd an.

„Wohin?" fragte Finn.
„Wie bitte?"
„Urlaub. Wo möchtest du hin?" Finn zog seine Augenbrauen hoch.

Ich atmete tief durch und drehte mich zu ihm.
„Hör zu, Finn. Dieser Urlaub hier hat mich schon sehr mitgenommen. Es ist so viel passiert, seit ich von zu Hause weg bin und ich habe gemerkt, dass... das nichts für mich ist." meine Stimme zitterte und ich sah Finn unsicher an.

„Was meinst du?" Finn nahm seinen Arm von der Lehne und verschränkte ihn mit seinem anderen vor seiner Brust.

Erst jetzt sah ich, dass Finns Lippe etwas angeschwollen war. „Was ist passiert?" fragte ich ihn, während ich auf sein Gesicht deutete.
„Ach das." murmelte Finn und griff sich an die Lippe. Er lachte unsicher und meinte:"Luca ist ausgerastet und hat mich geschlagen." Er sah mir tief in die Augen. „Du kennst ihn doch, er lässt sich viel zu sehr von seinen Gefühlen leiten. Er kann sich wirklich nicht mehr beherrschen, und das ist auch der Grund, weshalb wir uns von ihm fern halten sollten." Finn nahm meine Hände in seine und strich mit seinem Daumen über meinen Handrücken.

Luca hatte ihn also einfach so geschlagen. Das kann nicht sein, das passt gar nicht zu ihm. Ich zog meine Hände zurück.
„Ich glaube dir nicht."

„Wie bitte? Was ist denn auf einmal mit dir los?" Finn zog seine Augenbrauen. Er sah deutlich genervt aus.

Auf einmal hörte ich schnelle Schritte die Treppe hoch und auf uns zukommen. Die Tür flog auf, worauf Finn und ich uns dorthin drehten.

Im Türrahmen stand Luca. Er sah blass aus, hatte leere Augen und ging sehr schwach. Ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren, bis sich unsere Blicke trafen und Luca laut ausatmete.

„Du." grummelte Finn.

Luca deutet mit dem Finger auf ihn und es klang, als müsste er bei jedem Wort nach Luft ringen.
„Das muss jetzt enden."

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Nach langer Zeit mal wieder ein Update 😅

Es geht langsam dem Ende zu... noch ein paar wenige Kapitel :)

blind love 『 mauz 』Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt