Kapitel 21

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Widow

Was für ein beknackter Traum.

Ich öffnete meine brennenden Augen und blickte an eine weißgestrichene Holzdecke.
Ich runzelte schwach die Stirn.
Hatte ich die schonmal gesehen?
Ich dachte nach, konnte mich aber nicht erinnern.
Dann murmelte ich leise etwas, von dem ich selbst nicht wusste was es war, und versuchte meinen Kopf zu drehen.

Ich befand mich in einem Bett. 
Es war wieder Tag und das Zimmer war fast schon zu grell für mich.
Hellgrüne Einrichtung, einfach geschmacklos. 
Doch die Wandvertäfelung ließ mich feststellen, dass ich immer noch im gleichen Haus war. 
Nur in einem anderen Zimmer. 

Es brauchte seine Zeit, bis ich mich wieder an die Geschehnisse der vergangenen Nacht erinnerte. 
Ich wollte mich aufsetzen, rührte mich jedoch nicht vom Fleck. 

Jede Bewegung wäre Erfahrungsgemäß eine Tortur und ich war mir grade nicht sicher ob ich die Kraft hatte um gegen die Schmerzen anzugehen.
Dennoch setzte mich langsam auf.  

Wo war Jonas? 
Wer hatte mich behandelt?
Und was war mit Vingate passiert?

Nachdem ich mich erneut ein paar Minuten lang gesammelt hatte, stemmte ich mich hoch und ging, eine Hand an die Wand gelegt, zur Zimmertür. 
Als ich sie öffnete, stand Jonas mit verschränkten Armen im Flur an der Treppe und warf mir einen Blick zu, bei dem ich mir wünschte liegen geblieben zu sein. 

"Morgen.", murmelte ich und blickte die Treppe hinunter. 

"Zurück ins Bett. Der Arzt sagte mindestens zwei Tage Ruhe, bevor wir die Rückreise antreten.", befahl Jonas und deutete mit dem Kinn zurück auf das Bett hinter mir. 

Ich hob meinen Blick von dem sauberen, ordentlichen Hauseingang wieder zu ihm und sah ihn ausdruckslos an. 
"Was ist mit dem Vampir passiert?", fragte ich und ignorierte seine Anweisung. 

"Zurück ins Bett."

"Der Vampir.", forderte ich erneut. 

Jonas schwieg unzufrieden und wandte nachdenklich den Blick ab. 
"Als ich oben die Kugel rausgeholt habe, ist er verschwunden.", sagte er dann leise. 

"...Verschwunden?", fragte ich scharf und augenblicklich musste ich mich am Türrahmen festhalten um wegen meiner Fassungslosigkeit nicht umzukippen, "Du hast dieses Arschloch entkommen lassen?", versicherte ich mich leise und mit zusammengepressten Zähnen. 

"Geh wieder ins Bett, ich kümmre mich darum.", wies er mich an, doch ich bewegte mich immer noch keinen Millimeter. 

"Nein, lass die Finger von ihm. Er gehört mir. Nicht dir, nicht der scheiß Regierung oder irgendeinem beschissenen Mafiaboss, er gehört MIR, NUR MIR!", fauchte ich schließlich, "Ich hatte ihn auf einem beschissenen SILBERTABLETT!", verzweifelt drehte ich mich wieder halb ins Zimmer und ließ mich mit dem Rücken gegen die Wand fallen, während ich mir die Haare raufte.
Wie hatte er ihn nur entkommen lassen können?!
Die ganzen Jahrzehnte über hatte ich geglaubt, dass er seit schon damals tot war.
Wenn ich das doch nur vorher schon gewusst hätte.
Wäre ich nur früher schon wieder nach London gekommen.
Das musste behoben werden.
ICH musste das beheben. 

Jonas erwiderte nichts und rührte sich auch nicht von der Stelle. 

"Zwei Tage Ruhe?", fragte ich dann tonlos, um vom Thema abzulenken. 
Ich brauchte Zeit zum Nachdenken.

Jonas nickte. 
Dann schloss ich die Tür wortlos wieder und legte mich zurück ins Bett. 

Von jetzt auf gleich war meine Wut einfach verraucht, ebenso meine Trauer und der Schmerz von damals. 
Ich fühlte mich taub gegenüber meiner Umwelt und konnte nicht einmal sagen warum genau. 
Wahrscheinlich fehlte mir einfach nur die Energie.
In zwei Tagen konnte ich mich immer noch darum kümmern, wie ich diesen Kerl am besten dingfest machte. 
Und dann tötete. 
Endgültig. 

Vampire Agent (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt