Kapitel 48.

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Jonas

Mein Kopf wummerte und ich schaffte es kaum die Ereignisse des heutigen Abends alle auf eine Kette zu setzen.
Mit leerem Blick starrte ich auf den Krankenwagen, in dem Max festgeschnallt auf einer Barre lag. Es war meine Schuld, ich hätte damit rechnen müssen, dass irgendwo etwas über dieses Treffen durchsickert.
Ich wandte den Kopf in die Richtung, in die Widow verschwunden war, als er mir gesagt hatte, dass ich kurz warten sollte. Zweifellos, ohne ihn hätte es gar keine Chance gegeben, Max das Leben zu retten. Und auch, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass er das tatsächlich überlebte, sehr gering war, durfte man nicht vergessen, dass sie ohne Widow gleich null gewesen wären.

Das schlechte Gewissen brannte mir ein Loch in den Brustkorb und ich schüttelte den Kopf, als mir wieder der Gedanke kam, dass auch Jennifer in Lebensgefahr schwebte.
Hatte ich damals nicht den Beruf gewechselt, um meine Familie besser schützen zu können?
Der Kloß in meinem Hals hinderte mich daran, meine Sorgen runterzuschlucken.
Zur Ablenkung sah ich auf meine Armbanduhr und runzelte leicht die Stirn.
Was machte Widow so lange?
Noch einmal betrachtete ich meinen Sohn, dann entschied ich nachzusehen. Allerdings ahnte ich schon womit er beschäftigt war, schließlich war Vingate noch im Treppenhaus.
Aber dieser Vampir durfte noch nicht sterben, er musste so lange am leben bleiben, wie nur möglich. Er war die einzige Verbindung, die wir noch zum Noctur-Clan hatten.
Hoffentlich kannte der andere Clanleiter einen Weg um diese Penelope unschädlich zu machen. Widow hatte vorhin einen Anruf bekommen, aber er war nicht dazu gekommen uns mitzuteilen, was er beinhaltet hatte.

Ich drängelte mich durch die Sanitäter in der Seitenstraße und betrat das Treppenhaus. Es gab ein Poltern weiter oben.
Sofort eilte ich die Treppe hinauf und sah wie Widow Vingate mit dem Unterarm an die Wand presste. 

"Widow!", Fauchte ich und versuchte ihn an den Schultern zurückzureißen.
Doch es war, als versuchte ich eine Mauer zu verschieben.
"Verdammt, wir brauchen dieses Arschloch noch!"

Ich stellte mich so hin, dass ich Blickkontakt suchen konnte. In seinen rot glühenden Augen spiegelte sich blanker Hass.

"Widow.", Sagte ich noch einmal, diesmal mit mehr Nachdruck in der Stimme.

Er knurrte und ließ frustriert von ihm ab.

"Ab hier übernehmen meine Leute. Geh nach draußen.", Befahl ich ihm.
Seinem Gesichtsausdruck nach, fürchtete ich einen Moment, er würde jetzt auf mich losgehen, allerdings fauchte er nur einen Fluch und verließ dann das Treppenhaus.
Vingate war neben mir zu Boden gesackt und ich hockte mich vor ihn.

"Was hast du zu ihm gesagt, Arschloch?", Fragte ich ihn eiskalt und vernahm sein halbherziges, kehliges Lachen.

"Frag ihn doch.", Zischte Vingate und verlor einige Sekunden später das Bewusstsein.

Ich richtete mich wieder auf und rief per Handy ein paar Männer ins Treppenhaus, die ihn mit zusätzlicher Eskorte zu meiner Firma bringen sollten. Mit einem Seufzen strich ich mir die Haare aus dem Gesicht, die sonst tadellos saßen und ging ich wieder hinab.
Was auch immer Vingate zu Widow gesagt hatte, es hatte ihn zur Weißglut getrieben.

Widow

Ich die Tür auf und blieb kurz stehen um zu überlegen, wie ich meine Wut am besten entladen konnte. Ein nahestehender Container beantwortete mir diese Frage.
Ich stapfte hin und trat mit einem unterdrückten Schrei gegen das Metall. Mit gerümpfter Nase und zusammengepressten Zähnen starrte ich die Delle an, die dort zurück geblieben war.
Ich war nicht wie Vingate.
Oder?
Ich hätte dem gar kein Gehör schenken sollen.
Und dennoch... Dieser Satz hatte mich auf eine Art getroffen, mit der ich nicht gerechnet hatte. Hatte er vielleicht doch recht?
Ich hatte die letzten 150 Jahre damit verbracht aufgrund einer Summe, die neben einem Namen stand, zu morden.
Hatten er und sein Bruder nicht das Gleiche getan?
Ich hatte mir noch nie geoß Gedanken darüber gemacht, weil ich einfach keinen anderen Sinn mehr in meiner Existenz gesehen hatte.
Es war mir schlichtweg egal gewesen, wen ich tötete, wie die Hinterbliebenen damit umgingen oder was ich ihnen damit nahm.
Reue durchbohrte mich mit einem Schlag, wie ein Pfeil, der mir durch den Brustkorb gejagt wurde.
Ich starrte diesen Container an, bis ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Bei der Berührung fuhr ich zusammen. Ich war zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt gewesen, als dass ich mich auf meine Umgebung hätte konzentrieren können.

Vampire Agent (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt