Kapitel 15.

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Widow

Ich war ein wenig verwundert darüber, dass es ein Haus und kein Hotel war, verlor aber kein Wort darüber und folgte ihm stumm.

"Es ist das Haus einer Bekannten. Ich halte nichts von Hotels.", erklärte Jonas, obwohl ich nicht gefragt hatte.

Ich blickte mich in der Gegend um.
Hier war ich noch nicht gewesen, allerdings sah es aus wie jeder andere kleine Ortschaft in England.
Häuser mit einfacher Fassade, kleine gepflasterte Vorhöfe mit Treppen, die zum vermeintlichen Waschkeller führten und hässliche Mauern mit Zäunen davor.
Jonas hatte das Tor einfach geöffnet und ging nun zur Tür um aufzuschließen.
Ich hinterfragte gar nicht, warum er Zugang zum Haus einer Bekannten hatte.

"Die obere Etage wird von ihr freigehalten, für den Fall einer Tagung.", erklärte er weiter, als ob es mich interessieren würde.
Ich erwiderte noch immer nichts.
Ich wollte nur ein Bett und meine Ruhe.

"Es gibt ein Bett und eine Schlafcouch.", informierte er mich und ließ mich rein, "Wo willst du schlafen?", fragte er dann.
Ich sah ihn mürrisch an.

"Ist mir absolut egal.", murmelte ich, als ich dann an ihm vorbeiging.

Er schloss die Tür ohne etwas zu erwidern.

"Sieh dich ruhig um, wenn du willst.", wies er mich an und deutete mit einer Handbewegung ins Haus hinein, während er sich seinen Mantel auszog.

Es war ein gemütliches, kleinen Haus mit Möbeln im Landhausstil.
Sogar mit halbhoher Holzvertäfelung und hässlicher Tapete.
Einfach typisch englisch irgendwie.
Ich sah mich tatsächlich schnell um.
Kleine Küche, halboffen zum Esszimmer, ein Gästebad und ein Wohnzimmer im vorderen Bereich des Hauses.
Keine Waffen, wenn man von dem Messerblock auf der Anrichte absah.

Ich nahm an, wenn man an der Treppe vorbei und weiter in das Innere des Hauses hineinging, befand sich dort noch mindestens ein Schlafzimmer.
Alles in allem kleine Räume.
Und mit dieser Einrichtung wirkte es auch noch enger als es wahrscheinlich war.

Aber nichts bei dem man vermuten musste, dass es einen Folterkeller gab, also ging ich nach oben und sah mir auch dort die Zimmer an.

Es gab eine Art Aufenthaltsraum, ein großes Bad und ein Schlafzimmer.
Im Aufenthaltsraum stand ein Klavier, ein Schreibtisch mit Computer und das bereits erwähnte Klappsofa.
Ich sah das Instrument an und überlegte.
Wie lange hatte ich nicht mehr gespielt?
Bestimmt seit fünfzig Jahren nicht mehr.
Ich überzeugte mich, dass Jonas noch unten war und ging hin um ein paar Tasten zu drücken.

Ich erinnerte mich, dass Mozart und Beethoven damals hoch in Kurs gewesen sind und spielte ausdruckslos die ersten paar Takte der Mondscheinsonate.
Es war wirklich lange her.

"Ich dachte du hättest keine großen Hobbys?", hörte ich Jonas Stimme vom Türrahmen aus.

"Ist auch kein Hobby.", murrte ich leise, hörte sofort auf und schob mir die Hände in die Hosentaschen.

"Wo willst du schlafen?", fragte er mich dann nach kurzem zögern.

Ich deutete mit dem Kinn aufs Sofa.
Er nickte, ebenfalls mit den Händen in den Hosentaschen und rührte sich nicht.

"...Alles okay?", fragte er mich dann nach langem zögern.

"Ist die Frage ernst gemeint?", fragte ich und sah ihn genervt an.

"Wären wir in der Firma, nein. Aber jetzt, wo wir unter uns sind, schon.", sagte er und sah aus, als hätte er nicht vor zu gehen, bevor er eine Antwort hatte.

"Ich habe Gründe, aus denen ich nicht wieder nach England und insbesondere nicht nach London zurück wollte. Dass du mich trotzdem gegen meinen Willen hierher geschleppt hast nehme ich dir wirklich übel. Mal abgesehen davon ist mir immer noch kotzübel und ich bin hundemüde.", sagte ich wahrheitsgemäß, den Blick mit zusammengepressten Zähnen auf den Boden gerichtet. 

Vampire Agent (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt