•vierzehn•
❝ Für mich bist du kein Gegenstand, für mich bist du ein wichtiger Freund. Du warst von Anfang an da für mich, als andere es nicht waren und du wirst noch da auch sein, wenn ich sterbe. Ich kann dir meine Geheimnisse anvertrauen, die kein anderer verstehen würde. Jeden Morgen freue ich mich darauf mit dir am Abend über meinen Tag sprechen zu können und dir zu sagen, wie wichtig du für mich bist. Versprichst du mir, dass jedes Wort versiegelt bleibt? ❞
AUGEN, SO HEIßT es, seien das Fenster zur Seele eines Menschen. Doch immer wenn ich in dieses blaue Augenpaar sah, hatte ich keine Chance auch nur für den Bruchteil einer Sekunde einen Einblick in die Seele meines verschlossenen Gegenübers zu bekommen. Ich war mir nicht sicher, ob Louis nur in meiner Gegenwart dieser undurchschaubare junge Mann war, oder, ob ich einfach nicht in der Lage war, diese Wand zu durchbrechen.
In einer gewissen Weise waren sich Prudence und Louis ähnlicher, als ich es mir je erträumt hatte. Sie war genauso verschlossen gewesen und hatte sich nicht gern gegenüber anderen geöffnet, wenn es darum ging, etwas über ihre Person Preis zu geben. Für viele war sie ein unscheinbares Mädchen, das niemand so wirklich kannte.
'Vielleicht kennen die Menschen meinen Namen, aber glaubst du wirklich, dass sich mich dann kennen und einen Grund haben mich zu verurteilen?', fragte Prudence, obwohl ich wusste, dass sie sich die Frage bereits eigenständig beantwortet hatte und es nur aus dem Grund machte, weil sie auch meine Meinung dazu wissen wollte.
'Wenn dich jemand verurteilt, kennt dich dieser jemand schlichtweg nicht, denn würde dieser jemand dich kennen, würde er dich nicht verurteilen.' Genau das hatte ich meiner besten Freundin damals geantwortet, ohne auch nur eine Sekunde darüber nach zu denken. Prudence war ein Mensch, der auf der einen Seite lustig und verrückt war und wiederum eine komplett zerbrechliche Seite an sich hatte, die sie aber nie wirklich zeigte.
'Dann kennt mich niemand wirklich', stellte sie nach einer einzigen Minute, die mir jedoch wie der Abschnitt einer halben Ewigkeit vorkam, bitter fest.
"Prudence", flüsterte ich leise gegen den kleinen Spiegel auf der Flugzeugtoilette. Meine Haut sah in diesem gedämmten Lichtkegel noch blasser aus, als sie es ohnehin schon war und viele meiner Haarsträhnen hatten sich aus dem Haarband gelöst und standen elektrisch geladen in alle Richtungen ab. Ich hoffte nach wie vor darauf, dass die warme Sonne Australiens meine Bräune wieder Stückweise zurückbringen würde.
"Verstehst du Louis?", fragte ich und schloss die Augen, um an unseren letzten Kuss, der sich auch im Gedanken noch so real anfühlte, zu denken. Ich spürte, wie meine Wangen leicht erglühten und im Gegensatz zu dem Rest meines Gesichtes in einem gesunden rosè Ton erstrahlten. "Natürlich verstehst du ihn", murmelte ich bitter.
Ich war mir ziemlich sicher, dass Prudence der einzige Mensch gewesen wäre, der Louis verstanden hätte, ganz einfach aus dem Grund, da sie ihn nicht gleich von vornhinein verurteilt hätte. Sie hätte ihm zugehört und hätte seine Geschichte analysiert und dann hätte sie mir gesagt, dass auch ich diesem Jungen, diese eine Chance geben sollte, auch wenn diese Chance mich eine enorme Überwindung kosten würde.
Das Licht flackerte durchgehend leicht auf. "Prudence ich verstehe ihn nicht. Ich verstehe nicht, warum ich ihn küsse, auch wenn ich es nicht möchte. Ich verstehe mich schon lange nicht mehr." Schnell wischte ich die Tränen aus meinen Augenwinkeln und befeuchtete somit leicht die Ärmel meines Jäckchens. "Was würdest du machen?", fragte ich noch immer flüsternd.
'Ich glaube nicht, dass du Menschen alles anvertrauen kannst, Liah'. Prudence sah nicht traurig aus, im Gegenteil, ihr, mit leichten Sommersprossen verziertes Gesicht wurde von einem wunderschönen Lächeln durchzogen. 'Vertraust du mir denn nicht?', fragte ich mit zitternder Stimme und zog meine Augenbrauen zu einer erhöhten Linie zusammen.
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Prudence
Teen Fiction❝ Träume entstehen, damit sie Wirklichkeit werden.❞ Nach dem Tod ihrer besten Freundin bricht für Liah eine Welt zusammen, doch anstatt sich damit abzufinden, beschließt sie die Traumliste von Prudence abzuarbeiten und zwar Punkt für Punkt... doch...