Kapitel 25

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•fünfundzwanzig•

❝ Du musst nur daran glauben, dass alles aus einem Grund geschieht, auch, wenn es dir im ersten Moment anders erscheinen mag. Menschen verlassen dich, damit andere in dein Leben treten können, vergiss das nicht.  

 

EINEN STARKEN MENSCHEN erkennt man daran, dass diese Person genau weiß, wann sie eine andere Abzweigung auf ihrem Weg einschlagen muss. Einen schwachen Menschen erkennt man daran, das diese Person nicht genau weiß, wann eine andere Richtung von Vorteil ist und einfach stehen bleibt. Viele tendieren dazu, zu leicht aufzugeben. 

In vergangenen Jahrhunderten wurde ein kaputtes Kleidungsstück sorgfältig zusammengeflickt und wieder tragbar gemacht. Heutzutage wird es unachtsam im Altmüll entsorgt und schnell gegen ein Neues ersetzt. 

Ich wollte nie einer dieser schwachen Menschen sein, von denen meine Großmutter ständig in ihren Geschichten erzählt hatte. Sie ist nun mal eine sehr weise Frau, sie weiß immer ganz genau von was sie spricht und sie hatte im Laufe ihres Lebens genügend Erfahrungen und Einblicke sammeln dürfen, um diese an mich weiter zu geben. 

Liah, hatte Granma immer gesagt und auch Prudence hatte diese Wort oft in ihren Mund genommen, wenn dir etwas wichtig ist, musst du dafür kämpfen. Du darfst nicht so einfach aufgeben: Denn wer aufgibt, hat mit diesem Augenblick alles verloren. Liah, du bist ein starkes Mädchen und in ein paar Jahren wirst du eine noch stärkere und junge Frau sein. 

Sie beide hatten Recht, doch lohnt es sich tatsächlich für etwas zu kämpfen, dass ohnehin immer einen weiteren Kampf nach sich zieht? 

Kämpfe wurden schon seit Beginn des Lebens immer wieder wegen Macht und Anerkennung ausgetragen und sie werden solange ausgetragen werden, bis auch das letzte  Lebewesen von der Welt verschwindet. Dürfen Gefühle die Basis für einen Kampf sein? Muss ich mich immer diesen fürchterlichen Kämpfen stellen? 

Gefühlte Minuten vergehen, ehe ich wieder einen klaren Gedanken nach dem anderen fassen kann und mir allmählich die Bedeutung von Louis' Worten klar wird. Kann etwas ohne Anfang, enden? hat er gesagt und mich dabei angesehen, so wie er mich meiner Meinung nach an diesem einen Abend angesehen hat, als ich kein weiteres Brötchen von ihm haben wollte. 

Mein Kopf schmerzt höllisch und ich bin mir sicher, dass die Musik hinter den großen, hölzernen Schiebetüren rein gar nichts damit zu tun hat. Vorsichtig reibe ich an meinen Schläfen, auch damit ich noch mehr Sekunden damit verschwenden kann, weiteren Fragen von Louis zu entkommen. 

Er ist nun mal genauso stur wie ich und er wird keine Ruhe geben, ehe ich ihm eine zufriedenstellende Antwort auf seine Frage liefere. Ich bin doch dieselbe, ich will auch immer auf jede Frage eine Antwort. Manchmal jedoch wünsche ich mir, dass alle anderen Menschen in meinem Umkreis, nicht gleich sind; wie ich es nun mal bin. 

"Liah?" Louis raue Stimme holt mich aus meinen Gedanken zurück in die Realität, aus welcher ich am liebsten sofort flüchten würde. 

"Geh nicht", fügt er kaum hörbar hinzu und in diesem Moment weiß ich nicht wirklich, ob diese zwei einfachen Worte tatsächlich für meine Ohren bestimmt sind und vielmehr ... ob er sie nicht einfach nur so daher sagt, um mich in die Irre zu führen oder um mich um seinen Finger zu wickeln, so wie er es schon so oft gemacht hat. Louis liebt es diese krankhafte Spiele zu spielen und oft weiß er nicht, wann das Ende erreicht ist. 

PrudenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt