Kapitel 27

5.9K 496 49
                                    

•siebenundzwanzig•

Wie oft hast du dir nachts gewünscht, dass eine ganz bestimmte Person bei dir sein würde? Ich habe aufgehört diese Nächte zu zählen, es wäre sinnlos - es würden unendlich viele sein. 

 

ES IST DIESES eine Gefühl, das ich nicht beschreiben kann, welches mich wie automatisiert auf den Hotelkomplex zusteuern lässt. Ich würde so gerne umdrehen und einfach weit weg laufen; weg von alldem hier -womöglich zurück nach Brighton-, nur um mich nicht dem stellen zu müssen, was mich in den nächsten Stunden oder vielleicht auch nur in wenigen Minuten erwarten wird. Und ich will nicht immer über diese verdammten Gefühle sprechen müssen, die ich sowieso niemals in Worte fassen werde können.

Es ist mir durchaus bewusst, dass dieses Verhalten egoistisch und kindisch ist, aber es ist die Angst, die mich immer wieder die Überhand gewinnt. Diese verdammte Angst, alles zu verlieren. Doch kann man etwas verlieren, was man niemals erreichen wird?

Diese Angst und die Furcht vor dieser einen Entscheidung, die ich noch vor zwei Stunden mit einer solchen Sicherheit getroffen habe, lassen mich für einen kurzen Augenblick erstarren. Das ich zurück nach Brighton möchte, steht fest, doch die Tatsache, dass ich immer wieder zurück zu diesem jungen Mann, mit den unglaublichen Augen kehren möchte, übermahnt mich plötzlich so stark.

Und es ist nicht nur Louis, der eine Rolle spielt, auch Sophie und Jason sind an dieser verzwickten Situation mitbeteiligt. Ich habe in diesen beiden in den letzten Wochen, tatsächlich Freunde gefunden, die ich nie wieder verlieren möchte. Vielleicht wollte Prudence genau das.

Die Fassade des Hotelkomplex ändert alle gefühlten zwei Minuten seine Farbe von hellgelb zu hellgrün und dunkelblau. Gewissermaßen fasziniert mich dieser Anblick und lässt mich nur für ein paar Sekunden vergessen, warum mich meine Füße nicht weiter tragen.

Doch wie aus dem Nichts kehrt diese Angst zurück, weitergehen zu müssen. Ich weiß, dass ich nicht für immer auf diesen Kieselsteinboden inmitten einer Spielstraße stehen bleiben kann, auch, wenn ich es mir noch so sehr wünsche. Seit ich in Australien gelandet bin und seit ich diesen jungen Mann begegnet bin, sind meine Pläne komplett aus dem Ruder gelaufen.

Er muss es doch sehen, wie sehr er mich mit dieser Art verletzt...

Und ich muss sehen, wie sehr ich ihn mit meiner Art immer wieder vor den Kopf stoße...

Geh nicht Liah, nicht jetzt! Louis klang am Telefon so verzweifelt und auch wenn es von der Menge an Alkohol kommt, die er vermutlich in den letzten beiden Stunden getrunken hat, fühle ich mich schuldig und habe die Befürchtung, dass ich ihn verletzt habe.

Ich sollte mich wirklich nicht schuldig oder ängstlich fühlen - dazu habe ich keinen Grund, aber ich mache es nun mal und genau das, kann ich nicht ändern. Ich verletzte ihn genauso – wenn auch nicht wirklich mit voller Absicht.

Louis sollte doch überhaupt nicht diese Wirkung auf mich haben: Väter sollten ihre Töchter von solchen Männern warnen ... meiner macht es aber nicht. Dad kennt Louis nicht einmal und ich bin mir sicher, dass er ihn mögen würde, wenn er ihn kennen würde. Finn würde Louis immer dazu zwingen mit ihm auf das Fußballfeld zu gehen. Diese Vorstellung ist schön, jedoch so fiktiv und unwirklich, fast so als wäre sie einem übertriebenen Roman entsprungen.

Ich glaube auch, dass Mum ihn mögen würde und Granma sowieso ... und Prudence. Louis und Prudence würden sich verstehen, ohne ein Wort mit einander zu wechseln. Es ist erschreckend und beengend zugleich, wie ähnlich sich die beiden sind.

PrudenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt