• zweiundzwanzig•
❝ Bevor sie ihn traf, wusste sie nicht, was es bedeutet, grundlos wegen einer Person zu lachen. Obwohl ich denke, dass sie den Grund genau wusste, sie wollte es sich selbst einfach nicht eingestehen. ❞
FÜR EINEN KURZEN Augenblick stellte ich mein Handgepäck auf dem gefliesten Boden ab und lauschte den beruhigenden Tönen in diesem kleinen Kiosk. Die Melodie erinnerte mich an die alte Spieluhr meiner Großmutter, die ihren fixen Platz auf dem Kamin gefunden hatte und einmal pro Monat vom Staub befreit wurde.
Bis zu meinem siebenten Lebensjahr hatte ich tatsächlich daran geglaubt, dass die kleine Ballerina in diesem Kästchen gefangen war und ich bewunderte sie, wie sie immer im Kreis tanzte und glücklich aussah. Tagelang hatte ich meine Freizeit damit verbracht, aus meinen Haaren dieselbe Frisur zu machen. Erst als meine Großmutter mir die richtigen Haarnadeln besorgt und eine ihrer Freundinnen mir eine Ballerinafrisur auf den Kopf gezaubert hatte, war ich glücklich.
'Du siehst aus wie eine kleine Prinzessin', kicherte Prudence. Ich drehte mich einige Male im Kreis und betrachtete mich von allen Seiten im großen Wandspiegel. 'Findest du wirklich?', fragte ich lächelnd und betrachtete mich mit einem Auge immer noch im Spiegel.
Prudence erschien für einen Augenblick so nachdenklich, so als würde sie nicht wirklich wissen, was sie hätte antworten können. 'Ich glaube du hast Aschenputtel besiegt', sagte sie traurig und senkte ihren Kopf. Prudence war besessen von Märchenbuch-Prinzessinnen, jedoch konnte Aschenputtel niemand das Wasser reichen, nicht einmal Dornröschen.
'Wenn jemand Aschenputtel besiegen könnte, wärst du es und nicht ich', stellte ich zwinkernd fest und Prudence' Gesichtsausdruck erwärmte sich binnen von Sekunden, 'ich möchte sowieso nur Dornröschen sein, dann könnte ich so lange schlafen wie ich will und müsste nicht mehr zur Schule gehen', fügte ich lachend hinzu.
Nachdem ich die beiden Wasserflaschen und die neueste Ausgabe eines Gossipmagazines bezahlt hatte, schlängelte ich mich durch den Wartebereich des Flughafens. Louis hatte mir am Morgen geschrieben, dass ich am Gate auf ihn warten sollte, nachdem ich eingecheckt hatte. Den Grund wusste ich nicht genau, nur so viel, dass sein Vater ihn in sein Büro zitiert hatte. Noch weniger hatte ich jedoch verstanden, warum ich alleine einchecken musste, denn früher oder später musste Louis sowieso auftauchen.
Jason hatte sich freundlicherweise dazu bereit erklärt mich am Flughafen mit meinem Koffer abzusetzen und mich bis zur Sicherheitskontrolle zu begleiten. Der Wartebereich war nicht allzu sehr mit Menschen gefühlt: Ein älteres Ehepaar, ein paar Businessmenschen und eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern.
Ein weiteres Mal überprüfte ich, ob mein Reisepass und das Ticket noch immer in diesem kleinen Seitenfach meiner Tasche waren. Dieses überordentliche Verhalten war ein weiterer Nebeneffekt meiner Nervosität, dich ich mir selbst nicht wirklich erklären konnte: Vielleicht lag es daran, dass ich das erste Mal mit Louis alleine in ein fremdes Land fliegen würde. Seit zwei Tagen stellte ich mir die schlimmsten Geschehnisse vor. Das Louis mich nach einem weiteren Streit in der Wildnis Neuseelands aussetzen könnte und ich als Tierfutter enden würde, war die bescheuertste und gleichzeitig furchteinflößendste Vorstellung, die ich mir in meinen Gedanken ausmalte.
"Brixton", riss mich die Stimme von Louis aus meinen Gedanken. "Nein?", fragte er und setzte sich mit einer dunkelschwarzen Sporttasche neben mich. Mein Blick haftete auf ihm und zugegeben, er sah auch in Jogginghose und weitem Hoodie unverschämt gut aus.
"Dann muss ich meine Reisebegleitung wohl wo anders suchen", lachte er und stellte seine Tasche endgültig am Boden ab.
"Was?", fragte ich, da ich ihm noch immer nicht richtig zugehört hatte, "ich war gerade nicht ganz bei der Sache", fügte ich schnell hinzu.

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Prudence
Novela Juvenil❝ Träume entstehen, damit sie Wirklichkeit werden.❞ Nach dem Tod ihrer besten Freundin bricht für Liah eine Welt zusammen, doch anstatt sich damit abzufinden, beschließt sie die Traumliste von Prudence abzuarbeiten und zwar Punkt für Punkt... doch...