Kapitel 17

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•siebzehn•

❝  Glück und Trauer liegen so weit beisammen. Ich kann dir nur sagen, dass diese eine Person, die dich zum glücklichsten Menschen und gleichzeitig zum Traurigsten macht, einen besonderen Platz in deinem Herzen verdient hat. Ab da weißt du dann, dass der Zeitpunkt gekommen ist, für dich und diesen einen Menschen zu kämpfen. Ich kann dir nicht sagen, wann diese eine Person in dein Leben treten oder wer es sein wird, ich kann dir nur sagen, dass ich es nicht bin.  ❞

DIE HOLPRIGE GASSE, welche am Anfang so lang und endlos erschien, war im Nachhinein kürzer als gedacht. Das Schöne jedoch daran war, dass sich an jedem noch so kleinen Abschnitt die unterschiedlichsten Seidentücher mit den exotischsten Gerüchen der mexikanischen Küche vermischten und sich ein wohlwollendes Gefühl in mir ausbreitete. Ich hatte schon seit meiner frühen Kindheit ein Faible für bunte  Seidentücher, die mir meine Mum immer von ihren Vorlesungen aus den unterschiedlichsten Flecken dieser Welt mitgebracht hatte, gehabt. 

        "Das pinke", lachte ich und zeigte dem Verkäufer das Tuch, das mir sofort in mein Auge gesprungen war. Prudence hätte meine Wahl ebenfalls geteilt, da sie genauso wie ich, die Farbe rosa mit all ihren Nuancen liebte. Es war nie wirklich schwer, den Geschmack von Prudence zu treffen. So sehr sich unser Geschmack bei Jungs teilte, umso ähnlicher waren wir, wenn es darum ging, kitschige Sachen zu lieben. 

        "Eine hervorragende Wahl", meinte der Verkäufer und ich war mir sicher, dass diese Antwort als Standard galt, und er dasselbe geantwortet hätte, wenn ich mich für ein Pechschwarzes mit silbernen Perl-Pigmenten entschieden hätte. "Kann ich Ihnen auch passende Ohrringe anbieten?", fragte er mit einem dicken Lächeln auf seinen Lippen und deutete mit seiner Hand auf eine silbergraue Box, in welcher Ohrstecker in allen erdenklichen Farben zu finden waren. 

        "Nein, danke", lachte ich und deutete auf meine Ohrläppchen, die kein passendes Loch für solche Stecker boten. "Wie viel?", fragte ich und zog meine Brieftasche aus meiner Umhängetasche. "Zehn", antwortete der Mann, von dem ich mir nicht sicher war, ob er aus Japan oder China stammte.

Lächelnd nahm er den Schein an sich und händigte mir zeitgleich einen kleinen weißen Beleg für meinen Einkauf aus. "Vielen Dank", sagte er und verabschiedete sich ebenfalls stark lächelnd. Das Gefühl, das sich immer in meinem Körper breitmachte, wenn ich ein neues Accessoire erstanden hatte, war einfach unbeschreiblich.

Desto näher das Ende dieser lebendigen Gasse rückte, desto stärker zog der Rauch der Großstadt in meine Nase zurück. Ich hatte mich auch in London nie wirklich mit einer Großstadt anfreunden können, umso mehr liebte ich Brighton, wenn es auf seine Besucher auch meistes zu den verschlafen Städtchen Englands zählte, war es jedoch für mich das genaue Gegenteil.

Brighton konnte mit seinen kleinen Gässchen, in denen sich das blühende Leben abspielte, punkten und genauso war es auch in diesem Stadtteil von Melbourne. Es spielte keine Rolle, wohin man blickte, überall begegneten einem strahlende und glückliche Menschen, die es liebten für einen Augenblick die Großstadt zu verlassen und in eine völlig neue Welt einzutauchen.

'Jede Großstadt hat ihr eigenes Flair', sagte Prudence staunend und fuhr mit ihrem Finger über das Touchfeld ihres Computers, das die Innenstadt von Paris in groben Rundrissen zeigte. 'Ich weiß nicht so recht', murmelte ich kopfschüttelnd. Ich wusste genau, dass Prudence und ich uns in dieser Ansicht nicht ähnelten. 

'Ich mag es hier', lächelte ich schwach und konnte mir nicht wirklich vorstellen, wie es wäre, einmal einen anderen Platz dieser Welt, als mein Zuhause anzusehen. 'Brighton hat auch seinen eigenen Flair.

PrudenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt