Kapitel 2

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zwei•

Ein Regenbogen verschwindet doch nicht, er legt sich nur schlafen und wenn sich Sonne und Regen wieder treffen, wacht er auf. Das ist wie bei unserer Freundschaft, sie verschwindet auch nicht, wir schlafen am Abend ein und wachen am nächsten Morgen wieder auf.

ICH BLEIBE FÜR einen kurzen Augenblick vor der Parklandschaft stehen, ehe ich sie betrete. Zu viele Erinnerungen hängen in der Luft. Erinnerungen an ein Leben, das ich nie wieder leben werde. Die großen Tannen ragen in den Himmel und das Eingangstor ist von Jahr zu Jahr rostiger geworden, als es vor Jahren schon war; und wieder hasste ich den Regen, der seinen Teil für das heruntergekommene Tor beigetragen hatte. Ich verstehe die Stadtverwaltung, dass sie kein neues anschaffen, da es dem dauernden Regen ohnehin zum Opfer gefallen wäre, doch ich wünschte, sie würden es erneuern.

Um ehrlich zu sein, verband ich viele Erinnerungen mit diesem Stück Blech.

Prudence und ich haben unsere Sommerferien von der zweiten bis zur neunten Klasse zum Großteil im Park oder am Strand verbracht. Es gab für uns nichts Schöneres, als den ganzen Tag in der Natur zu spielen. Manchmal waren wir am Abend so schmutzig, dass sich das Wasser in eine dunkle Farbe verwandelte, doch das war ein Zeichen, das wir lebten, vor allem aber das der Spaß dabei nie zu kurz kam.

'Du siehst aus wie einer dieser Indianer mit ihrer Kriegsbemalung', sagte ich damals zu Prudence, nachdem sie zwei Stunden damit verbrachte, ihr Gesicht mit nasser Erde vollzukleistern. Sie zuckte bloß mit ihren Schultern und durchbohrte mich mit ihrem intensiven Blick, 'dann musst du aber meine beste Indianer-Freundin sein', lächelte sie. Ich mochte es, wenn Prudence lächelte, denn dieses Lachen war mehr als ansteckend.

Hätte ich nicht gewusst, dass sich unter dieser Maske meine beste Freundin befand, wäre ich schreiend aus dem Park gerannt und hätte meine Mum zur Hilfe geholt. Ich verzog beim bloßen Gedanken daran, mir dieses Gemisch in mein Gesicht zu schmieren, mein Gesicht. 'Hab schon alle Würmer und Asseln entfernt', lachte Prudence und drückte ihre schmutzige Handfläche auf meine linke Wange. 'Ameisen können noch drinnen sein, aber ich denke, dass sie mehr Angst vor dir haben werden, als du vor ihnen', hatte sie daraufhin geantwortet und meine Faust mit ihrer Erde-Wasser-Mischung gefüllt.

"Kommst du endlich?", schreit Finn, als er auf mich zu rennt und gleichzeitig nach seinem Fußball tritt. Das schöne, wenn man Kinder beobachtet ist ihr fröhliches Wesen, wenn sie tun dürfen, was sie wollen. Ich könnte meinem kleinen Bruder Stunden dabei zusehen, wie er über den Rasen flitzt und sich jedes Mal freut, wenn er den Ball durch das schmale Tor wirft.

"Ja gleich, Kleiner", antworte ich ihm schnell und blicke zurück auf den Fleck, an dem sich fünf Jahren das schönste Blumenbeet von ganz Brighton befand; dieses jedoch nach dem Tod der alten Dame immer mehr verkümmerte, da Prudence der Meinung war, dass es nicht in Ordnung wäre, das Beet weiter zu pflegen. Wir wussten nicht, welche Vorstellungen die alte Dame hatte.

Zusammen mit Prudence und der älteren Dame, pflegten wir die Blumen, jeden Tag war ein anderer von uns dreien an der Reihe, um die Blumen zu gießen. 'Die Lilien finde ich am schönsten, Liah', lachte Prudence und roch an ihnen. Ich mochte immer Rosen am liebsten, doch Lilien fand ich auch ganz schön.

'Die riechen nach nichts', schmollte sie und durchbohrte mich mit ihren stechend grünen Augen. Prudence war damals gerade sieben Jahre alt und ich neun und sie hatte es nicht ganz verstanden, dass nach einem Regenguss, die Blumen ihren Duft verloren hatten. Eine Zeit lang war sie der Meinung, dass Lilien, die einzigen Blumen auf der Welt wären, die keinen Geruch hatten.

PrudenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt