•sechsundzwanzig•
❝ Menschen betrinken sich, treffen falsche Entscheidungen und tun so, als wäre alles in Ordnung. Menschen, handeln hart und werden verrückt. Menschen, machen alles, um ihr Herz abzulenken. Sie werden alles versuchen, um jemanden zu vergessen, aber sie werden es niemals können. ❞
WIE SCHNELL GLAS zerbrechen kann, musste ich bereits mit acht Jahren feststellen, als ich die Lieblingsfigur meiner Mutter zerbrochen hatte. Binnen Sekunden verwandelte sich der marineblaue Delfin -für Mum war es kein einfaches blau-, in hundert einzelne Splitter und bedeckte einen großzügigen Bereich des Laminatbodens unter meinen Füßen.
In diesem Moment und auch in den Momenten danach war ich mit der Situation überfordert, und ich wusste nicht, was ich machen sollte. Schlussendlich hockte ich mich über die Scherben und begann zu weinen. Eine Träne nach der anderen vermischte sich mit den blaugefärbten Scherben. Damals hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren, erst als mein Vater mich vorsichtig an den Schultern packte und mich wieder auf meine Beine zog, kam ich zurück in die Realität.
Ich schniefte und verkroch mich im schwarzen Anzug meines Daddys. Mum war nicht wütend, und nachdem Dad ihr eine neue Skulptur aus Shanghai mitbrachte, hatte sie nie wieder ein Wort über ihren Delfin verloren.
Heute - zwölf Jahre später - fühle ich mich genau wie damals; wie dieses kleine achtjährige Mädchen mit den zwei braunen Haarzöpfen und dem blaukarierten Pullover mit Pferdeaufdruck. Zu gerne hätte ich mich in die Arme meines Vaters begeben und seinen beruhigenden Worten gelauscht.
Mein Dad hatte schon immer die Gabe genau das Richtige zu sagen. Er hätte mich fest an seine Brust gedrückt und mir leise in meine Ohren geflüstert, dass bereits im Morgengrauen alles besser sein würde - doch natürlich spielt das Leben nicht so. Damals bei der Beerdigung von Prudence hatte er mir gesagt, das die Worte meiner Rede genau das war, was Prudence auch gesagt hätte und das ich mich danach besser fühlen würde...ich fühle mich aber nicht besser. Auch heute nicht, hundert-siebenundsiebzig Tage nachdem sie ihre Augen für immer geschlossen hat.
Verzweifelt blicke ich mich in der fremden Gegend um, Straßenlaternen erhellen den Bereich und in einigen der Wohnhäuser brennt noch Licht. Der Taxifahrer hatte sich ein gefühltes dutzendmal erkundigt, ob ich wirklich frühzeitig aussteigen wollen würde. Ich nickte jedes Mal und versuchte, einen nicht allzu verzweifelten Eindruck zu hinterlassen. Nachdem er mir noch den übrigen Weg zu meinem Hotel erklärte, bezahlte ich die genannte Summe von zwanzig Dollar und stieg aus dem gelben Auto aus. Zum Abschluss winkte ich ihm sogar. Irgendwie erlebe ich gerade mein eigenes Déjà-vu.
Auch, wenn es nicht wirklich kalt für diese Jahreszeit ist, beginne ich leicht zu frösteln und wünsche mir, dass mein flauschiger Cardigan mich umhüllen würde. Seufzend setzte ich einen Schritt nach dem anderen unter den flackernden Straßenlaternen fort. Erst als ich in naher Ferne den großen Hotelkomplex in die Höhe ragen sehe, wird mir klar, dass sich mein Ziel schon vor meiner Nasenspitze befindet.
Vor einer Stunde war der graue Wolkenkratzer, inmitten einer künstlich grünen Parklandschaft, noch mein Ziel, doch desto näher ich komme, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich überhaupt jemals so etwas wie ein Ziel vor den Augen hatte.
Wie aus dem Nichts tauchen stechend blaue Augen in meinem Kopf auf, und braune Haare, die in alle erdenklichen Richtungen abstehen. Und diese so fürchterlich vertraute Stimme hallt durch meinen Kopf, langsam wiederholt sie dieselben verschwommene Worte immer und immer wieder: Zwischen schaffen und nicht mehr wollen, besteht ein großer Unterschied, Liah. Schaffen und nicht mehr wollen ... ein ganz großer Unterschied ... Liah.
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Prudence
Novela Juvenil❝ Träume entstehen, damit sie Wirklichkeit werden.❞ Nach dem Tod ihrer besten Freundin bricht für Liah eine Welt zusammen, doch anstatt sich damit abzufinden, beschließt sie die Traumliste von Prudence abzuarbeiten und zwar Punkt für Punkt... doch...