'17 Stunden Flug, was soll ich denn die ganze Zeit über machen', dachte ich genervt als das Flugzeug gerade die Flughöhe erreicht hatte und die Anschnallzeichen ausgingen.
Für schlafen war es definitiv noch zu früh, also entschied ich mich dafür Musik zu hören, das würde mich sicher auch ablenken. Zuerst schaltete ich meine Favoritenplayliste auf Spotify ein, aber eigentlich hatte ich heute mal Zeit neue Lieder zu entdecken, also suchte ich irgendeine Playliste aus und spielte sie einfach mal ab. Bei Musik war ich immer schon flexibel, ich hörte viel Pop und Rock, aber manchmal hatte ich auch Lust auf Rap, Techno oder Metal - es kam immer auf meine Stimmung an. Da ich ziemlich schnell merkte, dass die ausgewählte Playlist nicht wirklich meinen Geschmack traf, überlegte ich mir die Deutschen Charts an zu hören, mal sehen was dort gerade so aktuell war. Viele Lieder die bei uns immer im Radio liefen, fanden sich auch in dieser Playlist - naja an Blinding Lights , Old Town Road oder z.B. Senorita kommt man halt einfach nicht vorbei. Aber beim durchhören fielen mir 2 andere Lieder auf die ich noch nicht kannte: 110 von Lea und Play with fire von Nico Santos. Ich hatte keine Ahnung wer die Künstler waren, aber diese beiden Songs gefielen mir. Da sie mich aber auch ziemlich nachdenklich machten, schaltete ich wieder weiter. Ein Fehler, denn der nächste Song, riss mir dann den Boden unter den Füßen weg:Was ist denn jetzt mit der Zukunft, die vor uns lag?
Wir hatten doch Pläne
Und davon so viel
Wir kannten die Wege
Jetzt geh' ich ohne dichEy, wir hatten doch Pläne, wir hatten ein Ziel
Wir haben geträumt und wir wollten so viel
Was nützen die Pläne
Wenn das Wichtigste fehlt?
Ich war wie erstarrt und konnte nicht wegschalten, obwohl es alle Gefühle, die ich heute schon versucht hatte zu verdrängen, an die Oberfläche zurück brachte. Ich merkte wie mir Tränen in die Augen stiegen und sich langsam ihren Weg über meine Wangen suchten. Genau diesen Plan hatten wir oder vielleicht hatte auch nur ich ihn, ich wollte mit Liam eine gemeinsame Zukunft. Wir hatten bereits ein Haus und in den nächsten Jahren wollte ich auch unbedingt Kinder. Ich war mir immer sicher das Liam der Eine war, denn ich hatte vor ihm noch keine Beziehung, jedenfalls nichts was wirklich von Dauer oder Bedeutung war. Bei Liam hatte ich mich das erste Mal wieder Zuhause gefühlt, er war mein Anker der mir das Gefühl gegeben hatte das ich wohin gehöre und geliebt werde. Diese Sicherheit hatte ich vor langer Zeit verloren, eigentlich zu dem Zeitpunkt als ich mit fünfzehn nach Rosenheim zog.
Die ersten fünfzehn Jahre habe ich in der Nähe von Lübeck gelebt. Ich habe es dort geliebt, die Menschen waren alle so herzlich, meine Freunde wohnten nicht weit weg und meine zwei besten Freunde sogar im selben Gebäude. Als wir noch klein waren haben wir uns jeden Tag draußen getroffen und viel Unfug angestellt und als wir älter wurden, sind wir oft mit dem Bus ans Meer gefahren. Dort haben wir den ganzen Tag verbracht, oder wenigstens solange, bis uns wiedermal ein Elternteil eingesammelt hat. Wir hatten sehr oft "vergessen" Bescheid zu geben das wir ins Meer fahren.
Mit dreizehn haben wir unsere Eltern wirklich viele Nerven gekostet, doch ich habe es geliebt mit den beiden - wir waren ein tolles Team.
Kurz vor meinem 15. Geburtstag änderte sich dann alles, meine Eltern haben sich nur mehr gestritten, ständig war dicke Luft bei uns. Das harmonische Familienleben war vorbei und ich war damit so überfordert, dass ich mich dann auch noch mit meinen besten Freunden zerstritten habe. Zirka ein halbes Jahr nach meinem Geburtstag hat mein Vater die Koffer gepackt und ist mit mir nach Rosenheim gezogen.
Damals haben meine Eltern, ohne mich zu fragen, entschieden, dass ich bei meinem Vater leben sollte. Ich habe sie dafür so sehr gehasst.Da mein Vater mit mir und meinem trotzigen Verhalten überhaupt nicht klarkam, kam ich nur ein halbes Jahr später zurück zu meiner Mutter, die zu dem Zeitpunkt schon in Berlin gelebt hat. Mit meinen Freunden Zuhause habe ich kein Wort mehr gewechselt und neue Freund zu finden viel mir schwer, denn ich ließ keinen mehr an mich ran. Ich war damals von meinen Eltern und der ganzen Welt so enttäuscht, daran bin ich irgendwo zerbrochen. Deshalb wollte ich mit neunzehn auch nur noch weg.
Erst Liam hatte mir wieder Sicherheit gegeben, dachte ich jedenfalls. Denn auch er hat mich nur verarscht und hintergangen.Nachdem ich nun die letzte Stunde über meine Vergangenheit nachgedacht hatte, war ich so müde geworden, dass ich mit Tränen in den Augen einschlief und erst sechs Stunden später wieder aufwachte.
'Somit wären die ersten 8 Stunden geschafft! ', versuchte ich es positiv zu sehen. Da es noch mitten in der Nacht war und alle rund um mich schliefen, entschied ich mich erstmal einen Film zu schauen.
Zwei Filme und ein Frühstück später, waren es immer noch 4 Stunden Flug bis zum Zwischenstopp in Dubai und da ich mich erstmal nicht mehr traute irgendeine Musik zu hören, rannte ich wie aufgeschreckt durchs Flugzeug und zog mir dann noch einen Film rein. War gar nicht so einfach drei Filme zu finden die nichts mit Romantik zu tun hatten oder ich nicht schon Gefühlte 1000-mal gesehen hatte. Aber ich war fündig geworden.Als die Anschnallzeichen wieder aufleuchteten und der Pilot verkündete, dass wir auf den Flughafen in Dubai zusteuern war ich so erleichtert, ich hatte die nächste Etappe erreicht und ich konnte endlich für wenigstens drei Stunden das Flugzeug verlassen und mich bewegen, denn auch wenn die Sitze ziemlich bequem waren, 17 Stunden waren einfach zu viel.
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Fanfiction7 Jahre war Leila schon nicht mehr in Deutschland und eigentlich wollte sie auch nur einen kurzen Zwischenstopp einlegen, sich sammeln und dann ganz schnell wieder das Land verlassen, das für sie schon lange keine Heimat mehr war. Aber manchmal komm...