18. Kapitel

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Drei Tage später hatte ich eine kleine Wohnung gefunden, sie war zwar wirklich klein, da sie nur ein Wohn-Schlafzimmer, ein kleines Bad und eine kleine Küche hatte, aber für den Anfang reichte das ja. Ich würd mich einfach weiter nach einer größeren Umschauen und irgendwann sicher das passende finden.
Nachdem ich den Mietvertrag unterschrieben hatte, erledigte ich alle Behördengänge und kaufte noch ein paar Möbel für die Wohnung.
Ich hatte zwar immer noch keinen Plan wie es weiter gehen sollte, doch ich hatte nun eine Wohnung und bekam ein bisschen Geld vom Amt. Alles andere würde sich schon ergeben. Ich versuchte das ganze einfach entspannt anzugehen, wie immer.

Eigentlich wollte ich nun auf Arbeitssuche gehen und die Stadt kennen lernen, doch am ersten Tag, an dem ich keine Termine mehr hatte, fing der Lockdown an. Es war der 22. März 2020. Jetzt saß ich also alleine in meiner Wohnung. Meine Mutter arbeitete im Supermarkt und war dementsprechend viel arbeiten, mit Wincent hatte ich seit unserem Telefonat kein Wort mehr gewechselt und mit Marco hatte ich sowieso kaum Kontakt.
Also hieß es nun drei Wochen in den eigenen vier Wänden zu überbrücken, etwas ungewohntes für mich, aber das würd ich hinkriegen.

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Ich war den vierten Tag alleine Zuhause, hatte mittlerweile alle Möbel zusammengebaut und war am einräumen. Doch ich fühlte mich nicht gut, ich hatte ständig ein ziehendes Gefühl im Bauch, zuerst machte ich mir nicht groß Gedanken sondern dachte es hängt einfach damit zusammen, das der Bauch nun langsam anfängt zu wachsen. Als am Abend jedoch leichte Blutungen dazukamen, machte ich mir doch Sorgen und fuhr ins Krankenhaus. Ich war mir sicher das es nichts schlimmes war, doch mir war lieber es kontrollieren zu lassen. Im Krankenhaus schickten sie mich in die Entbindungsstation und dort musste ich erst ein bisschen warten bis ich dran kam. Doch das warten machte mich extrem Nervös, was wenn doch nicht alles gut war? Mit jeder Minute die verging wurde ich noch angespannter und war sehr erleichtert, als mich die Schwester in den Untersuchungsraum bat.
Der Arzt machte gleich ein Ultraschall und fragte: "Haben sie den Herzschlag schon gesehen?" Ich sah ihn fragend an. "Ja natürlich!" mir war nicht klar worauf er hinaus wollte, immerhin war ich mittlerweile in der 11 Woche.

"Ich find keinen Herzschlag mehr! Auch die Entwicklung ist nicht so weit wie sie sollte!", erklärte er mir emotionslos. Ich sah ihn nur an, ich Begriff nicht, was er mir damit sagen wollte. "Was bedeutet das?", fragte ich zögerlich. "Die Schwangerschaft ist nicht mehr intakt! Wir werden sie stationär aufnehmen!", sagte er zu mir. Er sagte das so kalt und emotionslos als wäre da ja gar nichts dabei. Ich konnte es nicht fassen und wollte es nicht glauben. Der Arzt verließ ohne einen weiteren Kommentar das Zimmer und ich saß alleine da. Ich wusste nicht warum er gegangen war oder was jetzt passierte, was ich jedoch ganz sicher wusste, war das ich nicht hier bleiben würde.
Ich zog mich an und ging aus dem Behandlungszimmer, ich erklärte der Dame am Empfang das ich nicht hierbleiben würde, sondern nach Hause gehe. Der Arzt kam dazu und meinte darauf hin nur das es keine gute Idee wäre und ich mich auf eigene Verantwortung entlassen musste. Das tat ich in dem Moment gerne. Der Arzt hatte mir auf eine dermaßen kalte und emotionslose Art erklärt das ich gerade mein Baby verloren habe das ich ihm nicht glauben konnte und wusste das ich gehen musste. Ich unterschrieb die Papiere und verließ das Krankenhaus.

Erst in der Straßenbahn fing ich langsam  an zu begreifen, was der Arzt gesagt hatte und mir kamen die Tränen und Gleichzeitig war ich stink wütend.
Ich konnte nun unmöglich alleine sein, also fuhr ich zur Wohnung meiner Mutter, die überrascht die Tür aufmachte. Ohne ein Wort fiel ich ihr schluchzend um den Hals. "Leila was ist passiert?", fragte sie entsetzt, doch ich konnte nicht gleich antworten. Erst eine halbe Stunde später hatte ich mich soweit beruhigt, das ich es ihr erzählen konnte. Sie sah mich entsetzt an, auch sie konnte nicht glauben, wie kalt dieser Arzt war.
 "Ich brauch eine zweite Meinung, ich glaub diesem  Menschen nicht!", sagte ich irgendwann. "Wir rufen morgen bei meinem Gynäkologen an!", sagte sie sofort zustimmend und nahm mich wieder in den Arm. "Danke!" Ich konnte nicht mehr sagen, ich fühlte mich leer und war nur froh, das meine Mutter gerade da war. Irgendwann schlief ich erschöpft und zusammengekauert auf der Couch ein.

Der Arzt empfing mich am nächsten Tag deutlich freundlicher und war mir auch vom Auftreten viel Sympathischer, doch leider hatte er keine guten Nachrichten. Er bestätigte mir die Aussage des anderen Arztes - der Herzschlag war nicht mehr auffindbar und auch die Entwicklung war nicht weit genug für meine Woche. Er sagte mir das aber auf eine ruhigere und freundliche Art - vielleicht war es für mich aber auch einfacher, weil ich eigentlich wusste, das der Arzt vom Vorabend nicht falsch gelegen hatte. Mein Herz war trotzdem gebrochen und es fiel mir schwer zu atmen.
Der Arzt erklärte mir noch, das ich nicht zwingend ins Krankenhaus gehen musste, ich aber in einer Woche nochmal vorbei kommen sollte zur Kontrolle. Er nahm mir noch schnell Blut ab um den HCG Wert zu bestimmen und entließ mich dann erstmal. Ich bedankte mich und ging wie ferngesteuert aus der Praxis. Eigentlich war mein Plan gewesen wieder zu meiner Mutter zu fahren, aber ich konnte nicht – stattdessen fuhr ich in meine Wohnung und sperrte mich dort ein. Meiner Mutter schrieb ich nur eine Nachricht und versprach ihr, mich später nochmal zu melden.

Ich setzte mich auf die Couch und fing an zu weinen, stand dann aber wieder auf und schrie: "Warum? Warum passiert mir so was? Hab ich den kein Recht auf ein bisschen Glück!" Ich tobte bis ich nicht mehr konnte und setzte mich dann auf den Boden. Einfach alles was nur im Ansatz gut zu sein schien, verlor ich irgendwann. Es war nicht geplant gewesen und ich war ziemlich schockiert am  Anfang, doch ich hatte mich mittlerweile schon so gefreut. Ich hatte mir eine Zukunft ausgemalt mit einem kleinen Mädchen oder Jungen und war sogar schon dabei an Namen zu denken - doch jetzt war alles vorbei und vermutlich war ich selber schuld gewesen - hät ich doch früher gemerkt, das ich schwanger war. Dann hätte ich nicht so viel Alkohol getrunken und wäre nicht um die halbe Welt gereist, vielleicht wäre mein Kind dann noch am Leben. Nun überkamen mich unendliche Trauer und Selbsthass. Verzweifelt und schluchzend blieb ich am Boden liegen.
Erst ein paar Stunden später, als meine Mutter wie verrückt klingelte, erhob ich mich wieder vom Boden und machte ihr auf. Sie nahm mich sofort in den Arm und es beruhigte mich. Ich setzte mich auf die Couch, meine Mutter machte mir einen Tee und setzte sich dann neben mich. Wir sagten beide kein Wort, was hätten wir den auch groß Sagen sollen. Es half mir einfach, das sie gerade da war. Irgendwann erklärte ich ihr kurz was der Arzt gesagt hatte, doch dann schwiegen wir uns wieder an. Sie blieb, bis ich mich ins Bett gelegt hatte und versprach mir, am nächsten Tag nach der Arbeit wieder vorbei zu kommen. Ich nickte nur und schlief erschöpft ein.

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Ich möchte mich bedanken bei allen die meine Geschichte lesen und für jeden einzelnen Vote - vielen, vielen Dank. Ihr motiviert mich unglaublich weiter zu schreiben.

Ich bin ehrlich, ich hab ein bisschen Angst vor euren Reaktionen zu dem Kapitel, es ist ein schweres Thema.

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