21. Kapitel

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1 1/2 Monate später - Mitte Mai:

Das Gespräch mit Winc hatte mir neuen Mut gemacht und ich hab es geschafft wieder aufzustehen und was gegen meine aktuelle Situation zu tun. Erst war ich beim Arzt zur Nachkontrolle und dann hab ich eine Therapie begonnen. Mit ziemlich viel Glück hatte ich auch schnell einen Job ergattert, es war nur ein Praktikumsplatz für zwei Monate, doch es war genau das was ich machen wollte und ich war auch einfach froh eine Aufgabe zu haben.
Ich arbeitete bei Brainpool TV GmbH als Praktikantin in der Aufnahmeleitung und war bei TV Aufzeichnung das Mädchen für alles, ich wurde eingesetzt wo gerade jemand fehlte. Ich half beim Aufbau von Sets, holte Equipment, bewachte Eingangstüren, sorgte für Ruhe wenn gedreht wurde und räumte am Ende des Drehtages wieder auf. Die Tage waren meist lang und anstrengend, doch ich fand es super. Ich hatte in Neuseeland auch bei einer TV Produktionsfirma gearbeitete, damals aber nur im Büro als Teamassistent.

Die nächsten Tage würden nun sehr aufregend und anstrengend werden, denn meine erste Live Show stand an . Aufgrund von Corona war der ESC abgesagt worden und Stefan Raab entschied kurzfristig dafür einen Free ESC in Deutschland abzuhalten, dafür war ich eingeteilt. Ich freute mich schon sehr, denn eine Liveshow war viel mehr Herausforderung. Alles musste passen, man hatte keinen zweiten Versuch oder jemanden der die Aufzeichnungen zusammenschneiden konnte.

Es fing alles schon fünf Tage vor der eigentlichen Show an, die Sets mussten aufgebaut werden, die Technik installiert und alles hergerichtet, damit am nächsten Tag die ersten Proben stattfinden konnten. Kurz bevor mein Arbeitstag zu Ende war kam meine Chefin nochmal auf mich zu und drückte mir ein paar Zetteln in die Hand. "Leila wir müssen noch die Garderoben beschriften - hier der Plan!", sagte sie und drückte mir einen größeren Zettel in die Hand. Ich nickte und fing gleich an. Nach und nach ging ich die Türen ab und klebte die entsprechenden Namensschilder drauf: Ilse de Lange, Kelvin Jones, Sarah Lombardi, Josh, ... und als letztes kam Nico Santos. ‚Nein! Der hat mir gerade noch gefehlt!‘, dachte ich und verdrehte die Augen. Eigentlich wollte ich Nico nie wieder sehen, ich war immer noch sauer weil er am Flughafen so arrogant war und ich hatte Angst das er mich wieder aus der Bahn warf, jetzt wo ich mich halbwegs gefangen hatte. Doch eigentlich wusste ich, das ich nicht ewig vor ihm davonlaufen konnte, ich musste mich meiner Angst und Nico stellen.

Als ich am nächsten Tag zur Arbeit kam, merkte ich wie angespannt ich war, obwohl ich mir vorgenommen hatte nicht daran zu denken, hatte ich den ganzen Tag Angst vor der Begegnung mit Nico. Ich musste mich echt zusammenreisen meine Arbeit sinnvoll zu erledigen und am Ende des Tages ärgerte ich mich, da Nico gar nicht aufgetaucht war. Ich hatte mich also den ganzen Tag umsonst gesorgt. Genervt fuhr ich am Abend in meine Wohnung und setzte mich vor den Fernseher um auf andere Gedanken zu kommen. Ich zappte durch das Programm und blieb bei VOX hängen  "Sing mein Song - der Abend von Nico Santos! Gleich nach der Werbung geht’s weiter!" "Ich hasse den heutigen Tag!", sagte ich genervt und wollte gerade umschalten, als es an der Tür läutete. "Winc?" ich sah ihn irritiert an. "Hallo Leila ", sagte er grinsend und umarmte mich. Ich sah ihn immer noch verdutzt an, doch er marschierte bereits an mir vorbei ins Wohnzimmer. "Was machst du hier?", fragte ich und folgte ihm. "Du schaust Sing mein Song mit Nico?", bekam ich nur eine Gegenfrage. Wincent stand im Wohnzimmer und sah mich skeptisch an. Ich sah auf den Fernseher "Ich wollte eigentlich gerade umschalten!", sagte ich und ging zur Couch um die Fernbedienung zu holen. "Ich hab meinen besten Kumpel verloren als ich 15 war...!", hörte ich Nicos Stimme und drehte mich zum Fernseher. Ich stand wie angewurzelt da, hörte mir die Geschichte und den Song an, er war wunderschön. "Leila alles klar bei dir?", riss mich Wincent plötzlich aus meinen Gedanken. "Eh ja klar!", sagte ich und schaltete den Fernseher nun aus. "Was machst du jetzt hier?", fragte ich nun da ich mich wieder konzentrieren konnte. "Ich bin für ein paar Tage in Köln und wollte dich besuchen!" "Willst du mir nicht erzählen was gerade in deinem Kopf vorgeht?", fragte er und sein Grinsen wurde breiter.

 "Ich hab mich nur gerade an deinen Geburtstag erinnert - Nico hat mir das mit seinem Freund erzählt und das er einen Song geschrieben hat den er nun endlich veröffentlicht! Der Song ist wirklich schön!" Ich lies mich neben Winc auf die Couch fallen. "Er hat dir von ihm erzählt? ... .... Du kannst dich daran erinnern?" Winc sah mich ungläubig an. "Ja ich kann mich an alles erinnern!", sagte ich immer noch etwas abwesend und merkte wie mir Tränen in den Augen standen. Ich wusste gar nicht warum mich dieser Moment gerade so mitnahm, aber es erinnerte mich wie er mir davon erzählt hatte und mir sagte, das er hoffte das er Adri mit seinem Weg und der Musik alle Ehre erweisen würde und ihn irgendwie auch stolz machen wollte! Das hatte mich damals schon so mitgerissen, diese tiefe Verbundenheit. "Leila?", wieder riss mich Winc aus den Gedanken. "Er hat mir erzählt das er total nervös vor der Veröffentlichung war und das Lied schon ewig rumliegen hatte! Doch das Lied ist wirklich schön!", sagte ich mehr zu mir als zu Winc. Winc sah mich mit einem komischen Gesichtsausdruck an. "Ich wusste gar nicht das ihr so ein tiefgehendes Gespräch geführt habt!" Ich sah ihn an und musste schmunzeln. "Eigentlich haben wir wirklich über sehr viel gesprochen und sehr offen!", stellte ich fest. Wincent sah mich an und dachte augenscheinlich nach, dann setzte er zu etwas an, lies es dann aber doch bleiben. "Was ?", fragte ich ihn irritiert. "Nichts! Hast du was zu trinken da?", versuchte er das Thema zu wechseln. "Ja, Tegernseer!", sagte ich grinsend und ging in die Küche um sie zu holen. Wir machten uns einen netten Abend und ich war froh das Winc Nico nicht mehr erwähnte, so konnte ich ihn relativ gut ausblenden.

Da ich nach dem gemütlichen Abend mit Winc gar nicht mehr groß daran dachte das Nico heute in meiner Arbeit auftauchen würde, war ich um so geschockter als er plötzlich vor mir stand.
"Nico!" "Leila?" Wir sahen uns kurz nur stumm an. "Was machst du denn hier?", fragte er plötzlich ziemlich arrogant. "Ich arbeite hier!“ Ich war überrascht von seinem Tonfall, obwohl ich gestern noch damit gerechnet hatte das er wieder so drauf ist. "Dann kannst du mir sicher zeigen wo meine Garderobe ist?" Ich sah ihn kurz entsetzt an und sammelte mich dann aber relativ schnell als ich meine Chefin im Augenwinkel sah. "Ja natürlich Herr Santos!", sagte ich so professionell es in dem Moment konnte und ging voran. Nico folgte mir. Wir wechselten kein Wort während wir durch den Backstage Bereich marschierten. "Hier ist deine Garderobe!", sagte ich so nett wie möglich und er verschwand ohne ein weiteres Wort darin.
Ich drehte mich um und ging weg, leise sagte ich mir dabei vor: "Leila professionell sein, du brauchst ein gutes Zeugnis!" doch eigentlich tobte ich innerlich, er war so ein mieser Arsch.

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