6. Kapitel

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Da es erst sechs Uhr morgens war, als ich bei der Wohnung meiner Mutter ankam, entschied ich erstmal noch zum Bäcker eine Straße weiter zu gehen und mir noch einen Kaffee zu holen. Es war einfach zu bald um zu läuten und meine Mutter zu überraschen.

Während ich jedoch beim Bäcker wartete das es später wurde, bekam ich ein bisschen Angst vor der Begegnung mit meiner Mutter. Als ich damals gegangen war, hatten wir uns fürchterlich gestritten und obwohl wir die letzten Jahre etwas Kontakt hatten, war es etwas anderes ihr wieder gegenüber zu stehen. Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher ob es eine gute Idee gewesen war nach Berlin zu kommen.

Da meine Gedanken immer schlimmer wurden, entschied ich zu zahlen und zur Wohnung zu gehen - ich musste das treffen hinter mich bringen, auch wenn es erst sieben Uhr war.  Als ich vor der Eingangstür stand, atmete ich nochmal tief durch und läutete dann. Es dauert ein paar Momente bis ich die Stimme meiner Mutter hörte. "Hallo?" "Hallo Mutti!", sagte ich zögerlich. Es kam erst keine Reaktion, doch dann hörte ich das Summen der Eingangstür. Langsam ging ich die Treppen hoch in den 2. Stock, meine Mutter stand bereits vor der Wohnungstür und sah mich fassungslos an. "Leila!", sagte sie als könnte sie nicht glauben das ich vor ihr stand und umarmte mich sofort. Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen, doch nach der ersten Schrecksekunde erwiderte ich die Umarmung. Nachdem  sie mich wieder losgelassen hatte, begutachtete sie mich ausgiebig. Zweimal setzte sie an um was zu sagen, doch sie bekam kein Wort heraus. "Sollen wir erstmal rein gehen?", fragte ich deshalb und sie nickte hektisch. Wir gingen in die Wohnung und setzten uns in die Küche. "Ich kann es gar nicht glauben!", brachte sie gerade so heraus und hatte dabei Tränen in den Augen. Ich war mit der Situation überfordert - ich hatte mit allem gerechnet: Vorwürfe, dass sie mich gar nicht erst rein lassen würde, aber ganz sicher nicht mit Tränen. Deshalb sah ich sie nur verwundert an. "Es tut mir Leid, ich bin nur so froh dich endlich wieder zu sehen!", sagte sie und wischte schnell die Tränen weg. Ich wusste immer noch nicht so recht was ich sagen sollte. "Du musst doch ziemlich müde sein von der Reise oder hast du Hunger?", wurde sie plötzlich ganz hektisch. "Nein danke, ich hab gerade bei der Bäckerei ums Eck noch was gefrühstückt!" "Ich wollte vor einer Stunde noch nicht läuten!", ergänzte ich als sie mich fragend ansah. "Wie lange bleibst du?", fragte sie nachdem sie offensichtlich ein paar Minuten überlegt hatte mit welcher Frage sie starten soll. "Ich weiß es noch gar nicht, ich hab noch keinen genauen Plan, vielleicht ein paar Wochen?" Meine Mutter sah mich schuldbewusst an. "Ich würd mich freuen wenn du bei mir bleibst, wie lang auch immer, aber ich zieh in 2 Wochen nach Köln!"  "Oh, ehm dann kann ich dir ja beim Umzug helfen!", sagte ich und versuchte zu lächeln. "Ja gerne!", sagte sie und erwiderte mein lächeln. "Es ist so schön das du wieder mal hier bist!" "Ja irgendwie schon!", musste ich auch zugeben. Wir wussten nicht mehr worüber wir reden sollten, deshalb saßen wir nun schweigend am Tisch. Irgendwann stand meine Mutter auf und machte uns einen Kaffee. "Gehst du wieder zurück nach Neuseeland?", traute sie sich endlich zu fragen. Ich schüttelte den Kopf "Nein, das mit Liam und mir ist vorbei!", sagte ich nur. "Oh das tut mir Leid! Willst du denn nun in Deutschland bleiben oder wieder weg?", fragte sie ganz vorsichtig. "Ich weiß es noch gar nicht wirklich, ich wollte nur erstmal weg von Liam und hab gedacht ich könnte wieder mal nach Berlin kommen!", sagte ich schulterzuckend. Sie lächelte, sie freute sich wirklich dass ich wieder da war. Ich fragte sie wie es ihr geht und wieso sie nach Köln zieht, doch genauso wie ich gab sie nur sehr oberflächliche Antworten. Wir hatten schon so lange nicht mehr richtig miteinander gesprochen, wir wussten gar nicht mehr wie das geht. Da sie zur Arbeit musste und ich ziemlich ausgelaugt von der langen Reise war, verzog ich mich in mein altes Zimmer und sie verließ zwanzig Minuten später die Wohnung. Als ich im Bett lag dauerte es nicht lange und ich war auch schon eingeschlafen.

Als ich am Nachmittag wieder wach wurde, ging ich erstmal duschen und dann eine Runde spazieren - ein bisschen frische Luft und Bewegung taten mir nach der langen Reise gut. Am Abend verkündete meine Mutter, dass wir zur Feier des Tages essen gehen sollten. Das Essen verlief ziemlich still, doch trotzdem merkte ich schon einen Unterschied zum morgen.
Die nächsten Tage waren eigentlich sehr entspannt, meine Mutter ging arbeiten und ich spazierte durch Berlin oder packte meine alten Sachen in Kartons. Mein Zimmer war auch nach sieben Jahren noch unverändert und ich stolperte über viele Erinnerungen

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