5. Kapitel

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Kleiner Disclaimer: Hab das Kapitel schon vor dem Bayern Spiel geschrieben... Also bitte keine Kommentare deswegen -.-

"Heute Abend spielt übrigens Gladbach gegen Bayern", sagte Niki, während er mit der Zunge zwischen den Zähnen versuchte herauszufinden was der beste Zug war und er über seine Karten hinweg Flo anschielte. "Das Topspiel um 18.30 Uhr." Flo zog die Augenbrauen hoch: "Kann ich das hier irgendwo gucken?" Er war nach Niki an der Reihe und tauschte schnell seine 8 gegen eine Pik 10. Sein Vater fluchte leise. Offenbar hatte er denselben Zug geplant gehabt. "Ich bezweifle, dass es hier auf den Fernsehern Sky gibt. Aber du kannst ja über dein Handy über die App gucken." "Kannst du mir das zeigen?", fragte Flo und beobachtete seinen Vater, wie er konzentriert die Karten anstarrte. "Kann ich machen. Ich passe." "Und ich mach zu", antwortete seine Mutter, die als nächste an der Reihe war.
Dani runzelte die Stirn: "Verdammt, ich hätte nur noch...", ihm schien ein Licht aufzugehen. "Ich nehm die 8. Flo, deine Jungs haben heute Abend keine Chance. Bayern wird sie aus dem Stadion fegen." Flo zuckte nur mit den Schultern. Er hatte bisher nur durch Erzählungen erfahren, wie gut die einzelnen Teams waren, ein Spiel gesehen hatte er noch nicht. Sein Vater lachte auf: „Sei dir da mal nicht so sicher Dani. Gladbach hat schon öfter gegen uns gewonnen."
Dani schnaubte nur. „Was meinst du damit?", fragte Flo.
„Gladbach hat in den letzten Saisons immer mal wieder gegen Bayern gewonnen", erklärte sein Vater und spielte seine letzte Karte aus.
Flo wusste aus den vielen Erzählungen, dass er aus Bayern kam und seine Familie und er anscheinend auch von klein auf Bayern Fans waren. Dani hatte ihm erzählt, dass er selbst schon als kleiner Junge davon geträumt hatte mal für diesen Verein aufzulaufen. „Obwohl Gladbach natürlich auch nicht schlecht ist", hatte er ergänzt.
"Ich bin sowieso mal gespannt ob Bayern es dieses Jahr wieder schafft Meister zu werden", erwiderte seine Mutter auf seinen Vater. "Es gibt so einige Vereine die da echt mal dran vorbeiziehen könnten." Sie begann ihre Karten durchzuzählen: "Ich hab 30" "Ich 29", antwortete Flo. "Meinst du wirklich wir haben eine Chance Dad?" Dieser nickte: "Thuram, Plea und Embolo sind in einer Top Form bis jetzt. Und Stindl und Hofmann sind auch nicht grade schlecht. Wenn ihr mich fragt wird das eine ziemlich gute Saison, die sie da bis jetzt spielen. Obwohl man schon merkt, dass du fehlst."
Wieder wanderten Flos Augenbrauen nach oben, doch bevor er etwas erwidern konnte unterbrach ihn Niki, der sagte: "Ich hab 28." "Ich auch", antwortete Dani. Sein Vater seufzte: "27."
"Wie meinst du das ich fehle?", fragte Flo, nahm die Karten und begann sie zu mischen. "Naja, Kramer ist sicherlich nicht schlecht, aber im Duo mit euch beiden lief es definitiv besser. Und Zakaria ist defensiver als du, also kann der dich auch nicht ganz ersetzen." Flo überlegte kurz, dann nickte er: "Was meinst du wie lange es dauert, bis ich wieder spielen darf?" Seine Eltern wechselten einen raschen Blick. "Das werden wir sehen", murmelte sein Vater, dann sprachen sie den restlichen Morgen nicht mehr über das Thema Fußball. Ob es Absicht war oder nicht, da konnte Flo nur vermuten.

Am Abend hatte Flo es sich in seinem Bett gemütlich gemacht, die Rollos heruntergelassen und Kopfhörer in den Ohren. Sein Vater hatte ihm - mithilfe seiner Brüder - erklärt, wie er das Spiel über die App anschauen konnte. Gerade wurden die Aufstellungen genannt, während im Hintergrund Die Elf vom Niederrhein lief und vom Stadion mitgesungen wurde.
Während er dem Kommentator zuhörte, der gerade erklärte, dass Thomas Müller, der das letzte Spiel gelbgesperrt gefehlt hatte, wieder zurück in der Startelf stand, überlegte Flo, wie es wohl sein musste als Spieler dort unten zu stehen und um sich herum 60.000 Leute zusammen singen zu hören. Es musste ein unglaubliches Gefühl sein. Allein bei der Vorstellung rieselte ihm eine Gänsehaut über den Rücken.
Die beiden Kapitäne begrüßten sich. Flo erkannte Lars Stindl - seinen Kapitän - und Manuel Neuer, den Keeper der Bayern. Als sie fertig damit waren zu entscheiden, wer anstieß und auf welcher Seite spielte, stellten sich die beiden Mannschaften auf und warteten auf den Anpfiff. Gladbach spielte von links nach rechts.
Die ersten 45 Minuten vergingen wie im Flug. Flo war fasziniert davon, wie schnell Bälle gepasst wurden und ebenso schnell unterbrochen werden konnten. Die beiden Teams schienen auf Augenhöhe zu sein. Trotzdem stand es wegen eines Kopfballs von Nico Elvedi, einem Treffer von Toptorschütze Robert Lewandowski, bei dem die Gladbacher gnadenlos ausgekontert wurden, und eines verwandelten Elfmeters von Stindl, den er unhaltbar in die linke Ecke lenkte, 2:1 für Mönchengladbach.
Im Stadion war beste Stimmung, trotz einiger vergebener Großchancen, als der Schiri abpfiff und die Mannschaften in die Kabinen gingen.
Nach ein paar Werbespots ging es dann weiter mit einem Interview von Rainer Bonhof, der zum Spiel befragt wurde. Flo hörte gespannt zu, bei der letzten Frage jedoch hätte er sich fast an seinem Wasser verschluckt, das er gerade getrunken hatte.
"Noch ein letztes, bevor wir fertig sind; ich denke mal sie haben auch davon gehört, wahrscheinlich noch ein wenig früher als wir", begann der Interviewer. "Florian Neuhaus ist ja aus seinem Koma erwacht, den Gerüchten nach sogar schon ein wenig länger... Was sagen sie dazu, wissen sie genaueres?" Rainer Bonhof lächelte: "Also zuerst einmal sind wir alle erstmal froh, dass es Flo jetzt endlich wieder besser geht. Soweit ich weiß geht es mit ihm immer weiter bergauf, wir werden sehen wie sich das entwickelt." Er zuckte mit den Schultern und lachte. "Obwohl ich natürlich auch nicht direkt an der Quelle sitze."
"Aber haben sie schon etwas von dem Gesundheitszustand gehört?", hakte der Interviewer nach. "Wissen sie ob er zu Borussia zurückkommen wird?" Flo runzelte die Stirn. Was war das denn für eine Frage? Natürlich würde er zurückkommen. Schließlich war Fußball seine Leidenschaft gewesen, nach dem was ihm erzählt worden war.
Bonhof jedoch zog wieder nur die Schultern hoch: "Wie gesagt, es geht immer weiter bergauf mit ihm. Alles weitere wird die Zeit zeigen. Aber ich glaube an ihn. Wir alle tun das hier."
"Dann vielen Dank", bedankte dich der Interviewer und auch Rainer Bonhof verabschiedete sich mit einem Nicken und machte sich auf den Weg zurück zur Trainerbank.
Flo starrte auf den Bildschirm. Was hatte das zu bedeuten? Was in aller Welt sollte ihn daran hindern wieder auf dem Fußballplatz zu stehen? Gab es ein Problem mit dem Verein? Glaubten sie nicht daran, dass er wieder zu seiner alten Form zurückfinden würde? Natürlich würde er vieles neu lernen müssen, doch bis jetzt hatte er nicht darüber nachgedacht, dass man in Betracht zog er würde gar nicht mehr wieder kommen. Das restliche Spiel ließ ihn diese Frage nicht mehr los und auch wenn Gladbach am Ende mit 3:2 siegte, konnte er sich nicht richtig darüber freuen.
Er wusste, dass auch am Ende des Spiels Interviews mit den Spielern angesetzt waren, deshalb schaltete er sein Handy noch nicht aus, sondern hörte weiter dem Kommentator zu, wie er noch einige Sachen zum Spiel sagte.
Als dann endlich die Interviews anstanden, war Flo fast eingeschlafen, obwohl es sich nur um ein paar Minuten handelte. Das einzige, was ihn wohl daran hinderte, war die Tatsache, dass er mittlerweile fast Angst vor dem Schlafen hatte. Der Traum im Schnee war immer und immer wieder zurückgekehrt. Es gab immer wieder kleine Abweichungen, mal fiel er zuerst hin, dann rief die Stimme nach ihm, mal andersherum. Doch die Stimme war immer die Gleiche. Und auch das Ende des Traums war immer dasselbe: Der Schnee kesselte ihn ein, bis er nichts mehr sehen, atmen oder fühlen konnte und nur noch zitternd vor Angst und Kälte darauf warten konnte, bis er schweißgebadet aufwachte.
Als Doktor Harrison bewusst wurde, welche Probleme ihm der Traum machte, hatte er einen Psychologen geschickt. Er erklärte, der Traum könnte ein Hinweis auf irgendein traumatisches Ereignis sein, an das sich sein Gehirn zwar nicht mehr bewusst, aber unbewusst erinnerte. Flo wusste er hätte sich auf den Psychodoktor einlassen sollen. Doch er wusste von Anfang an, dass es nichts bringen würde und so blockte er jedes mal ab. Seine Familie versuchte immer wieder ihn zu überzeugen, doch mittlerweile wussten auch sie, das es zwecklos war. Flo redete dann wenn er wollte und mit wem er wollte.
In letzter Zeit war das hauptsächlich Linda gewesen. Sie hatte ein einziges Mal mit ihm gesprochen und versucht ihn dazu zu überreden es wenigstens zu versuchen, doch als er ihr ein klares "Nein!" entgegenschleuderte, hatte sie stattdessen zugehört und versucht für ihn da zu sein. Wieder einmal wurde ihm bewusst, wie sehr er sie vermissen würde und da er in Gedankenversunken war, verpasste er die erste Frage an Yann Sommer, den Keeper der Gladbacher, der jetzt schon antwortete:
"Ich glaube wir haben ein sehr gutes Spiel gemacht. Die zwei Tore waren natürlich... ärgerlich, das hätten wir verhindern können." Der Interviewer wies auf die Szenen hin, über die Yann gerade sprach und sie wurden eingespielt. Flos Gedanken drifteten wieder ab. Es war nicht so, dass ihn nicht interessierte, über was sie da redeten, doch er hatte das Gefühl, dass sein Kopf bald platzen würde bei dem Gedankenkarussel, das sich immer schneller und schneller zu drehen schien. Und das ganz ohne alte Erinnerungen.
Er wollte schon sein Handy ausschalten und weglegen, als ihn die letzte Frage des Interviewers - mal wieder - mit Gewalt zurück in die Gegenwart riss: "Wir haben eben auch schon mit Rainer Bonhof darüber gesprochen, ihr Teamkollege, Florian Neuhaus ist ja bekanntlich aus dem Koma aufgewacht. Was sagen sie dazu?"
Auf Yann Sommers Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Lächeln und Lachen: "Tatsächlich ist er schon ein wenig länger wach, als die Medien davon wissen. Wir als Mannschaft halten guten Kontakt zu seiner Familie. Leider sind wir noch nicht dazu gekommen ihn mal zu besuchen, aber bald kommt das bestimmt."
Flo zog überrascht die Augenbrauen hoch und lächelte. Er freute sich schon jetzt darauf.
„Wie lange ist er denn schon wach?", fragte der Reporter nach.
Yann zuckte mit den Schultern: „Länger als die Medien davon wissen." Flo war dankbar, dass er nicht verriet, wie lange er wirklich schon wach war. Der Interviewer lachte: „Na gut, dann schicken sie doch mal ihren Teamkollegen her, vielleicht kann der uns ein wenig mehr sagen."
Yann nickte zum Abschied, verlies den Platz wo er interviewt worden war und klatschte mit Chris Kramer ab, der der nächste sein würde, der interviewt werden würde. Flo wusste, dass Chris einer seiner engsten Teamkollegen war. Er spielte mit ihm im Mittelfeld und war dementsprechenden gut mit ihm befreundet.
Hier ließ der Interviewer sich keine Zeit, sondern stellte direkt die Frage: „Bevor wir auf das Spiel zu sprechen kommen, wir haben eben mit Yann Sommer auch schon über Florian Neuhaus gesprochen. Der hat uns erzählt, er wäre offenbar schon länger wach als jetzt... öffentlich ist. Wissen sie da irgendetwas genaueres?"
Chris Kramer zuckte nur mit den Schultern: „Kann ich so unterschreiben. Flo geht es gut soweit ich weiß, aber ich denke er braucht jetzt erstmal viel Ruhe, bevor sich wieder Zeitungen und so...", er suchte nach den richtigen Worten, „auf ihn werfen."
Als er den fragenden Blick bemerkte, lachte er: „Ich werd da jetzt nichts genaueres zu sagen Ecki."
„Na gut", antwortete der Reporter, er schien fast ein wenig überfordert, doch dann begann er Chris mit Fragen zum Spiel zu durchlöchern.
Flo schaltete sein Handy aus und legte es auf den Nachtschrank. Dann schaltete er das Licht aus, drehte sich auf die Seite und starrte aus dem Fenster, durch er den Vollmond sehen konnte. Er hatte das Rollo nicht runter gelassen, doch das wollte er auch gar nicht. Er mochte es einfach nur den Mond anzusehen und nachzudenken.
Wie lange war es her, seit er ihn zum letzten Mal richtig gesehen hatte? Wann immer es war, es musste vor dem Unfall gewesen sein. Er konnte sich nicht daran erinnern.

AngelfootWo Geschichten leben. Entdecke jetzt