38. Kapitel

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Als Niki die Augen aufschlug, sah er... nichts. Naja, eher weiß. Sonnenlicht, das ihm direkt ins Gesicht knallte. Er blinzelte und hob den Kopf, während sich seine Sicht langsam klärte. Er lag auf einer Wiese, das weiche Gras unter seinen Händen. Er stützte sich auf die Unterarme und schaute sich um. Die Wiese zog sich weit hin, irgendwo am Horizont sah er Bäume und vor ihm, in ein paar hundert Metern Entfernung, einen Kiefernwald. Sein Blick wanderte auf sich selbst hinab. Er trug immer noch seine Motorradklamotten... Er schloss die Augen, versuchte sich zu erinnern. Was war passiert?
Er wusste noch, dass er das Spiel geschaut hatte, mit seinen Kumpels. Aber irgendetwas war mit Flo gewesen, er musste los und... sein Motorrad, die Bremse hatte nicht mehr reagiert. War immer schneller geworden. Die Bilder flackerten vor seinen Augen. Er war zu schnell geworden. Viel zu schnell. Und er hatte keine andere Wahl gehabt, als sich fallen zu lassen. Und ab da... Alles dunkel.
Er öffnete die Augen wieder. Warum zur Hölle war er hier? Was war mit Flo? Und wieso war hier keine Menschenseele? Vorsichtig stand er auf. Nichts. Kein Schmerz, kein Blut, nicht mal seine Kleidung war zerrissen. Nach so einem Sturz sollte ihm jeder Knochen weh tun. Und seine Klamotten sollten definitiv nicht mehr so intakt sein.
Langsam drehte er sich einmal um sich selbst. Zitternd atmete er ein. Er musste irgendwie andere Menschen finden. Vielleicht konnte er ja dann irgendwie seine Familie erreichen. Oder zumindest herausfinden, wie zur Hölle er hier gelandet war. Sein Blick blieb an einer Bewegung am Horizont hängen. Zuerst dachte er, er hätte nur irgendein Tier gesehen, bis er sah, dass es sich auf ihn zubewegte - und dabei sehr menschlich aussah. Unschlüssig trat er von einem Fuß auf den anderen. Abhauen? Aber er brauchte Hilfe. Und außerdem war er sowieso schon gesehen worden.
20 Meter vor ihm wurde die Person langsamer, wie um ihn nicht zu verschrecken. Niki kaute nervös auf seiner Unterlippe, blieb aber wo er war. Der Mann, der sich ihm näherte, war etwa Mitte 30. Das erste was Niki auffiel, waren seine strahlend blauen Augen. Das nächste die Muskeln von denen er wahrscheinlich im kleinen Finger mehr hatte als Niki am ganzen Körper. Unwillkürlich trat er nun doch einen Schritt zurück. Der Typ hob die Hände und blieb ein paar Schritte, bevor er ihn erreicht hätte stehen: „Ganz ruhig."
    Niki biss die Zähne zusammen, antwortete aber nicht, sondern beobachtete nur jede Bewegung, die er machte. Vielleicht hätte er doch abhauen sollen, als er noch die Chance dazu hatte. „Ich tu dir nichts", sprach der Typ nun weiter, als würde er mit einem verschreckten Tier reden. Er lächelte leicht: „Ich bin Santa." Niki zog die Augenbrauen hoch: „Wie der Weihnachtsmann?" Der Typ - Santa - schnaubte: „Genau." Für einen Moment schwiegen beide, dann fragte Niki, weil er sich nicht mehr länger beherrschen konnte: „Wo bin ich? Und wie bin ich hier her gekommen?"
    Santas Miene verdüsterte sich: „Weißt du... noch was passiert ist?" Niki schaute an sich herunter. „Ich hatte einen Unfall oder so. Mit dem Motorrad. Wahrscheinlich ist das hier eh nur irgendein bescheuerter Traum oder so." War er nicht. Das wusste er auch schon, bevor Santa den Kopf schüttelte. Seine Stimme war leise, als er sagte: „Das hier ist kein Traum. Den Unfall... du... den hast du nicht überlebt."
    Niki starrte ihn an und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. „Du willst mir weismachen ich bin grad im Himmel oder was?"
Santa nickte langsam: „So ähnlich."
Niki blinzelte einmal. Ganz langsam: „Verarsch mich nicht." „Tu ich nicht." Niki schluckte. „Aber... das kann nicht sein." Er hatte das Gefühl er hätte grade einen Schlag auf die Brust kassiert und ihm wäre die Luft weggeblieben. Zitternd holte er einmal Atem: „Ich mein... das gibts doch alles gar nicht. Himmel, Hölle, Gott und der ganze Kram."
Santa überlegte einen Moment: „Naja, es gibt es zumindest nicht so, wie man sich das auf der Erde vorstellt, das stimmt. Aber es gibt..." Er zögerte. „Irgendwie eine abgewandelte Version."
Niki zog die Augenbrauen hoch. Er war kurz davor vor Verzweiflung einfach in Tränen auszubrechen: „Hää?"
Santa fuhr sich durch die Haare und kaute an seiner Unterlippe: „Komm mal mit. Ich zeig dir was." Niki zögerte einen Moment. Ihm fiel ein, wie seine Mutter ihm mal einen Vortrag gehalten hatte, niemals mit Fremden mitzugehen, weil irgendwer ihn angesprochen hatte und etwas von Welpen in seinem Auto erzählt hatte. Nikis Glück war, dass er auf Hunde allergisch war, deshalb zog das nicht besonders gut. Und bevor der Typ ihm etwas anderes hätte anbieten können, stand schon eine Erzieherin des Kindergartens neben ihm und hatte ihn weggezogen.
    Trotzdem. Hier würde er nicht so schnell wegkommen, jedenfalls nicht ohne Hilfe. Den Bullshit über Himmel und Hölle oder was auch immer Santa ihm da hatte weismachen wollen, glaubte er keine Sekunde.
    Santa seufzte, weil er Nikis zögern bemerkte. Er zeigte auf die Anhöhe, die sich vor ihnen erstreckte: „Keine Angst, ich will dir nichts tun. Ich will nur da hoch. Dann siehst du... alles." Niki musterte ihn noch für einen Moment, nickte dann aber und folgte ihm.
Der Weg war nicht so weit, wie er gedacht hatte. Innerhalb von 10 Minuten hatten sie den Wald durchquert, Santa blieb schon wieder stehen und machte eine Handbewegung, die das ganze Tal, das vor ihnen lag umfasste. Niki blieb neben ihm stehen und schluckte, als er sah was vor ihm lag.
Ein hübsches Dorf, jede Menge aus Holz gebauter Häuser, die sich in dem gesamten Tal verteilten. Sie waren rund um einen Dorfplatz gebaut, auf den alle Wege zuliefen und auf dem eine Art Wochenmarkt stattfand. Der Wald, aus dem sie gerade heraustraten, umschloss etwa die Hälfte des Dorfes, dahinter begannen Felder und Wiesen, die sich bis zum Horizont erstreckten. Links neben ihnen sah man etwas weiter entfernt auf einem Hügel ein Schloss, mit 5 oder 6 Türmen, die in den Himmel ragten. Das alles erinnerte Niki sehr an Bilder aus dem Mittelalter, die er irgendwann in der Schule mal in einem Geschichtsbuch gesehen hatte.
„Das ist Agetaiso", (Santa sprach es Aschtaiso aus) „der Herrscherbereich über alle vier..." „Fliegen die da?!", unterbrach ihn Niki und deutete fassungslos auf ein paar menschlich aussehende Figuren, die tatsächlich Flügel hatten und über den Dächern der Häuser hin- und herflogen. Santa warf ihm einen Seitenblick zu: „Das sind Engel." Er setzte sich auf den grasbewachsenen Boden und klopfte neben sich auf die Erde: „Setz dich. Ich glaub ich muss dir ein paar Sachen erklären, bevor wir zu... Naja, egal."
    Wieder zögerte Niki, ließ sich dann aber doch neben Santa fallen und starrte die Menschen, Engel, wie auch immer, an, die wie selbstverständlich durch das Dorf flogen. „Du hast keine Flügel." „Stimmt", antwortete Santa, sagte aber nichts weiter dazu, sondern begann zu erklären:
    „Also, das was du hier siehst ist Agetaiso. Das ist so ziemlich das, was man auf der Erde als Himmel bezeichnet. Dann gibt es noch zwei weitere Nachwelten, seoli, die Hölle, und beduwi, das ist der Bereich für... normale Menschen." „Warte mal", unterbrach ihn Niki schon wieder: „Soll das heißen der Himmel ist nicht der ‚normale'", er setzte mit zwei Fingern Anführungszeichen in die Luft, „Bereich?"
Santa schüttelte den Kopf: „Jeder Mensch ist erst einmal für das beduwi bestimmt. Aber... wenn ein Mensch zum Beispiel große Heldentaten begeht, oder im Gegensatz dazu etwas besonders schlimmes macht, wird er... befördert. Oder heruntergestuft? Wie mans nimmt. Und dann verbringt man sein Nachleben entweder im Paradies oder Himmel oder wie auch immer du es nennen willst", er deutete mit einer Handbewegung um sich herum, „oder eben in der Hölle", er verzog das Gesicht. „Und ich kann dir sagen, spaßig ist das da nicht besonders.
Agetaiso herrscht über alle drei Welten. Sonst würde es auf der Erde ganz sicher nicht so friedlich aussehen."
Er machte eine Pause, als ob er wüsste, welche Frage Niki auf der Seele brannte und ihm eine Chance geben wollte sie zu stellen: „Aber ich habe nie irgendeine Heldentat begangen. Ich hab niemanden gerettet oder so. Warum bin ich dann hier?" Mittlerweile glaubte er sogar, dass er tot sein sollte. Die Engel hatten ihn überzeugt. Entweder das oder er träumte sich grade so viel bullshit zusammen, dass es für ein ganzes Buch reichen würde.
„Das ist eine gute Frage", Santa lächelte traurig. „Weißt du, das Problem ist, dass es eigentlich verboten worden ist, Menschen zu befördern. Früher durfte das jeder Engel. Aber dann...", er zögerte. „Naja, es wurden zu viele befördert. Irgendwann hätte das alles zu einer Überbevölkerung geführt, die jeden Rahmen gesprengt hätte. Deshalb wurde beschlossen, dass nur noch der König befördern darf. In Ausnahmefällen." „Der König?", fragte Niki. „Meinst du... Gott?" Santa schüttelte den Kopf: „So etwas wie einen Gott gibt es nicht. Zumindest unseren Wissens nach nicht. Vielleicht eine Ebene über uns. Wer weiß."
„Ebene?"
„Achso sorry", Santa lachte. „Das hab ich ja noch gar nicht erzählt. Die Engel - und die Menschen, die schonmal gestorben waren - sind nicht so unsterblich, wie man sich das vorstellt. Man hat hier zwar eine viel größere Lebensspanne, ist nicht so empfindlich für Krankheiten, die gibts hier quasi gar nicht, aber in Kämpfen zum Beispiel oder wegen Alter, kann man auch hier sterben. Was danach mit der Seele passiert? Da haben wir auch keine Ahnung. Vielleicht gibt es noch ein richtiges Paradies und wirklich einen Gott. Vielleicht gibt es hunderte von Ebenen und jedes Mal wenn man stirbt gehts eine nach oben. Oder man stirbt hier und verschwindet einfach komplett. Keine Ahnung."
Niki starrte ihn mit offenem Mund an: „Hilfe."
Santa lächelte: „Keine Sorge. Mir ging das am Anfang genauso. Irgendwann gewöhnt man sich dran. Und hier ist es echt ziemlich cool."
Niki musterte ihn von oben bis unten: „Du warst auch mal ein Mensch."
Santas lächeln wurde schmaler: „Stimmt."
Niki wurde neugierig: „Was hast du gemacht? Also wie bist du hier her gekommen?"
„Ich hab versucht Hitler in die Luft zu jagen." „Du hast was?" Santa rupfte ein paar Grashalme aus der Erde. „20. Juli 1944. Ich hab 'ne Bombe in seiner Tasche versteckt, die ist nicht zur richtigen Zeit hochgegangen, er hat überlebt, ich bin hingerichtet worden." Niki starrte ihn an und sagte das wahrscheinlich dümmste, das man auf diese Geschichte antworten konnte: „Ich hab in Geschichte noch nie was von einem Typ namens Santa gehört."
    Santa starrte ihn an und für einen Moment hatte Niki Angst, dass er einfach aufstehen und gehen würde. Doch dann ließ er sich nach hinten ins Gras fallen und lachte. „Ich heiß auch eigentlich gar nicht Santa. Mein richtiger Name ist Claus von Stauffenberg. Aber... ich hab mal eine Zeit lang auf einen Jungen aufgepasst, der dachte ich wär der Weihnachtsmann, von dem auf der Erde immer alle reden - wegen Santa Claus verstehst du - und hat dann angefangen mich Santa zu nennen. Das ist irgendwie hängen geblieben."
    „Krass", antwortete Niki. Er hatte das Gefühl sein Kopf würde gleich explodieren. Santa nickte und für einen Moment saßen sie nur nebeneinander und schauten auf das Dorf hinunter. Dann stand Santa auf und klopfte sich den Staub von der Hose, bevor er Niki die Hand hinhielt, um ihm hoch zu helfen: „Komm. Wir haben noch einen Termin."
    Niki ließ sich hochziehen: „Termin?"
Santa nickte: „Ich soll dich zum König bringen."
Niki, der schon losgegangen war, blieb wie angewurzelt stehen: „Zum König?"
Santa wich seinem Blick aus: „Er will mit dir sprechen." „...weil er mir erzählen will, wieso ich hier bin?"
„Nein", antwortete er und schaute endlich von seinen Schuhen auf. „Weil er dich fragen will, wieso du hier bist."
Niki schaute ihn verwirrt an: „Aber du hast doch eben gesagt, er hat mich hierhergeholt?"
Santa schüttelte den Kopf: „Ich hab gesagt nur er darf das. Aber das ist ja das Problem bei dir: Du wurdest nicht von ihm hierhergeholt."
„Wie jetzt?", Niki starrte ihn entgeistert an. „Irgendwer anders hat mich hier hin gebracht?" Santa nickte: „Und damit das Gesetz gebrochen." Niki schluckte: „Und... was bedeutet das jetzt? Ich meine was passiert jetzt mit mir?" „Gute Frage", erwiderte Santa und setzte sich wieder in Bewegung. Niki folgte ihm und stolperte prompt über irgendein Grasbüschel. „Bis jetzt ist das noch nie vorgekommen." Niki schluckte, wusste aber nicht mehr was er erwidern sollte, deshalb folgte er Santa schweigend.
    Den ganzen Weg lang rasten Nikis Gedanken. Wer zum Teufel sollte irgendein Interesse daran haben ihn hierherzuholen? Wer würde irgendeine Strafe für ihn riskieren? Er kannte doch gar keinen Engel. Und selbst wenn blieb immer noch die Frage nach dem warum. Was nützte er hier im Himmel?
Santa führte ihn am äußersten Rand des Dorfes entlang und so begegnete ihnen niemand, obwohl Niki gerne einen Engel aus der Nähe gesehen hätte. Aber vermutlich durfte ihn niemand sehen, wo er doch ‚illegal' hier war.
Vor dem Schlosstor standen ein paar Wachen, obwohl sie nicht so wirklich aussahen, als würden sie etwas bewachen. Einer saß an die Mauer angelehnt da, hatte die Augen geschlossen und genoss die Sonne im Gesicht. Niki war sich nicht einmal sicher, ob er überhaupt wach war. Zwei andere hatten Kästchen in den staubigen Boden gemalt und spielten etwas, das aussah wie eine komplizierte Version von vier gewinnt. Die beiden links und rechts neben dem Tor hatten ihre Waffen lässig an das Tor gelehnt und einer erzählte dem anderen etwas und gestikulierte dabei wild. Vier von ihnen hatten Flügel, dem fünften fehlten sie.
Als er jedoch Santa und Niki erblickte, sanken seine Hände herunter und er verstummte. Sein Gegenüber drehte sich um, winkte, als er sie erkannte: „Hi Santa." Sein Blick richtete sich auf Niki: „Ist er das?" Santa lächelte freundlich, aber zurückhaltend: „Hey Aiden. Ja, das ist er."
    Aidens Kumpel musterte Niki von oben bis unten und schnaubte: „Na dann wünsch ich dir viel Glück." Santa zog eine Augenbraue hoch, sein Lächeln verschwand. „An deiner Stelle wär ich nicht so vorlaut." Es war offensichtlich, dass die beiden sich nicht leiden konnte. Und obwohl der Typ offensichtlich ein Engel war, strahlte Santa eine Macht aus, die den anderen schließlich einen Schritt zurücktreten ließ. Santa grinste: „Danke."
    Leise knarrend öffnete sich das Tor und Niki folgte Santa hinein in einen Innenhof. Dort blieben sie stehen und Santa wandte sich an Niki: „Wenn wir da gleich reingehen, tust du genau das was ich mache und überlässt mir das reden ok? Du sagst nur etwas, wenn du direkt angesprochen wirst." Niki schluckte und nickte. Angst kroch in ihm hoch. Was machte er hier überhaupt?
    Santa spürte sein Unbehagen und lächelte leicht: „Keine Angst. Es passiert dir nichts." ‚Das sagst du jetzt', dachte Niki, sprach seine Gedanken aber nicht aus. Wahrscheinlich war es am besten, wenn er einfach die Klappe hielt, so wie es ihm befohlen worden war.
    Santa ging voraus, führte ihn ins Innere des Schlosses und nickte dabei grüßend einigen Wachen zu, an denen sie immer wieder vorbei kamen. Niki kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, als sie das Schloss betraten: alles bestand aus weißem Marmor, der so sauber war, dass er ihn als Spiegel hätte benutzen können. Von der meterhohen Decke hingen Kronleuchter und an den Wänden rankten sich Malereien aus Blumen bis ganz nach oben, die dem ganzen seine Ernsthaftigkeit nahm. Die Halle, die sie betraten, war langgezogen und kam Niki länger vor als der Fußballplatz, auf dem er vor ein paar Stunden noch Flo hatte spielen sehen. Am Ende der Halle stand ein Thron, der zwar schlicht war, Niki aber trotzdem das Gefühl gab unfassbar klein und schwach zu sein.
    Links neben ihr stand eine Statue einer hübschen jungen Frau, ebenfalls aus weißem Marmor, die lächelnd den Finger erhoben hatte, auf dem ein Schmetterling saß. Niki war für einen Moment so fasziniert von den Details, mit der die Statue gearbeitet war, dass er nicht bemerkte, dass sie bis auf zwei Meter an den König herangetreten waren. Erst als er seinen eisigen Blick auf sich spürte, schaute er zu dem König und schluckte, bevor er einen Blick auf Santa warf und dessen elegante Vorbeugung zumindest versuchte nachzuahmen.
    Niki hatte bei dem Wort König immer an einen alten Mann mit weißem Bart gedacht, der sich den ganzen Tag nur mit Essen beschäftigte, dementsprechend aussah, und kein bisschen Grips im Kopf hatte. Der Mann ihm gegenüber war jedoch ganz anders. Sein kühler Blick war berechnend, als er Niki, wie die Wache eben, einmal von oben bis unten musterte. Die Kleidung, die er trug war ebenso schlicht wie der Thron, aber er brauchte auch nichts besonderes, denn die Macht, die er ausstrahlte, war beinahe greifbar und er sah durchaus so aus, als könnte er Niki innerhalb von 5 Sekunden zusammenfalten. Zusammengefasst also jemand, dem man nicht unbedingt abends allein auf der Straße begegnen würde. Als er sprach, musste Niki sich anstrengen, um nicht auf der Stelle wieder umzudrehen und aus dem Palast zu rennen: „Wieso hat dich jemand hier zu uns geschickt?"
    Niki warf Santa einen schnellen Blick zu, der jedoch die Zähne zusammengebissen neben ihm stand und kein Wort sagte. Also musste er selbst antworten. „Ich weiß es nicht." Wenigstens war es die Wahrheit was er sagte. Der König legte leicht den Kopf schief. „Was sagst du Santa?" fragte er, ohne den Blick auch nur eine Sekunde von Niki abzuwenden. Santa zuckte zusammen. Offenbar war sein Spitzname hier nur ein Seitenhieb. Trotzdem war die Stimme mit der er antwortete fest: „Ich glaube, wir wissen beide wer es war."
    Der König lehnte sich in seinem Thron zurück und musterte nun statt Niki Santa. „Ich möchte es aber ausgesprochen hören."
    Der König lehnte sich ein Stück vor. Seine Stimme wurde gefährlich leise:
„Wer hat ihn hier her gebracht?"
Niki sah, wie Santa neben ihm sich anspannte. Der Blick des Königs durchbohrte ihn. Die blauen Augen unbarmherzig.
Hinter ihnen hörte man einen Flügelschlag und eine Tür, die zugeschlagen wurde. Niki fuhr herum.
„Ich", sagte Flo.

- 08.06.23

AngelfootWo Geschichten leben. Entdecke jetzt