12. Kapitel

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Es war der 2. Oktober 2019, als Aline zum ersten mal den Namen Florian Neuhaus hörte.
Sie war gerade erst umgezogen, kannte hier niemanden und hatte heute den ersten Tag in ihrer Berufsschule. Als sie aus dem Auto ausstieg, war es schon 10 vor 8. Eigentlich hatte sie vorgehabt schon früher da zu sein, um es rechtzeitig in den Unterricht zu schaffen, aber sie hatte Ewigkeiten gebraucht, um die Schule und danach noch einen Parkplatz zu finden. Während sie aus dem Auto ausstieg, zog sie ihr Handy aus ihrer Schultasche, die über ihrer Schulter hing und antwortete schnell auf die Nachricht von ihrer besten Freundin, die wissen wollte, wie ihr erster Tag bis jetzt lief.
Bin gerade erst angekommen :* ich schreib dir später in der Pause.
Dann warf sie ihr Handy zurück in ihre Tasche und öffnete die schweren Glastüren, durch die sie in das innere des Gebäudes gelangte. Die Eingangshalle war voller Schüler, die offensichtlich vor dem Nieselwetter draußen nach drinnen geflüchtet waren. Auch sie schüttelte ihre blonden Haare, die sie sich in einen praktischen Zopf geflochten hatte, und zog ihre Kapuze herunter, bevor sie sich umschaute.
Überall nur Gruppen von einzelnen Schülern. Zu denen würde sie sicherlich nicht gehen. Sie war zwar kein schüchterner Mensch, aber bei größeren Gruppen, die vermutlich besseres zu tun hatten, als ihr den Weg zum Sekretariat zu zeigen, hörte der Spaß auf.
Deshalb stellte sie sich auf die Zehnspitzen und suchte nach irgendeinem Hinweis, wo sie lang musste, als plötzlich hinter ihr eine Stimme erklang: „Hey! Bist du die Neue?"
Überrascht drehte sie sich um und sah sich einem etwas kleinerem Mädchen, mit braunen Haaren und einem frechen Grinsen entgegen: „Äh... ja, hi. Aber woher weißt du...?" Sie zog die Augenbrauen hoch und grinste: "Wir sind hier knapp 200 Leute. Da erkennt man ein neues Gesicht sofort. Außerdem war es nicht grade unauffällig, dass du dich nicht auskennst."
Aline lächelte: "Na gut... Dann, kannst du mir vielleicht den Weg zum Sekretariat zeigen?"
Das Mädchen zeigte nach rechts, eine Treppe nach oben: "Klar. Hier entlang."
Während sie sich gemeinsam auf den Weg machten, fragte das Mädchen Aline nach ihrem Namen: "Aline. Und du?"
"Elena. Und bitte wirklich englisch aussprechen, deutsch hört sich grässlich an." Aline kicherte: "Alles klar."
Danach verstummten sie, bis ein Schüler an ihnen vorbeilief, Elena in die Augen schaute und dann, ohne ein Wort zu sagen, an ihnen vorbeiging und sich umdrehte, sodass er sie weiter anschauen konnte. Aline zog die Augenbrauen nach oben und warf Elena einen Blick zu, die nur seufzte, ihren Blick erwiderte und den Kopf schüttelte.
Ein paar Minuten später standen sie vor einer Tür, über der ein Schild angebracht war, auf dem in großen Buchstaben SEKRETARIAT stand. Aline klopfte, wurde hereingebeten und stand nach nur 5 Minuten wieder draußen, mit einem Stundenplan in der Hand und der Anweisung in der Pause sofort zu dem Lehrer zu gehen, der hier die Bücher ausgab.
"Ich fürchte du musst mich weiter rumführen", sagte sie zu Elena und kratzte sich etwas ratlos am Hinterkopf. "Das System mit den Räumen überfordert mich ein bisschen." Diese lachte: "Zeig mal her." Und las sich den Stundenplan durch, den Aline ihr daraufhin reichte. "Wir haben fast den ganzen Tag zusammen. Nur dritte, vierte Stunde nicht. Aber das ist kein Problem, da kann ich dir den Weg noch schnell hin zeigen."
"Danke", sagte Aline, ehrlich erleichtert.
"Kein Ding", antwortete Elena und zwinkerte ihr zu: "Dann kann ich überall rum erzählen, ich war die erste, die mit der mysteriösen Neuen geredet hat. Komm mit, dann kann ich dich auch meinen Freunden vorstellen."
Ihre Freunde stellten sich als eine einzige beste Freundin heraus, die schon gelangweilt im Klassenzimmer saß und auf ihrem Handy herumtippte. Als Aline und Elena gemeinsam hereinkamen, schaute sie auf: "Wollte dir grade schreiben wo du bleibst." Ihr Blick fiel auf Aline: "Bist du die Neue?" "Ich werd diesen Satz noch öfter zu hören bekommen oder?", sagte Aline, statt einer Antwort.
Die beiden schauten sich an, grinsten, nickten und antworteten gleichzeitig: "Yep."
"Wie heißt du eigentlich?", fragte Aline Elenas beste Freundin einen Moment später, nachdem sie sich zu ihr gesetzt hatten.
"Katie. Und du?"
"Aline", antwortete sie.
"Und warum seid ihr hier her gezogen?", fragte Katie neugierig.
"Mein Vater hat sich beruflich umgestellt", erklärte Aline. "Vorher hat er ein Therapiezentrum in Düsseldorf geleitet. Jetzt hat er ein Angebot hier in der Stadt bekommen und", sie zuckte mit den Schultern. "Da sind wir hier her gezogen."
Elena starrte sie mit offenem Mund an: "Sag bloß dein Vater ist Bernd Restle. Der Bernd Restle."
"Woher weißt du das?", Aline war verblüfft, doch statt Elena antwortete Katie: "Ihr Lieblingsfußballer hat mal bei Düsseldorf gespielt, bevor er nach Gladbach gewechselt ist. Sie ist verrückt nach dem Typen." Elena stieß ihr den Ellenbogen in die Seite. "Stimmt doch gar nicht. Ich mag ihn nur sehr gerne, das ist alles." "Mmmh", machte Katie, man sah die Ironie förmlich. "Und ich bin die Queen."
Elena schnaubte: "Na gut, vielleicht ein bisschen. Aber er spielt auch echt mega gut." Katie warf ihr einen schnellen Blick zu.
Aline grinste: "Von wem redet ihr denn? Vielleicht kenn ich ihn ja."
Elena seufzte: "Du wirst ihn wahrscheinlich kennen. Er hatte einen Unfall. Lag 3 Monate im Koma und vor ein paar Tagen wurde bekannt gegeben, dass er sein Gedächtnis verloren hat und es nicht klar ist, ob er jemals wieder spielen kann."
Aline starrte sie geschockt an, alle Fröhlichkeit war verschwunden: "Oh mein Gott, der Arme."
Elena nickte: "Er heißt Florian Neuhaus. Und ich hoffe wirklich ich werde ihn wieder auf dem Platz sehen."

AngelfootWo Geschichten leben. Entdecke jetzt