18. Kapitel

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Die nächsten Wochen verging ohne dass etwas nennenswertes passierte. Flo fühlte sich immer besser und je näher er dem Ende der Reha kam, desto mehr realisierte er, dass er wirklich kurz davor stand wieder regelmäßig Fußball spielen zu können. Seitdem Kai auch wieder durfte, waren er und Flo oft zusammen raus gegangen und Flo hatte unter Anleitung von Kai verschiedene Dinge mit dem Fußball geübt. „Dein Körper weiß noch, was er tut", sagte Kai einmal und seitdem vertraute Flo fast nur noch seinem Instinkt. Er wurde schneller, wendiger, kräftiger und entwickelte eine gewisse Spielintelligenz. Als Kai ihm das eröffnete, war Flo überglücklich. Auch ein paar seiner Mannschaftskollegen, gerade Chris, kamen ab und zu vorbei, jetzt, wo es ihm wieder besser ging. Alle fieberten darauf hin, ihn wieder im Borussia Park spielen zu sehen.
„Du glaubst nicht, wie oft die Fans mich nach dir fragen, wie lange du weg bleibst, wenn ich Autogramme gebe", sagte Chris an einem Nachmittag, als er ihn besuchen kam. Flo grinste: „Ich hoffe ja es dauert nicht mehr zu lange. Aber mit zwei oder drei Monaten kann ich schon noch rechnen." „Das schaffst du schon", antwortete Chris. „Außerdem glaub ich nicht, dass das so lange dauert. Du hast hier schon echt gut vorgearbeitet. Und unsere medizinische Abteilung schafft das schon. Die sind echt gut." Flo zuckte nur mit den Schultern: „Ich will mir nicht zu viele Hoffnungen machen."
Auch der Medientrubel um Flo ließ nach. Klar, so viel gab es natürlich nicht zu berichten, wenn er einfach nur den ganzen Tag in der Reha hockte. Ihm war aber klar, dass das spätestens dann wieder anfangen würde, wenn er zum Training zurückkehrte. Dann wäre wahrscheinlich auch die Gnadenfrist, die Max Eberl ihm auf der Pressekonferenz und der Bitte ihn vorzeitig in Ruhe zu lassen, vorüber. Er seufzte. Bisher hatte er noch kein einziges Interview gegeben und er hatte auch keine Angst davor. Aber er wusste ja gar nicht, wie er sich richtig verhielt. Generell hatte er noch nie vor einer Kamera gestanden. Zumindest seit er sich erinnern konnte. Auf Social Media jedoch erhielt er weiterhin täglich Nachrichten und Genesungswünsche. Der Verein hielt sich im Bezug auf seinen gesundheitlichen Fortschritt bedeckt und Flo waren ihnen sehr dankbar dafür, auch wenn ihm natürlich klar war, dass er nicht alles für sich behalten konnte.
Auch Max Eberl hatte ihn während seiner gesamten Zeit immer wieder angerufen, gefragt wie es ihm ging und tatsächlich schon ein paar Sachen mit ihm besprochen, da, sobald er aus der Reha raus war und wieder anfangen durfte, auch sein Vertrag wieder aufgenommen werden musste. Einmal war er sogar gemeinsam mit Flos Trainer Adi Hütter vorbeigekommen, der ihn aber natürlich schon öfter besucht hatte. Das erste Mal, als Adi da war, war kurz nach Kais Ankunft gewesen und die Stimmung zwischen ihnen war ein wenig... verlegen gewesen, aber auch das hatte sich verbessert. Adi hatte schon viel mit ihm gesprochen, ihm einige Dinge erklärt, wie zum Beispiel, wie er vorhatte ihn wieder in die Mannschaft einzuführen, da er großen Trubel erwartete, sowohl von Fans, als auch von Medienvertretern.
„Ich würde vorschlagen, wir machen dein erstes Training unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Du trainierst natürlich noch nicht mit der Mannschaft, aber dann kannst du erstmal in Ruhe ankommen", hatte er gesagt. „Vorher sprichst du dann mit der medizinischen Abteilung, aber für den Anfang werden sie lieber erstmal zu wenig Programm als zu viel machen und sich anschauen, wie es bei dir aussieht." „Sie können ja auch mal mit Alex reden", schlug Flo vor. „Mein Trainer hier", fügte er auf den fragenden Blick des Trainers hinzu. „Der kann ihnen bestimmt einiges mehr sagen als ich. Wenn du willst kann ich nachher mal mit ihm reden, ich hab dann sowieso noch Training." Adi hatte genickt: „Das wäre super. Du kannst unseren Ärzten ja auch seine Nummer geben, wenn das für ihn in Ordnung ist." „Klar", antwortete Flo.
Danach hatte er ihn auch Kai vorgestellt, den sein Trainer natürlich bereits kannte, wenn auch nicht besonders gut.
Sein Traum wiederholte sich noch ein paar Mal, doch auch das ließ nach einer Zeit nach und bald darauf war er ganz verschwunden. Flo dachte insgeheim, dass dieser Schub vom Krankenhaus, den schnellen Ortswechseln und dem damit verbundenen Stress kam. Er war froh, als sie endlich verschwunden waren. Nicht nur, weil er jedes Mal schweißgebadet aufwachte, sondern auch weil irgendetwas in ihm sich immer noch an die Hoffnung klammerte, dass diese Träume doch etwas zu bedeuten haben mussten und bestimmt irgendwo in seinem Unterbewusstsein noch Erinnerungen vergraben waren. Ganz bewusst glaubte er nicht mehr daran, nein, aber die winzige Möglichkeit bestand ja doch noch oder? Irgend ein Teil von ihm jedenfalls dachte das.
Vier Wochen später, an einem Samstag, Flos vorletztem Tag, klopfte es an seiner Tür. Er war gerade dabei schon mal ein paar Sachen in seinen Koffer zu packen und hob überrascht den Kopf. Wer war das denn? Kai hatte eigentlich morgens Training, doch trotzdem war er es, der den Kopf zur Tür hereinsteckte: „Hey Hey Hey. Mein Training fällt aus. Sag mal, hast du Lust in die Stadt zu gehen?" Flo blickte einmal zum Fenster, gegen das die Regentropfen hämmerten, zu seinem Koffer und wieder zurück zu Kai: „Bei dem Wetter?" Kai grinste, hob in besserwisserischer Manier seinen Finger und sinnierte: „Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung." Flo prustete los. Auch Kai grinste und sprach dann in normaler Tonlage weiter: „Außerdem kann ich dir garantieren, wenn wir bei gutem Wetter gehen, werden wir von Fans überfallen." „Wenn du meinst", antwortete Flo „Koffer kann ich auch später noch packen." Immer noch grinsend drehte er sich um, um seine Regenjacke aus dem Schrank zu holen. Während er sie anzog, fragte er Kai: „Darf ich als Gladbach Spieler denn überhaupt in die Kölner Innenstadt, oder ist das verboten?" Kai zuckte nur mit den Schultern: „Welchen Spruch hättest du denn gerne auf deinem Grabstein, wenn sie dich umbringen?"
Lachend gingen die beiden zusammen die Treppe nach unten. Flo hatte sich, seitdem er hier war, selten so gut gefühlt.
Bald war er hier raus und auch wenn er mit Kai einen guten Freund zurücklassen würde, wäre er wieder zurück auf dem Fußballplatz und endlich ging sein Leben wieder voran. Er freute sich auf die vielen Herausforderungen, die ihn erwarteten.
Kai hatte sein Auto auf dem Parkplatz geparkt, der zur Klinik gehörte. Kurz davor zögerte er: „Sag mal, geht das eigentlich, wenn wir Auto fahren?" Flo schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an: „Warum sollte es denn nicht gehen?" Kai zuckte mit den Schultern und wich seinem Blick aus, den er stattdessen auf seine Schuhe richtete. „Naja.. Ich dachte, weil du doch den Unfall hattest..." Flo schwieg einen Moment. Jetzt, wo er darüber nachdachte, machte es Sinn, was Kai sagte. Es hätte ja durchaus sein können, dass er irgendein Trauma durch den Unfall bekommen hatte und deshalb jetzt Panik bekam, sobald er in ein Auto steigen sollte. Aber dem war nicht so, tatsächlich mochte er Auto fahren eher. An Kai gerichtet zuckte er mit den Schultern und antwortete nur: „Wenn ich mich nicht daran erinnere, kann ich auch keine Angst davor haben." „Na, dann ist ja gut", Kai wirkte erleichtert. Er deutete auf sein Auto, dem man deutlich ansah, dass es schon... länger dort stand, wo es stand. Auf dem Dach lag eine Blätterschicht, die so dick war wie Flos Unterarm. „Einmal einsteigen." Flo öffnete erleichtert die Tür und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Der Regen hatte zwar etwas nachgelassen, aber unangenehm war er trotzdem und kalt außerdem auch.
Auch Kai setzte sich, startete den Motor und parkte gekonnt aus. Sofort sprang das Radio an, das ein Lied von Leverkusen abspielte. Kai warf Flo einen Seitenblick zu und grinste, dann schaltete er auf das normale Radio um:
I love it when you call me señorita
I wish I could pretend I didn't need ya
But every touch...

Flo stöhnte auf und hielt sich die Ohren zu: „Bitte, nicht schon wieder das." Kai lachte, aber anstatt umzuschalten, drehte er noch lauter und begann er lauthals mitzusingen:
Ooh, I should be running
Ooh you know, I love it when you call me señorita,
I wish it wasn't so damn hard to leave ya

Flo schrie auf, und begann irgendetwas auf dem Radio herumzudrücken, bis er es schließlich schaffte den Sender zu verstellen und ein ihm unbekanntes Lied aus dem Lautsprecher dröhnte. „Oooch", Kai schmollte. „Du. Singst. Schrecklich.", sagte Flo, was Kai dann doch wieder zum lachen brachte.
Kai kannte sich genauso wenig in dieser Gegend aus wie Flo, deshalb dauerte es etwas, bis sie einen Parkplatz in der Innenstadt gefunden hatten. Der Regen ließ ein wenig nach, aber trotzdem wäre man innerhalb von fünf Minuten komplett durchnässt, wenn man draußen stehen bleiben würde. Deshalb wartete Flo im Auto, während Kai den Parkschein holte. Ein paar Sekunden später hätte er über seine Entscheidung nicht glücklicher sein können, denn an der Bushaltestelle, die an den Parkplatz angrenzte, warteten ein paar Mädchen, die Kai nun auch bemerkt hatten und kreischend zu ihm liefen. Flo ließ sich ein wenig tiefer in den Sitz sinken und betete, dass Kai ihn nicht erwähnen würde. Er war wirklich noch nicht dazu bereit wieder im Rampenlicht zu stehen, eigentlich hatte er die zwei Tage in den schützenden Mauer der Reha noch genießen wollen, bevor sich wieder Reporter auf seine Geschichte stürzen konnten.
Kai jedoch regelte die Situation souverän. Er sprach ein paar Minuten mit den Mädchen, machte mit jedem ein Foto und unterschrieb noch auf der Handyhülle der Einen, bevor sie zu ihrem Bus rennen mussten, der gerade hielt. Kai zog noch schnell das Ticket, bevor er zum Auto zurückkehrte und Flo schon von weitem angrinste. Er öffnete die Beifahrertür, legte das Ticket vorne in die Scheibe und ließ Flo aussteigen, der sich schnell seine Kapuze überstreifte, bevor er die Tür wieder schloss. Er lächelte Flo an: „Schau nicht so entsetzt, das ist echt nicht schlimm. Die sind alle total nett." Flo zog nur die Augenbrauen hoch und nickte, bevor er schnell das Thema wechselte: „Wohin gehts als erstes?" Kai zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung, wie gesagt, ich kenn mich hier nicht aus. Wollen wir einfach mal losgehen und uns umschauen?" Flo nickte noch einmal, bevor sie sich in Bewegung setzten, jeder in eine andere Richtung. Flo schaute Kai an, der seinen Blick erwiderte und schließlich Flos Richtung einschlug. Die beiden überquerten den Parkplatz und blieben an der Kreuzung gehen... wo sie wieder in entgegengesetzte Richtungen gingen. Diesmal gaben Flo nach und lief in Kais Richtung, der ihn lachend erwartete. Flo schüttelte grinsend den Kopf. Na das konnte ja was werden...

Credits zu diesem und dem nächsten Kapitel gehen an Sophia, ohne ihre (ich zitiere) „Denkanstöße", wäre das Kapitel wohl nächste Woche noch nicht fertig😃

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