Chiara PoV.
Es ist früh am Morgen. Ash, Hailey und ich sitzen im Wohnzimmer auf dem Boden und spielen ein Spiel. Amber wollte ich vorhin nicht wecken, als ich aufgestanden bin. Gegen sechs kam mein Bruder in mein Zimmer und teilte mir mit, dass Hailey wach ist. Deshalb sitzen wir jetzt hier um kurz nach acht im Wohnzimmer. Gefrühstückt haben wir drei noch nicht, da es erstens: noch viel zu früh ist, zweitens: wir warten wollten, bis Amber wach ist und drittens: Grayson nochmal vorbeikommen wollte. Warum auch immer?
Mitten im Spiel werden wir von einem hysterischen Schrei unterbrochen. Es klingt fast so, als ob jemand stirbt. Scheiße! Amber! „Was ist das?", fragt Hailey verängstigt. „Du bleibst mit Ash hier und ich schau mal, was das war. Okay?", frage ich sie. „Nein.", sagt sie leise. „Doch. Ich bin gleich wieder da. Versprochen." Sie nickt zwar, klammert sich dennoch ängstlich an das T-Shirt meines Bruders. Ich wechsle mit Ashton noch schnell einen Blick, bevor ich aufstehe und förmlich in mein Schlafzimmer renne.
Wir haben der Kleinen bewusst noch nicht erzählt, dass wir Amber gefunden haben. Sonst hätte Hailey sie niemals in Ruhe schlafen lassen. Aber ich glaube, dass die Ruhe jetzt vorbei ist. In meinem Zimmer angekommen sitzt eine weinende und zitternde Amber auf meinem Bett. Vorsichtig setze ich mich neben sie und nehme sie in den Arm. Sie zuckt kurz zusammen, entspannt sich aber schnell wieder. „Was ist passiert?", frage ich sie, während ich über ihre Haare streiche. Diese sind genauso schweißnass wie ihr T-Shirt.
„Nichts. Es war nur ein Traum.", wisperte Amber. „Es kann nicht Nichts gewesen sein. Du hast geschrien als würdest du sterben. Was ist los?", versuche ich es weiter. Meine Freundin vergräbt ihren Kopf an meiner Brust und hält sich an meinem Pullover fest. „Amber? Wir können uns doch vertrauen. Du kannst mir sagen, was los ist. Was hast du geträumt?", frage ich besorgt. „Ich...ich dachte ich bin wieder in diesem Keller.", wieder schluchzt sie auf. Beruhigend streiche ich ihr weiter über Kopf und Rücken.
„Was ist dort passiert? Was ist in deinem Traum dort passiert?" „Da war so ein gruseliger Mann. Seine Augen waren schwarz und er hatte ein Glasauge. Er...er hat mir so eine Angst gemacht. Und dann hat er mit mir gesprochen und gemeint er müsste mich bevor er mich verkaufen kann, noch verschönern." Erneut kommt Amber ins Stocken. „Und weiter?", frage ich mit ruhiger Stimme. „Er hat mir meinen Bauch..." Wieder folgt eine Atempause. „aufgeschnitten. Dann habe ich das Bewusstsein verloren und als ich aufgewacht bin, hatte ich eine riesige, hässliche Narbe. Ich möchte keine weitere Narbe Chiara. Ich finde die eine schon zu viel und hässlich ist sie auch. Hätte ich damals nur auf dich gehört, wäre das alles nicht passiert. Es tut mir leid." Es kommen wieder mehr Tränen.
„Shh. Shh.", versuche ich sie irgendwie zu beruhigen und ihr gleichzeitig auch die Angst zu nehmen. „Dir kann nichts mehr passieren. Du bist in Sicherheit. Du bist bei uns. Bei Hailey, Ash und bei mir. Nicht mehr in diesem Keller." Schwach nickt Amber. „Und was ist, wenn sie wiederkommen?" „Das werden sie nicht. Das können sie gar nicht, weil sie dich verkauft haben. Du kannst nicht einfach wieder entführt werden. Das würde gegen die Regeln verstoßen." Meine Freundin horcht auf. „Verkauft?"
Innerlich schlage ich mir gegen meine Stirn. Vielleicht hätte ich das Thema lieber nicht ansprechen sollen. „Sag mir an wen ich verkauft wurde Chiara. Bitte.", flüstert sie. Ich sehe, wie die Angst in ihre Augen zurückkehrt. Ich hätte einfach meine Klappe halten sollen. „Chiara bitte. Wer hat mich gekauft? Wo muss ich hin?" „Du musst nirgendwo hin. Du bleibst hier. Jedenfalls bis es dir wieder besser geht. Danach sehen wir weiter." „Du weichst meiner Frage aus. Ich dachte wir können uns vertrauen?" „Das können wir doch auch."
Bloß wenn ich ihr die Wahrheit sage, fühlt sie sich schlecht, weil so viel Geld für sie ausgegeben wurde. „Chiara bitte.", fleht sie regelrecht. Letztendlich knicke ich unter ihrem flehenden Blick ein. „Grayson.", ist alles was von mir kommt. „Was ist mit ihm?" Sie ist irritiert. Das zeigt ihr Gesichtsausdruck deutlich. „Er hat dich gekauft Amber."
„Was?" Ungläubig sieht sie mich an. „Wir mussten dich irgendwie da rausbekommen und das funktioniert nun mal nicht ohne Geld. Jedenfalls nicht so reibungslos, dass uns keiner versucht hätte aufzuhalten."Sie schluckt schwer, bevor sie mit leiser Stimme fragt, „Wie viel?". Oh nein, das werde ich ihr garantiert nicht sagen. „Das kann ich dir nicht sagen. Tut mir leid.", schüttle ich meinen Kopf. „Chiara! Sag es mir!" „Das kann ich nicht, denn dann würdest du darauf bestehen es ihm zurückzuzahlen."
„Spuck es aus." Für jemanden der gerade noch einen Nervenzusammen-
bruch hatte, ist sie jetzt sehr direkt. „Siebenundzwanzigtausend." Scheiße! Fassungslos sieht das grauäugige Mädchen mich mit offenem Mund an. Dann fängt sie an ihren Kopf zu schütteln. „Sag mir, dass das nicht wahr ist. Chiara bitte."„Warum sollte ich dich jetzt noch anlügen? Es ist die Wahrheit. Du wolltest es wissen und jetzt weißt du es." „Wie soll ich ihm das je wieder zurückzahlen. Selbst wenn ich unser Gespartes Geld nehme, würden noch locker zwanzigtausend fehlen.", bricht sie in Panik aus. Und genau das wollte ich eigentlich vermeiden. „Du musst es ihm nicht zurückzahlen. Wir haben das schon geklärt." „Was heißt das?", fragt sie misstrauisch. „Ash hat ihm einen Teil des Geldes gegeben." Ich sehe ihr an, dass sie wieder was einzuwenden hat, doch ich spreche schnell weiter. „Lass mich ausreden. Bitte." Amber nickt leicht.
„Ash und Grayson haben jeweils einen Teil bezahlt. Grayson aber mehr als Ash. Du weißt das Ash als Anwalt arbeitet. Er hat viel Geld gespart. Und Grayson hat einen Stripclub. Den bekanntesten in ganz Seattle. Er hat auch mehr als genug Geld." „Aber er kennt mich doch überhaupt nicht und trotzdem bezahlt er so viel Geld für mich. Warum?" „Keine Ahnung. Frag mich was Leichteres. Eigentlich wollte er gar kein Geld von uns bzw. von Ash haben." „Und was, wenn er irgendeine Gegenleistung in Zukunft erwartet? Was ist, wenn ich irgendwann in seinem Club arbeiten muss."
„So ist er nicht.", versuche ich Amber zu beruhigen. „Woher willst du das wissen? Kennst du ihn etwa so gut?", fragt sie skeptisch. „Kann man so sagen. Ash und er waren schon zusammen im Kindergarten. Das heißt wir kennen uns alle ziemlich gut. Ja." „Gut. Gehen wir davon aus, dass das nicht der Fall ist. Ich muss mich trotzdem bei ihm bedanken." „Da sagt doch auch niemand etwas dagegen." „In Ordnung. Können wir jetzt vielleicht über etwas anderes reden.", lenkte sie geschickt auf ein anderes Thema. „Ich schlage vor, dass du dich duschst, dir was anderes anziehst und dann deine Schwester begrüßt. Ich habe ihr noch nicht erzählt, dass wir dich zurückgeholt haben."
„Wie ging es ihr die letzten Tage?" „Das kannst du sie selbst fragen. Mach dich fertig und dann kommst du einfach ins Wohnzimmer. Ash und ich spielen mit ihr solange noch ein Spiel." Ich bin schon halb aus der Tür, als ich mich nochmal umdrehe. „Deine Sachen sind in der Tasche, die am Fenster steht. Da sind ein paar Klamotten drinnen. Also eigentlich so viele, dass es noch einige Zeit reicht. Denn jetzt gehst du noch nirgends hin."
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Heute gibt es auch hier wieder ein neues Kapitel.Viel Spaß beim Lesen.
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Amber
RomanceWas ist, wenn ein einziger Tag dein gesamtes Leben verändert. Das erfährt Amber am eigenen Leib. Eigentlich sahen ihre Pläne für die Zukunft anders aus. Doch auch wegen ihrer kleinen Schwester versucht sie alles dranzusetzen, ihr vorheriges Leben w...