Amber PoV.
Nach meiner Entscheidung, die ich keine Sekunde später schon bereue, verlässt Chiara ihr Schlafzimmer. Wahrscheinlich redet sie mit den beiden Jungs und erklärt ihnen die ganze Situation. Wobei ich mehr als froh bin, nicht dabei sein zu müssen. In der Zeit, in der ich allein im Zimmer bin, lasse ich die letzten Tage und Wochen nochmal Revue passieren. Mein Geburtstag. Der Unfall. Die Operation. Der anschließende Reha Aufenthalt. Die Entführung. Ein paarmal atme ich tief durch, um mich zu beruhigen und die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen.
Auch ein Grund, warum ich das Klopfen an der Tür nicht bemerkt habe. Und noch dazu war es ziemlich leise. Ich nehme nur noch im Augenwinkel wahr, dass die Tür langsam geöffnet wird. Entgegen meiner Erwartung Chiara zu sehen, steht Grayson in der Tür. Leise schließt er sie hinter sich. Kommt Chiara nicht wieder her? Will sie mich etwa mit ihm allein lassen? Vor dem Bett kommt der großgewachsene Mann zum Stehen. „Alles gut?", versucht er ein Gespräch anzufangen. „Geht schon.", antworte ich leise mit Blick aus dem Fenster.
„Soll ich Chiara holen?", fragt er fürsorglich. Still schüttle ich meinen Kopf. Ich will nicht, dass er denkt ich bin ein Angsthase. Obwohl wenn ich es mir recht überlege, vielleicht wäre es doch gar nicht so schlecht. „Also?", hakt er nach. „Nein. Schon in Ordnung."
„Sicher? Wenn du dich wohler fühlst, wenn sie dabei ist, hole ich sie noch." Mit dem Punkt trifft er genau ins Schwarze. Immerhin kenne ich ihn gar nicht. Auf der anderen Seite will ich nicht, dass er mich für schwach hält, deshalb sage ich nichts. In meinem Gesichtsausdruck scheint Grayson eine Antwort lesen zu können, denn er verlässt den Raum erneut.Das nächste Mal kommt er mit Chiara im Schlepptau wieder herein. Diese läuft gleich auf mich zu und setzt sich neben mich auf die Bettkante. Erneut bleibt Grayson am Ende des Bettes stehen. „Okay Amber. Du rutschst jetzt zu mir ans Ende vom Bett und stellst die Füße auf den Boden." Um die Tränen zu unterdrücken schließe ich meine Augen und lege einen Arm darüber. Wieso passiert mir sowas? Es gibt Milliarden von anderen Menschen auf der Welt, aber bei meinem Glück trifft es natürlich mich. „Komm schon Amber. Wir wollen dir doch nur helfen.", nimmt Chiara tröstend meine Hand.
Mit der Hilfe meiner Freundin setze ich mich mühevoll auf und rutsche ans Fußende. Bevor Chiara mich ablegt, holt sie noch ein Kissen für meinen Kopf. Als mein Kopf auf dem Kissen liegt, schließe ich erneut meine Augen. Am liebsten wäre ich jetzt gar nicht in meinem Körper, sondern irgendwo ganz weit weg. Am Strand. In den Bergen. Egal wo. Hauptsache weg. Beruhigend streicht meine beste Freundin mir über meine linke Hand. Was nicht wirklich viel bringt. In dem Moment bin ich einfach mehr als froh, dass die Decke noch auf mir liegt. Da sieht man wenigstens nicht sofort meinen Intimbereich.
„Hast du noch was an?", fragt Grayson direkt. Beim Klang seiner tiefen und rauen Stimme bildet sich eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper. „Nein.", bringe ich zitternd hervor. „Okay.", ist alles was er dazu noch zu sagen hat. Auch wenn ich es nicht sehe, merke ich, dass er vor mir in die Hocke geht. Mit Bedacht, um mich nicht noch mehr zu verunsichern, schiebt er seine Hände unter die Decke. Ab da ist es schon vorbei mit meiner Entspanntheit. Obwohl, nein. Die war nie vorhanden. Sachte legt er seine erstaunlich warmen Hände auf meine Unterschenkel. „Versuch dich zu entspannen. Dir passiert nichts." Ich bin nicht fähig zu antworten. Die Wörter bleiben mir quasi im Hals stecken.
Ganz langsam fährt er mit seinen großen, schwieligen Händen über meine Knie weiter zu meinen Oberschenkeln und dort die Innenseite entlang bis kurz vor meine Mitte. Meine Atmung beschleunigt sich und mein Herz klopft wie verrückt. Seine Bewegungen machen mir Angst, deshalb drücke ich Chiaras Hand noch fester. Ich verstehe nicht, warum Grayson mich streicheln muss und vor allem die kreisförmigen Bewegungen seiner Daumen sind mir ehrlichgesagt zu viel.
„Chiara gib mir mal bitte die Flasche."
„Hier.", raschelt es neben mir. „Danke." Nach ihrem kurzen Gespräch höre ich, wie Grayson etwas von dem Gleitgel herausdrückt. „Nein. Bitte nicht.", wimmere ich und fange an mich zu winden. Sofort greift Jayden nach meinen Beinen und hält sie solange fest, bis ich mich wieder beruhigt habe. „Shhh. Alles ist gut.", streicht Chiara mir über die Haare. In dem Moment spüre ich Graysons Finger an meinem Eingang. Ohne jegliche Vorwarnung oder noch irgendwas anderes zu sagen, führt er ihn ein. Was wahrscheinlich besser so ist, weil ich mich sonst sofort wieder versucht hätte zu befreien.Mein ganzer Körper verkrampft sich. Das hält seinen Finger aber nicht auf. Langsam und vorsichtig dringt er immer weiter in mich ein. Seine Finger sind länger als Chiaras, deshalb ist seiner viel weiter drin. „Und?", will Chiara wissen. „Da ist was. Aber es rauszuziehen könnte ziemlich wehtun. Die beiden Typen haben es bis in ihre Gebärmutter geschoben. Daher kommen auch die Schmerzen." „Woher weißt du das denn?", hakt Chiara verwirrt nach. „Unschöne Geschichte.", kommt es prompt zurück. So richtig verfolge ich das Gespräch aber gar nicht, da ich versuche mich auf etwas anderes als den Finger in mir zu konzentrieren. Das funktioniert aber nur so halb.
„Amber?", fragt Grayson. „Mhm?", ist alles wozu ich in diesem Moment fähig bin. „Versuch dich zu entspannen."
„Warum?", frage ich verwundert und mit zitternder Stimme, denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass mir sein nächster Satz nicht gefallen wird. Ich sollte recht behalten. Seine nächste Aussage lässt mir den Atem wegbleiben. „Um es rauszubekommen, brauche ich noch einen Finger." Kurz überlege ich zu verneinen, aber der Gedanke, die Schmerzen loszuwerden ist plötzlich überwiegend. „Okay.", hauche ich bloß.Um die ganze Prozedur nicht noch unnötig in die Länge zu ziehen, führt Grayson vorsichtig einen zweiten Finger ein. Ein kurzer Schmerz fährt durch meinen Körper, weshalb ich zische. „Alles okay?", kommt es von der Seite. „Ja.", flüstere ich heiser und beiße mir auf meine Lippe. „Au.", erklingt es schmerzverzehrt von mir. Tränen laufen mir ungehindert über die Wangen. Anscheinend hat Grayson das Ding aus meiner Gebärmutter gezogen. Jedenfalls fühlt es sich so an. „Du hast es geschafft.", raunt der muskulöse Mann und fährt mit seinen Händen wieder meine Beine herunter. Dabei lässt er die beiden nassen Finger weg.
Vollkommen geschafft seufze ich auf, „Danke.". „Kein Problem.", antwortet er rau. Der Schmerz in meinem Unterleib lässt langsam nach und übrig bleibt nur ein leises pochen. Dafür spüre ich jetzt die aufkeimende Müdigkeit. Sobald sich Chiara vom Bett erhoben hat, legt Grayson mir seine Arme unter den Rücken und die Kniekehlen. Er hebt mich hoch und lässt mich auf dem Kissen am Kopfende wieder runter. Durch seine Nähe kann ich sein Parfüm riechen. Ich weiß nicht genau, was es ist, aber es riecht teuer. Zudem mischt sich noch eine leichte Note Rauch. Das stört mich aber nicht, denn er riecht trotzdem traumhaft. Weshalb ich mir ein seufzen nicht verkneifen kann. Weil es mir im Nachhinein peinlich ist geseufzt zu haben und Grayson es garantiert gehört hat, drehe ich mich auf die Seite und schließe erschöpft meine Augen.
„Es ist ziemlich spät. Wir sollten langsam alle schlafen gehen.", schlägt Chiara vor. „Du kannst im Gästezimmer schlafen oder nachhause fahren, wie du möchtest.", spricht sie mit Grayson. „Ich fahr nachhause.", lehnt er Chiaras Angebot ab. „Sicher?" „Ja. Es ist nicht weit. Außerdem muss ich zu Lexy." „Na gut.", führen die beiden ihre Unterhaltung weiter. Während mir nur im Kopf bleibt, dass er eine Freundin hat, die zuhause auf ihn wartet und er gerade seine Finger in mir hatte. Irgendwann verlassen sie das Zimmer. Währenddessen bin ich schon fast weggedämmert.
Einige Zeit später, öffnet sich die Tür erneut. Da kurz darauf die Matratze neben mir einsinkt, gehe ich davon aus, dass es Chiara ist. Diese legt sich neben mich und scheint, genau wie ich auch, schnell einzuschlafen.
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Noch ein neues Kapitel hier, bevor es heute Abend eine Lesenacht bei The Fate of Life gibt.😉
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Amber
RomanceWas ist, wenn ein einziger Tag dein gesamtes Leben verändert. Das erfährt Amber am eigenen Leib. Eigentlich sahen ihre Pläne für die Zukunft anders aus. Doch auch wegen ihrer kleinen Schwester versucht sie alles dranzusetzen, ihr vorheriges Leben w...