Kapitel 21

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Amber PoV.

Als ich aufwache, befinde ich mich in einem stickenden, feucht-kalten Keller. Genauer gesagt in dem Raum, wo mich die beiden Männer festgebunden und geschlagen haben. Habe ich alles nur geträumt? Haben mich Chiara und Grayson gar nicht gefunden? Ist Hailey doch tot? Das kann aber nicht sein. Oder doch? Die Tür des Kellers wird geöffnet. Zum Vorschein kommt der gruselige Mann mit dem Glasauge. „Hallo meine Schöne. Und wie gefällt dir dein neues Zimmer? Ich persönlich finde es ziemlich gemütlich. Meinst du nicht auch?", stellt er mir Fragen, auf die ich gar nicht antworten soll.

Weil mich dieser Typ allein durch sein Auftreten einschüchtert, senke ich schleunigst meinen Blick. Meine Hände sind mit Handschellen an der Wand hinter mir festgemacht. „Du sollst dich doch nicht so leicht ablenken lassen mein Kind." Mit einem Messer in der linken Hand kommt er auf mich zugelaufen. Direkt vor mir geht er in die Knie. Wieder trifft mich sein fauliger Atem. Und wieder bin ich kurz davor zu erbrechen. „Mein Täubchen.", raunt er. Dabei umfasst er mit der rechten Hand mein Kinn. Mit seinem Daumen streichelt er über meine Wange.

„Was wollen sie denn von mir?", bringe ich flüsternd heraus. „Da ich meinen eigentlichen Kunden für dich mit einem anderen Mädchen vertröstet habe, können wir uns jetzt was anderes einfallen lassen. Was viel schöneres." Seine Worte machen mir Angst. „Und das wäre?", frage ich aus reiner Naivität. Mein ganzer Körper beginnt zu zittern. „Du bist viel zu schön, um dich einfach umzubringen. Aber damit du noch schöner wirst, müssen wir dich ein wenig präparieren." Präparieren? Was hat dieser kranke Typ vor? Ich traue mich nicht weiter nachzufragen, denn sein durchdringender Blick lässt mich aufhören zu atmen.

Mit einem hämischen Grinsen nimmt er das Messer hoch und hält es mir an die Wange. Dort kratzt er leicht drüber und verpasst mir damit einen Schnitt. Ich schreie auf, denn es brennt als hätte mir jemand Desinfektionsmittel drübergeschüttet. Trotzdem macht er unbekümmert weiter. Er fährt mit dem Messer von meiner Wange über meinen Hals runter über meinen Bauch, bis er es an meine Mitte drückt. Ich versuche mit aller Kraft meine Schmerzlaute zu unterdrücken. Nur weil ich Angst habe, dass diese ihn noch mehr anspornen könnten.

„Soll ich dir sagen, wie ich dich verschönern werde?", stellt er mir erneut eine Frage. Ängstlich schüttle ich meinen Kopf. „Das ist aber jammerschade. Weißt du was?" Wieder eine seiner Fragen. „Ich sage es dir trotzdem. Oder nein ich werde es dir zeigen. Gleich jetzt und hier." Er drückt das Messer doller gegen meine Mitte, bis er es plötzlich wegzieht. Auf seinem Gesicht bildet sich ein gehässiges Grinsen. Dieser Mann macht mir mehr als nur Angst. Er wird in meinen ganzen Albträumen auftauchen, da bin ich mir sicher.

Mit einer unglaublichen Kraft drückt er mich an die Wand und hält mich mit seiner rechten Hand, mit welcher er meinen Hals umfasst, an Ort und Stelle. Dann hebt er erneut das Messer an und fährt damit über meinen Bauch. „Wenn ich will, dass dich jemand für noch mehr Geld kauft, dann muss ich dich zurechtmachen. Wie sagt man so schön, wenn schon, denn schon. Die eine Verletzung am Rücken ist viel zu wenig. So kann ich dich nicht als vollkommen wehrlos verkaufen. Wenn ich mit dir fertig bin, sieht dein Körper malträtiert aus. Und genau das soll er im Endeffekt ja. Was sagst du dazu?"

Tränen laufen über meine Wangen und tropfen auf seine Hand. „Hat mein Täubchen endlich begriffen, was ich von ihr will? Das gefällt mir." Mit ganzer Kraft versuche ich mich gegen ihn zu wehren, aber ich bin nicht stark genug. Plötzlich rammt er mir das Messer in den Bauch. Der Schmerz lässt mich aufschreien und noch mehr weinen. Schwach versuche ich mich zu wehren, aber alles was ich damit bewirke ist, dass er mir eine ordentliche Ohrfeige verpasst und mir schwarz vor Augen wird.

Als ich aufwache sehe ich an mir herunter. Mein Bauch sieht nicht mehr normal aus. Stattdessen ziert ihn eine riesige, wulstige Narbe dort, wo bis vor kurzem noch glatte Haut war. Als ich mich umsehe, wird mir sofort schlecht. Überall ist Blut. An mir, auf dem Boden, an der Wand. Einfach überall. Nachdem ich das alles realisiert habe, versuche ich mich mit aller Kraft zu befreien, aber die Handschellen halten mich auf. Ich komm hier nicht weg und die starken Schmerzen betäuben mich.

Hysterisch fange ich an zu weinen und zu schreien. Ich rufe nach Hilfe, aber niemand kommt. Das Ganze bringt rein gar nichts. Ich habe das Gefühl gleich zu ersticken. Wenigstens ist dann nicht nur Hailey tot. Ich komme zu ihr. Meine Kehle schnürt sich zusammen, als wenn sie abgebunden wurde, und ich bekomme keine Luft mehr. Ich ersticke. Ich werde ersticken.

Ruckartig setze ich mich im Bett auf. Was zur Folge hat, dass ich durch den ziehenden Schmerz in meinem Rücken aufschreie. Mit Entsetzen stelle ich fest, dass es überhaupt nicht mein Bett ist. Wo bin ich? In dem Raum, in dem sie mich festgehalten haben, stand doch gar kein Bett. Haben sie mich woanders hingebracht? All diese Frage schwirren mir durch den Kopf und doch bekomme ich keine Antwort.

Meine Atmung geht ungleichmäßig und stockend. Ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass mir Sturzbäche von Tränen über die Wangen laufen. Auch jetzt bekomme ich keine Luft. Ich atme viel zu hektisch, da kann auch kein Sauerstoff in meine Lunge gelangen. Mit meinen Händen taste ich verzweifelt die Umgebung ab. Hektisch versuche ich irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, der mir bekannt vorkommt und den ich zuordnen kann.

Aber da ist nichts. Rein gar nichts. Der ganze Raum ist dunkel und die Bettseite neben mir kalt. Ich bin allein. Hier ist niemand. Hier ist die ganze Zeit über keiner gewesen. Ich bin wieder in diesem komischen Gebäude. Ich wurde nicht gerettet. Vielleicht bin ich auch tot. Denn ehrlichgesagt wäre mir das gerade am liebsten. Ich wollte nicht wieder dorthin zurück und doch bin ich es.

Ich stoße mit meinen Händen auf etwas. Es fühlt sich an wie Stoff. Das könnte aber auch nur Einbildung sein. Vorsichtig taste ich dieses etwas mit meinen Händen ab. Was ist das? Weiter fahre ich daran entlang, bis ich meine Hände an der Unterseite meiner Brüste spüre. Mein Bauch. Außerdem trage ich meinen Stützgürtel, den ich garantiert nicht anhatte, als ich aus dem Park mitgenommen wurde. Zur Kontrolle schiebe ich mein T-Shirt nach oben und taste ihn nach Narben ab. Als ich keine finde, kommt die Erkenntnis. Ich bin nicht mehr in diesem schaurigen Keller bei diesem gruseligen Mann und seiner Gefolgschaft. Ich bin in Sicherheit. Ich wurde gerettet.

Vor Erleichterung weine ich nur noch lauter. Es war nur ein Traum. Nichts davon ist real. Naja, die Hälfte davon ist es jedenfalls nicht. Wie in meinem beschissenen Albtraum geht mein Atem viel zu schnell und zu flach. Aber ich habe nicht das Gefühl gleich elendig zu ersticken. Trotzdem dauert es eine Weile, bis ich meine Atmung halbwegs wieder unter Kontrolle habe. Dann kommen weitere Erinnerungen.

Ich bin bei Chiara zuhause. Hailey lebt noch und schläft bei Ash im Bett. Und Grayson gibt es wirklich. Natürlich gibt es ihn wirklich. Immerhin hatte er zwei Finger in dir stecken, obwohl er eine Freundin hat. Oh Gott! Allein bei dem Gedanken werde ich verlegen. Mein Gesicht wird heiß und wäre eine Lampe im Zimmer an, würde es wahrscheinlich knallrot leuchten. Das ist vielleicht peinlich. Eine Frage stellt sich mir dennoch. Wo sind die anderen? Chiara ist doch mit mir zusammen hier eingeschlafen oder habe ich mir das etwa nur eingebildet?
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Neues Kapitel nach fast zwei Wochen mal wieder.😅

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