Kapitel 2

165 9 0
                                    

Amber PoV.

Ungefähr zwanzig Minuten später, bin ich am Kindergarten. Um vor der Kälte zu flüchten, beeile ich mich nach drinnen ins Warme zu kommen. Im Gebäude muss ich noch vier Treppen mit jeweils 23 Stufen hochsteigen, bevor ich auf der Etage ankomme, in der meiner Schwester ihre Gruppe zu finden ist. Mit meiner Einschränkung ist es eine neue tägliche Herausforderung. Trotz dessen würde ich Hailey niemals von jemand anderen in den Kindergarten bringen oder abholen lassen. Das muss ich trotz Rückenproblemen ja wohl noch hinbekommen.

An der verschlossenen Tür klopfe ich vorsichtig. Dann öffne ich sie langsam, falls ein Kind noch dahintersteht. Als die Erzieherin mich sieht, kommt sie sofort zu mir gelaufen. „Hallo Ms. Miller. Hailey wartet schon auf sie." Natürlich hat meine Schwester unseren Nachnamen gehört und kommt sofort auf mich zu geflitzt. Stürmisch schließt sie ihre Arme um meine Oberschenkel und legt ihren Kopf an meinem Bauch ab.

„Langsam meine Maus." „Tut mir leid. Hab ich dir wehgetan?", fragt sie mich mit großen Augen. „Nein Schatz. Alles in Ordnung. Du musst nur ein bisschen vorsichtiger sein." Ich streichele sanft ihren Kopf. Von unten her schaut sie mich an, „Ja.". „Na dann ist ja gut." Am liebsten würde ich mich hinhocken, damit ich mit ihr auf Augenhöhe bin, aber das ist für meinen Rücken noch zu früh. „Zieh schon mal deine Sachen an. Ich komm gleich nach.", sage ich zur ihr. „Okay. Ich kann das sogar schon ganz alleine.", antwortet sie, bevor sie zu ihrem Garderobenplatz verschwindet.

„Ich hoffe sie hat sich benommen?", frage ich die Erzieherin. „Ja. Sie war lieb und hat die ganze Zeit darüber geredet, dass sie endlich wieder zuhause sind.", erzählt sie mir. „Das klingt nach ihr.", schüttele ich verlegen den Kopf. „Ich nehme Hailey jetzt mit nachhause.", meine ich zu ihr. „Aber natürlich. Sie müssen nur noch kurz unterschreiben, dass sie sie abgeholt haben." „Das mache ich selbstverständlich."

Sie holt ein Klemmbrett mit einem Kuli. Beides reicht sie mir. Unterschrieben gebe ich ihr die Tafel wieder zurück und verabschiede mich höflich von ihr. Ich mag diese Erzieherin. Sie ist freundlich, höflich und nie schlecht gelaunt. Andere könnten sich von ihr ruhig eine Scheibe abschneiden. Natürlich nur im übertragenen Sinne.

Mein nächster Weg führt mich zu den Garderoben. Hailey sitzt komplett angezogen auf ihrem Platz und weint. „Was ist los mein Schatz?", frage ich sie besorgt, als ich bei ihr ankomme. Denn ehrlichgesagt kann ich mir ihre Tränen nicht erklären. „Ich...Ich kriege meine blöde Jacke nicht zu.", schluchzt sie. „Das ist doch nicht schlimm meine Maus. Ich kann dir doch helfen.", versuche ich sie zu beruhigen. „Aber ich will das du stolz auf mich bist. Und das geht nur wenn ich es alleine schaffe.", schnieft meine Kleine.

„Ich bin trotzdem stolz auf dich Hailey. Außerdem ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, der alles sofort perfekt kann." Sie nickt schwach, während sie den Kopf gesenkt hält. „Na los stell dich hin. Ich zeig dir, wie du deine Jacke zumachst.", fordere ich sie auf. Sie antwortet nicht mit Worten, sondern klettert vorsichtig auf die Sitzbank. Wenigstens bin ich jetzt mit ihr auf Augenhöhe. Naja, fast jedenfalls.

Bevor ich ihre Jacke zu mache, nehme ich ihr rundes Gesicht in meine Hände. Mit den Daumen streiche ich liebevoll die dicken Tränen weg und gebe ihr anschließend einen Kuss auf den Mund. Das ist unser Ritual. Das hat Mum früher immer bei mir gemacht und deshalb beschlossen es mit meiner kleinen Schwester weiterzuführen. Egal ob sie traurig ist, ins Bett geht oder ich mich früh von ihr verabschiede, gibt es immer einen Kuss auf den Mund. Nicht auf die Wange oder die Stirn.

„Hör auf zu weinen meine Maus. Das ist nicht schlimm. Ich zeig dir jetzt wie es geht und in einiger Zeit wirst du es genauso können." „Ja.", kommt es leise von ihr. Mit meiner Hand umgreife ich sachte ihre kleine und nehme mit dieser den Reißverschluss. Ihre andere Hand umfasse ich ebenfalls und halte damit ihre Jacke fest. „Jetzt nimmst du die Hand mit dem Reißverschluss, fädelst ihn in den anderen Teil des Verschlusses und ziehst ihn langsam hoch."

Als er oben ist sage ich zu ihr, „Siehst du es geht doch. Bald kannst du das auch allein.". Dabei sehe ich Hailey eindringlich in die Augen. „Ich bin immer stolz auf dich. Egal was du machst. Das darfst du nie vergessen. Versprichst du es mir?", wiederhole ich. „Ja Mummy. Ich verspreche es." „Na los. Jetzt gehen wir aber nachhause. Was sagst du dazu?" „Nein. Können wir noch ein Crêpe essen? Bitte?", fragt sie mich und zieht einen Schmollmund. Bei ihren großen Augen kann ich einfach nicht widerstehen. „In Ordnung. Dann Abmarsch." Mit der begeisterten Hailey an der Hand verlasse ich schließlich den Kindergarten.

*******

Nach 5 Minuten Fußmarsch erreichen wir ein kleines, gemütliches Café. Drinnen angekommen frage ich Hailey, „Möchtest du hier essen oder auf dem Nachhauseweg?". „Hier.", antwortet sie mir flink. „Aber natürlich.", lächele ich meine kleine Schwester an. „Dann suchen wir uns mal einen Platz.", dabei strecke ich ihr meine Hand hin, die sie sofort ergreift. Da kann es jemand gar nicht abwarten endlich einen Crêpe zu bekommen.

Ich dirigiere sie in Richtung eines freien, runden Tisches, der in einer ruhigeren Ecke des Cafés steht. Auf dem Weg dorthin stoße ich aus Versehen gegen einen anderen Körper. Als ich meinen Blick hebe, treffe ich auf blaue Augen, die mich ungeniert mustern. Eingeschüchtert von dem intensiven Blick des jungen Mannes, der alles andere als unattraktiv ist, senke ich meinen schnell wieder und murmle ein leises „Entschuldigung.", bevor ich mich mit Hailey an der Hand, an ihm vorbeiquetsche. Im Rücken spüre ich, wie der Mann mir immer noch nachsieht. Beschließe aber mich nicht mehr darauf zu konzentrieren und stattdessen meiner kleinen Schwester meine volle Aufmerksamkeit zu schenken.

An dem von mir ausgespähten Tisch angekommen, zieht Hailey einen Stuhl vom Tisch weg und klettert darauf. Als sie richtig sitzt, schiebe ich den Stuhl mitsamt ihr wieder näher an den Tisch heran, bevor ich mich auf dem Stuhl links neben ihr niederlasse. Allzu lange müssen wir nicht warten, bis ein Kellner in ungefähr meinem Alter an unseren Tisch kommt.

„Willkommen in unserem Caféhaus. Was darf ich euch bringen?", fragt er höflich. Ich sehe Hailey an und rede mit ihr, „Was möchtest du haben mein Schatz?". Schüchtern sieht sie zwischen mir und dem Kellner hin und her, welcher jetzt freundlich lächelt. „Ich...ich möchte einen Crêpe mit Schokoladeneis. Bitte.", antwortet sie stockend. „Willst du noch was trinken?", fragt der Kellner sie nett. „Nein. Danke.", zeigt sie ein kleines Lächeln.

Jetzt wendet der Kellner sich an mich, „Und was möchtest du?". „Ich nehme eine heiße Schokolade. Das wars." „In Ordnung. Das bring ich euch gleich."
„Danke.", lächele ich den Kellner an. „Irgendwie ist er süß.", kommt es von Hailey. „Wirklich?", frage ich ungläubig. „Ja. Das könnte doch dein Freund werden. Bitte!", zieht sie wieder eine Schnute. „So funktioniert das aber nicht meine Maus. Außerdem müssen wir erstmal abwarten, wie es jetzt weitergeht."
_________________________________________

Es gibt mal wieder ein neues Kapitel von Amber.

Ich hoffe es gefällt euch.

AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt