Kapitel 31

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Grayson PoV.

Lange müssen wir nicht warten, bis ein Arzt auf uns drei zu kommt, um sich um das kleine Mädchen zu kümmern. Wegen des Gesprächs zwischen Amber und dem Arzt gehe ich davon aus, dass die beiden sich kennen. Wahrscheinlich ist das Ganze auf Ambers Unfall zurückzuführen. Das würde jedenfalls Sinn ergeben. Wenn man es genau nimmt, ist es an der Zeit mich aus dem Staub zu machen, aber irgendwie bringe ich es nicht übers Herz die beiden jetzt allein zu lassen. Vor allem Amber, die komplett fertig mit ihren Nerven ist. Deshalb fällt es mir nicht besonders schwer einfach da zu bleiben.

Amber weicht ihrer Tochter während der gesamten Untersuchung nicht von der Seite. Nach der Untersuchung, bei der Amber wieder in Tränen ausgebrochen ist, gibt der Arzt Entwarnung. Es ist nur eine leichte Gehirnerschütterung und nichts Schlimmeres. Um dennoch sicherzugehen, soll die Kleine zur Kontrolle noch eine Nacht hierbleiben. So wie ich es mir schon gedacht habe. Die Platzwunde des Kindes wurde gereinigt und mit einem Pflaster abgeklebt, damit es gut verheilen kann. Genäht werden musste es nicht, da es nicht ganz so schlimm ist, wie am Anfang befürchtet. Danach wurde Hailey auch gleich auf ein normales Zimmer verlegt. Und jetzt warten wir was eher passiert. Entweder das Chiara herkommt oder das das kleine Mädchen aufwacht.

Das braunhaarige Mädchen sitzt neben dem Bett der Kleinen auf einem Stuhl und hält ihre Hand fest. Wenigstens sind ihre Tränen versiegt. Denn noch mehr Tränen ertrage ich nicht.
Um beiden etwas Freiraum zu geben, habe ich mich ans Fenster gestellt und schaue nach draußen. Das ist auch der Grund dafür, dass ich nicht damit rechne, dass Amber mit mir redet. Deshalb zucke ich leicht zusammen, als ich ihre heisere Stimme höre, die durch ihre vielen Tränen gelitten hat. „Danke Grayson." Leicht drehe ich mich in ihre Richtung, bevor ich ihr antworte, „Kein Problem.". Dann verfallen wir erneut in Stille.

Einige Zeit später beschließe ich das Schweigen zu brechen und fange an zu sprechen. „Ich warte noch bis Chiara da ist, dann mach ich mich auf den Weg." Erschrocken schauen mich Ambers graue Augen an. „Was?", fragt sie leise. „Ich habe nur gesagt, dass ich noch warte, bis Chiara hier ist. Dann mach ich mich auf den Weg.", wiederhole ich mein eben Gesagtes nochmal. Noch immer verwirrt schüttelt Amber ihren Kopf. Vielleicht hätte ich einfach meinen Mund halten sollen. Sie hat gerade keinen Nerv, um sich mit dieser banalen Tatsache auseinanderzusetzen. Da hätte ich aber auch früher draufkommen können.

Ich will mich gerade wieder Richtung Fenster drehen, als sie mir doch noch antwortet. „Du kannst auch jetzt schon fahren. Ich kann eh nichts anderes machen als zu warten. Außerdem hast du bestimmt noch einige andere Sachen zu erledigen.", hat ihre Stimme plötzlich einen anderen Ton angenommen, was ich mir nicht wirklich erklären kann. „Selbst wenn das zutreffen würde, würde ich jetzt trotzdem nicht einfach fahren. Ich habe kein Problem damit zu warten.", bekräftige ich meine Worte nochmals. „Das möchte ich aber nicht.", behaart sie auf ihrer Aussage. „Brauchst du auch nicht. Es reicht, dass ich es will.", zucke ich unbeeindruckt mit den Schultern, während ich Amber ansehe.

Ich kann es nicht wirklich beschreiben. Aber dieses Mädchen fasziniert mich auf eine Art und Weise, wie ich sie selbst noch nicht erlebt habe. Und das schon seit ich sie das erste Mal in diesem Kellner nur in weißer Unterwäsche gesehen habe. Vielleicht ist es ihre Naivität. Ihre Unerfahren-
heit. Oder einfach die Tatsache, wie sie sich selbstlos um ihre Tochter kümmert. Ich weiß es nicht. Es war auch kein Zufall, dass sie heute bei mir im Club waren. Als Chiara gestern beim Abendessen erzählt hat, dass der Arzt zu Amber sagte, schwimmen würde ihrem Rücken helfen und sie eh vorhatten heute ins Schwimmbad zu gehen, habe ich nicht wirklich drüber nachgedacht, bevor ich ihr angeboten habe, bei mir im Club schwimmen zu gehen.

Der Pool wird eh nicht so oft benutzt. Überwiegend von mir privat oder ausnahmsweise wenn mal andere Veranstaltungen bei mir im Club sind. Das kommt aber nicht sehr häufig vor. Denn danach muss ich immer das Wasser im Pool entweder aufwendig reinigen lassen oder ganz wechseln.
Amber atmet einmal tief durch, bevor sie der Kleinen wieder ihre ganze Aufmerksamkeit widmet. Ich glaube sie hat eingesehen, dass sie mit mir nicht zu diskutieren braucht. Denn sie würde eh nur verlieren. „Wie hast du es eigentlich geschafft, dass Hailey keine Angst mehr vor dir hat?", spricht sie, ohne mich anzuschauen. So genau weiß ich es auch nicht. Deshalb antworte ich ihr so ehrlich wie möglich, „Keine Ahnung. Es hat sich einfach so ergeben.".

Skeptisch sieht sie mich an. Anhand ihres Gesichtsausdrucks erkenne ich, dass sie mir kein bisschen glaubt. Ihre nächsten Worte beweisen meine Vorahnung nur. „Irgendwas musst du doch gesagt haben." „Ich wüsste nicht was?", bin ich immer noch ahnungslos. „Hat Hailey dich irgendwas gefragt?"
„Nicht wirklich.", antworte ich, während ich mir nochmal unser Gespräch im Wohnzimmer und später in der Küche in Erinnerung rufe. „Sie hat sich nur bedankt.", füge ich nach kurzer Zeit hinzu. „Bedankt? Wofür?", will Amber wissen. Als ich ansetze, um ihr zu antworten, werde ich unterbrochen.

„Das er dich gerettet hat.", kommt es schwach von dem kleinen Mädchen. Anscheinend ist da jemand soeben aufgewacht. „Hailey.", kommt es beinahe tonlos von Amber. Wieder laufen Tränen ihre Wangen runter. Mir wird bewusst, dass ich so langsam echt keine Tränen mehr sehen kann. Denn in letzter Zeit gab es davon mehr als genug. Langsam beugt Amber sich über ihre Tochter, nur um ihr dann liebevoll über die Wange zu streicheln. Ich sag ja, dass sie vollkommen selbstlos ist. „Wie geht es dir meine Maus?", klingt ihre Stimme noch immer kratzig. „Ich hab Kopfschmerzen.", kommt nach einer kurzen Pause, eine Antwort. „Das ist normal mein Schatz." Das Kind nickt nur.

„Weißt du was passiert ist?", fragt Amber die Kleine, nachdem sie sich auf den Bettrand gesetzt hat. „Nein.", kommt es schwach von dem Mädchen. „Du bist hingefallen und hast dir den Kopf aufgeschlagen." „Hm... Wann gehen wir nachhause?" „Heute nicht mehr meine Maus. Du musst noch eine Nacht hierbleiben." Sofort wird das Kind panisch. „Nein. Ich will nicht hierbleiben. Ich will zu dir nachhause."
„Shh Hailey. Es ist alles gut.", versucht Amber ihre Tochter zu beruhigen. „Nein.", schluchzt die Kleine auf. Und noch mehr Tränen.

Da sich das Mädchen nicht beruhigt, klettert Amber mit zu ihr ins Bett. Sofort klammert sich das Kind an ihr fest. Selbst wenn Amber gehen müsste, würde sie hier nicht wegkommen. „Shh. Hailey beruhig dich bitte." Hektisch schüttelt das kleine Mädchen ihren Kopf, „Ich will nicht hierbleiben". „Doch mein Schatz. Das ist wichtig. Die Ärzte wollen doch nur sichergehen, dass es dir gut geht. Außerdem bleibe ich mit hier. Ich lass dich nicht allein." Vor allem die letzten Worte zeigen Wirkung. Sofort wird die Kleine merklich ruhiger.

„Versprochen?", vergewissert sich das Mädchen erneut. „Versprochen.", gibt Amber ihrer Tochter einen Kuss auf den Kopf. Die ganze Situation wirkt so intim, dass ich mich wirklich frage, ob ich nicht doch langsam mal gehen sollte. Denn ehrlichgesagt fühle ich mich hier gerade fehl am Platz. Die Entscheidung treffe ich mit meinem Verstand, der mir unmissverständlich ein „Ja!" zuschreit. Deshalb beschließe ich mich jetzt aus dem Staub zu machen und die beiden allein zu lassen. Vorher greife ich mir noch meine Jacke, die ich vorhin über den anderen Stuhl gehängt habe. Dann mache ich mich langsam auf in Richtung Tür.

Bevor ich allerdings verschwinde, verabschiede ich mich wenigstens noch von den beiden. „Ich geh dann jetzt. Die Kleine ist ja jetzt wach und Chiara müsste auch jeden Moment kommen. Sie hat mir gerade eine Nachricht geschrieben, dass sie gleich da ist." „In Ordnung. Danke nochmal.", antwortet Amber leise, da das kleine Mädchen, wie ich sehe, gerade wieder eingeschlafen ist. „Kein Problem. Wir sehen uns bestimmt demnächst nochmal bei Ash und Chiara." Das hoffe ich zumindest. „Bestimmt.", lächelt sie mich leicht an.

Dann richtet sie ihren Blick zurück auf ihre Tochter, was für mich das Zeichen ist, jetzt wirklich zu verschwinden. Ich setze mein Gedachtes in die Tat um und verlasse mit einem letzten Blick auf die beiden, den Raum.
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Ich sitze gerade in der Uni und dachte mir, warum nicht noch ein Kapitel hochladen.😇

Ich hoffe es gefällt euch.😊 Und Feedback ist gern gesehen.

AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt