Kapitel 25

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Amber PoV.

Grayson hat sich vorhin von uns verabschiedet. Nach dem Frühstück ist er schnell wieder verschwunden. Er meinte, es gäbe ein Problem in seinem Club, deshalb ist er dann gefahren. Bevor er allerdings aufgebrochen ist, habe ich mich noch bei ihm bedankt, denn nach alledem was er für mich getan hat, war ich ihm das mehr als schuldig. Seine Antwort bestand allerdings nur aus zwei Worten. „Gern geschehen.", danach ist er verschwunden und hat mich etwas verdattert im Flur stehen gelassen. Tja. Wer weiß was sein Problem war?

Gerade bin ich in der Küche gewesen, um für Hailey ein Glas Saft zu holen. Chiara steht unter der Dusche und meine Schwester spielt im Wohnzimmer. Mir ist bewusst, dass wir den Kindergarten die letzte Woche etwas vernachlässigt haben. Deswegen habe ich heute früh dort angerufen und ihnen mitgeteilt, dass sie in frühstens zwei Wochen wieder kommt und ich mich nur melde, wenn sie doch früher geht. Denn erst muss sich unser ganzer Tagesablauf wieder richtig einpendeln.

Im Flur muss ich kurz anhalten, da ich starke Rückenschmerzen bekomme. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, aber so stark sind sie normalerweise nicht mehr. Vielleicht kommen die Schmerzen davon, dass ich Hailey vorhin auf dem Arm hatte. Ich sollte darüber nachdenken mir meinen Stützgürtel zu holen und anzuziehen. Das hilft meinem Rücken vielleicht. Denn den hatte ich vorhin nach dem Duschen abgelassen, da ich der Meinung war ihn nicht zu brauchen. Jetzt sollte sich diese Entscheidung wohl rächen. Nachdem die Schmerzen etwas nachgelassen haben, setze ich meinen Weg fort.

Im Wohnzimmer angekommen, gebe ich Hailey das Glas mit Saft und stelle es, nachdem sie getrunken hat, auf dem Tisch ab. Die Schmerzen kommen zurück. „Was ist Mummy?", will Hailey besorgt wissen. „Nichts mein Schatz. Es ist alles gut.", versuche ich sie zu beruhigen. Obwohl ich innerlich überhaupt nicht ruhig bin. Langsam mache ich mich auf den Weg in unser Schlafzimmer, als ich zusammen-
breche, weil ich mich nicht mehr auf den Beinen halten kann. Erst bin ich leicht verwundert, doch dann breche ich in Panik aus. Das kann doch nicht wahr sein. Ich muss zu Chiara.

Als hätte sie meine Gedanken gehört, kommt sie in einem weißen Handtuch aus dem Badezimmer. Als sie mich so sieht, stoppt sie in ihrer Bewegung. „Was ist los?", fragt sie besorgt und legt die wenigen Meter, die zwischen uns liegen zurück. „Ich weiß nicht. Ich...ich glaube meine Narbe ist aufgegangen.", bringe ich den Tränen nah heraus. „Sicher?" „Keine Ahnung. Ich habe das Gefühl, dass Blut meinen Rücken runterläuft und die Haut spannt auch nicht mehr." Noch mehr Panik macht sich in mir breit. „Ich schaue mir das erstmal an. Dann gehen wir dir was anderes zum Anziehen holen und in der Zeit versuchst du schön ruhig zu bleiben. Okay?" „Ich versuchs."

Mit Chiaras Hilfe erreichen wir das Gästezimmer. Dort hilft sie mir meinen Pullover auszuziehen. Als der Stoff weg ist, zieht sie zischend die Luft ein. „Scheiße.", flucht sie. „Chiara was ist?", frage ich panisch. „Deine Narbe ist wirklich wieder aufgegangen. Nicht ganz aber ein Stück hier." Bei ihren Worten streicht sie über eine Stelle knapp unterhalb meiner Schultern, um mir zu zeigen, wo die Narbe offen ist. „Ich glaube wir sollten ins Krankenhaus fahren. Aber vorher mach ich dir noch einen provisorischen Verband drum, sonst blutest du alles voll."

Aus dem Badezimmer holt sie einen Verbandskasten. Diesen stellt sie neben mir auf dem Bett ab. Daraus holt sie weißen Verbandsmull und eine Kompresse. Das eine Ende des Verbands legt sie mir unter die Brust, „Halt das fest.". Ich tue was sie sagt. Dann fängt sie an den Mull immer wieder, um meinen Oberkörper zu wickeln, bis er ganz abgerollt ist. Das letzte Stück zieht sie etwas straffer, damit die Kompresse nicht verrutscht.

Bevor wir das Zimmer wieder verlassen, gibt sie mir noch eine alte Jacke von sich. Diese ziehe ich mühevoll drüber und Chiara macht anschließend den Reißverschluss zu. Sie selbst greift sich die erst besten Klamotten, die sie schnell überstreift. Dann gehen wir ins Wohnzimmer zurück. Dort setzt sie mich langsam auf dem Sofa ab und zückt ihr Handy. „Ich versuche Ash anzurufen, um zu fragen, ob er herkommt und auf Hailey aufpasst." Stumm nicke ich. Ich habe das Gefühl in einem Tunnel zu sein, in dem ich nur die Hälfte mitbekomme.

„Mummy was ist?", fragt eine aufgeregte Hailey. „Ist was mit deinem Rücken?", geht die Fragerei weiter. Ich beschließe ihr die Wahrheit zu sagen, „Ja mein Schatz. An meinem Rücken ist was nicht so wie es sein sollte, deshalb muss Ash auf dich aufpassen." „Warum kann ich nicht mitkommen?" „Du darfst nicht meine Maus. Ich kann dich nicht mitnehmen. Es tut mir leid." „Aber ich darf dich besuchen? Oder auch nicht?", weint sie jetzt. „Natürlich darfst du mich dann besuchen.", ziehe ich sie in eine feste Umarmung.

Eine überforderte Chiara unterbricht unsere Umarmung. „Was ist los Chiara?", will ich wissen. Ich brauche ihr nur ins Gesicht schauen und sehe, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. „Ash kann nicht kommen. Er hat einen Gerichtstermin. Den kann er nicht einfach absagen.", flucht sie. „Ist in Ordnung. Wenn du mich ins Krankenhaus fährst, schaffe ich das allein.", versuche ich meine Freundin zu beruhigen. „Kommt gar nicht in Frage. Ich habe dir versprochen, dich nicht nochmal allein zu lassen und ich halte meine Versprechen. Immer.", sieht sie mir eindringlich in die Augen.

„Chiara wir haben aber nicht so viel Zeit darüber zu diskutieren.", erinnere ich sie. Auf einmal klingelt ihr Handy. Sie setzt sich zu uns, nimmt ab und stellt es auf laut. „Ash." „Es tut mir leid wirklich. Aber ich kann den Termin nicht einfach so absagen. Das geht nicht." „Es ist in Ordnung, Ashton. Du musst dich nicht schlecht fühlen. Chiara passt auf Hailey auf.", spreche ich beruhigend, obwohl ich innerlich mehr als nur aufgewühlt bin. Dennoch lasse ich es mir nicht anmerken.

„Und wenn du einen Babysitter anrufst?", schlägt Ash vor. „Nein, das möchte ich nicht.", lehne ich sogleich seine Idee ab. Chiara sieht mich besorgt an. „Chiara?", fragt er über die Leitung. „Ja.", antwortet sie. „Du kannst Grayson anrufen und ihn fragen, ob er auf Hailey aufpasst. Er ist eh gerade noch zuhause. Sein Club macht erst um 8 auf. Bis dahin bin ich auf jeden Fall von der Arbeit zurück.", kommt Idee Nummer zwei. Mit fragendem Ausdruck sieht meine beste Freundin mich an.

Die Idee gefällt mir auf jeden Fall besser als die Erste, aber Hailey hat Angst vor ihm und das möchte ich ihr nicht wirklich zumuten. Ich schaff das auch allein. Das rede ich mir jedenfalls ein. „Danke aber nein. Das geht nicht. Hailey hat Angst vor ihm und...", werde ich unterbrochen. „Du darfst ihn anrufen." „Hailey nein..." „Doch Mummy. Bitte. Ich möchte nicht, dass du allein bist.", schlingt sie ihre kurzen Arme um mich und sieht mich mit großen Augen an.

Halb überzeugt nicke ich, „Dann ruf ihn an und frag, ob er Zeit hat.". „Ich meld mich, wenn es was Neues gibt Ash.", will Chiara gerade auflegen. „Du schaffst das Amber.", beendet er das Telefonat. Nicht mal zehn Sekunden später hat Chiara ihr Telefon schon wieder am Ohr. „Hey Grayson.", stellt sie das Gespräch erneut auf laut. „Bist du zuhause?", will sie wissen. „Ja warum?", erklingt seine tiefe Stimme. Gänsehaut pur. „Wir haben ein Problem." „Schon wieder Chiara?" „Was heißt hier schon wieder? So oft kommt das nicht vor.", diskutiert sie mit ihm. „In letzter Zeit schon. Oder etwa nicht?"

Er schnaubt, „Was ist es diesmal?". „Ambers Narbe ist wieder aufgegangen, das heißt wir müssen ins Krankenhaus. Hailey können wir aber nicht mitnehmen. Ash hat einen Gerichts-
termin und kann deshalb nicht kommen. Das Problem ist...", wird sie sogleich unterbrochen. „Ich soll auf das kleine Mädchen aufpassen?", fasst er Chiaras langen Monolog zusammen. „Ash meinte du bist bis gegen Abend zuhause. Er sagt er ist, bevor du in deinen Club musst, zuhause. Bitte Grayson. Wenn es nicht wichtig wäre, hätte ich nicht gefragt."

Eine Zeit lang ist es still in der Leitung. Das Einzige, was man hört ist, wie er atmet. „Ich bin in zehn Minuten da."
„Danke Grayson. Ich schulde dir was.", antwortet meine Freundin ehrlich. „Mittlerweile ist es ein ganz schön großer Gefallen.", sind seine letzten Worte. Eigentlich sind seine Worte falsch. Nicht Chiara ist ihm was schuldig, sondern ich. Und wie er richtig festgestellt hat, wächst der Gefallen immer weiter an. Mit den Worten, „Bis gleich.", wird das Gespräch beendet und die Leitung ist tot. „Wir warten, bis er da ist und dann fahren wir. In Ordnung?" „Klar.", zeige ich ihr ein gezwungenes Lächeln.
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Heute kommt mal wieder ein neues Kapitel. Tut mir leid, dass ihr solange warten musstet.😅

AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt