Kapitel 27

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~23. Dezember~
M A D E L I N E

Ich glaube, ich habe etwas gefunden, was ich nicht finden sollte. Und dieses etwas macht mir höllische Angst. Ich war gerade dabei, ein Spiel für Liam zu suchen, als ich in Noahs Schreibtischschublade einen Schlüssel gefunden habe, welcher für eine andere Schublade bestimmt ist. Ich weiß, eigentlich schnüffelt man nicht in anderen Sachen herum, aber meine Neugier hat mich eingeholt und ich musste nachsehen.

Jedenfalls habe ich diese Schublade aufgeschlossen und in dieser Schublade habe ich dieses etwas gefunden. Eine Waffe und eine sogenannte death list. Und das macht mir Angst. Warum zu Hölle hat Noah eine Waffe und eine death list in seinem Schreibtisch versteckt?

Auf dieser Liste stehen genau 15 Namen. 15 Leute, welche sterben müssen. 15 Leute, die Noah offensichtlich umbringen wird. Dieser Mann macht mir so langsam doch mehr Angst, als ich dachte. Ist er im Stande dazu, Leute umzubringen? Hat er vielleicht sogar schon jemanden umgebracht? Schlafe ich vielleicht mit einem Mörder in einem Bett und spiele dazu auch noch seine Freundin?

Ich weiß nichtmal, ob ich ihn noch darauf ansprechen soll, ich weiß garnichts mehr. Gerade ist er Sport machen, aber was mache ich, wenn er wieder da ist? Oder sollte ich doch lieber zur Polizei gehen? Denn dass er Leute umbringt, toleriere ich absolut nicht.

Ich lege die Liste und die Waffe schnell zurück in die Schublade, als ich höre, wie Liam ins Zimmer kommt.
"Hast du etwas gefunden?", fragt er.
Ich schüttle nur den Kopf, unfähig, etwas zu sagen.
"Oh man, dann muss ich mich wohl anders beschäftigen... kann ich Fernsehen?"
Ich nicke und höre kurz darauf auch schon, wie Noah die Wohnung betritt.

"Hallo, ich bin wieder da!", ruft er und schmeißt seine Sporttasche in den Eingangsbereich, geht dann in die Küche und trinkt etwas. Dann geht er zu Liam, wuschelt ihm einmal durch die Haare und geht dann duschen. Nachdem er fertig ist, kommt er mit einem Handtuch um die Hüfte ins Zimmer und geht an seinem Schrank.
"Na", sagt er, als er mich sieht.
"Hallo.", antworte ich, weiß aber nicht, wie ich mich verhalten soll. 'Ganz normal' ist hierbei unmöglich.
"Alles gut?", fragt er misstrauisch und dreht sich zu mir um. Auch wenn ich wütend bin, muss ich mich immer wieder davon abhalten, auf seinen durchtrainierten Oberkörper zu schauen, vorallem jetzt, weil sein Handtuch so tief sitzt, dass man seine V-Linie sehen kann.

"Ja.", sage ich, nachdem ich mich gefasst habe.
"Du wirkst anders als sonst. Als hätte ich etwas verbrochen.", meint er und sieht mich kritisch an.
Leute umzubringen ist ja auch absolut kein Verbrechen.
"Hast du auch.", sage ich, merke dies aber erst nachdem ich es ausgesprochen habe. Er zieht seine Augenbrauen zusammen und schließt die Tür, als er merkt, dass ich wirklich sauer bin, sodass Liam nichts mitbekommt.

"Was hab ich denn verbrochen?", fragt er neugierig und setzt sich auf seinen Schreibtischstuhl.
"Ich habe etwas gefunden.", sage ich direkt und deute auf die Schublade. Sein Blick wandert dorthin und ich sehe, wie er scharf die Luft einzieht und kurz seine Augen schließt.
"Das solltest du nicht finden.", sagt er ruhig.
"Das habe ich mir gedacht.", sage ich und man hört eindeutig meine Angst und Wut aus meiner Stimme heraus. Rein theoretisch könnte er mich jetzt hier direkt umbringen, wenn er wollte.
"Du hast Angst.", stellt er fest.

Ich lache kurz auf. "Natürlich habe ich Angst. Es kommt nicht täglich vor, dass der Typ, mit dem ich in einem Bett schlafe, eine death list zusammen mit einer Waffe im Schreibtisch liegen hat."
"Maddy. Du weißt, dass ich dir niemals auch nur ein Haar krümmen würde.", sagt er ruhig und kommt auf mich zu.
Ich weiche ein Stück zurück. "Weiß ich das?"
"Ja, solltest du. Ich dachte du kennst mich schon gut genug um das zu wissen."
"Wieviele von denen hast du schon umgebracht?", frage ich, ohne auf seine Aussage einzugehen.
"Garkeine. Was denkst du von mir?", sagt er und ich kann Enttäuschung aus seiner Stimme heraus hören.

"Sorry, was soll man von dir denken, wenn du eine fucking Todesliste in deinem Schreibtisch liegen hast? Dazu dann auch noch eine Waffe. Erklär mir das Noah, oder ich gehe zur Polizei und du wanderst hinter Gitter.", drohe ich ihm.
Er lacht gezwungen auf und schüttelt enttäuscht seinen Kopf. "Das würdest du einfach tun, ohne mit der Wimper zu zucken, hm? Ich habe von Anfang an versucht, dich da raus zu halten, weil du mir verdammt nochmal wichtig bist Madeline. Je mehr du weißt, desto gefährlicher ist das alles für dich. Verstehst du nicht, dass ich dich schützen will?", sagt er ruhig.

"Willst du die Leute umbringen?", frage ich, ohne auf seine Aussagen einzugehen. Ich kann meine Wut gerade einfach nicht kontrollieren.
"Nein, natürlich nicht.", sagt er und schaut mir in die Augen.
"Erkläre mir das. Alles."
"Ich habe dir das alles schonmal erklärt. Und wenn rauskommt, dass du das alles weißt, dann passieren Dinge mit dir, die du dir nicht vorstellen willst, aber du bist so verdammt dickköpfig und gibst einfach nicht nach. Carlos hat mir den Auftrag gegeben, diese Leute umzubringen. Er hat mir drei Monate gegeben und wenn die bis dahin nicht alle unter der Erde liegen, dann tu ichs."
"Wie?", frage ich verwirrt. Was tut er?
"Na wenn die Leute, die auf dieser Liste stehen in drei Monaten noch leben, dann sterbe ich. Carlos braucht Leute, auf die er sich verlassen kann und nicht Leute, die alles wissen, aber nicht tun, was er verlangt. Das ist zu gefährlich für ihn.", erklärt er.

"Also wirst du die Leute töten müssen, damit du überlebst?", hake ich nach.
"Ja."
"Und...wirst du sie umbringen?", frage ich und weiß nicht, was für eine Antwort ich mir wünsche.
"Ich weiß es nicht.", meint er leise und schaut auf seine Hände.
Ich habe ihn noch nie so erlebt wie jetzt. So schwach und unsicher. Ich kannte ihn bisher immer nur als Macho-Arsch oder als den, der weiß was er will und dies auch bekommt.

"Ich will wirklich niemanden umbringen, das musst du mir glauben. Aber wenn ich ehrlich bin, will ich auch noch nicht sterben.", sagt er und schaut wieder zu mir.
"Gibt es keine andere Möglichkeit? Warum könnt ihr nicht einfach zur Polizei gehen?", frage ich nach.
"Das ist zu gefährlich. Carlos Leute sind überall. Sie würden sofort mitkriegen, dass wir zur Polizei gehen und würden uns in Null-Komma-Nichts erschießen. Außerdem würde ich ohne Zweifel direkt mit in den Knast wandern und da ein paar Jahre leben müssen.", erklärt er.
"Warum? Ich dachte man bekommt eine Geldstrafe oder ein halbes Jahr oder so, vorallem wenn es nur Drogen sind."
"Maddy, ich bin kein Unschuldslamm. Ich bin schon mehrmals vorbestraft wegen Körperverletzung und so. Ich würde definitiv ein paar Jahre hinter Gitter müssen."

"Und wenn du jemanden umbringst, dann bekommst du Lebenslänglich. Ich weiß nicht, was dir lieber ist.", sage ich, wobei klar wird, dass ich will, dass er zur Polizei geht.
"Naja, wenn ich sterbe, dann ist das sowieso egal, denn dann komme ich garnicht erst zur Polizei."
"Und wenn ich einfach zur Polizei gehe?", frage ich.
"Dann sterbe nicht nur ich, sondern auch du. Maddy, die haben mehr Macht als du denkst. Die haben so gut wie jedes System gehackt und können darauf zugreifen, die werden dafür sorgen, dass die Polizei nichts mitbekommt. Du hälst dich da schön raus, klar?"

"Du wirst die Leute umbringen, habe ich recht?", spreche ich meine Gedanken aus.
Er zögert. "Ich habe eigentlich keine andere Wahl, ich werde es aber nicht können. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich diese Entscheidung überhaupt treffen muss und vorallem hasse ich mich dafür, dass ich dir das alles erzähle."
"Also wirst du sterben."
"Denke schon."
"Das kannst du uns nicht antun."
"Was willst du denn von mir hören verdammt? Du weißt nicht wie scheiße das ist, zwischen seinem eigenen und 15 anderen Leben zu entscheiden. Aber ich darf hierbei ausnahmensweise mal nicht egoistisch sein. 15 Leben sind nunmal mehr als eins."
"Noah. Denk an deine Familie. An Liam, Miranda, deine Eltern,..."
"Maddy. Hör auf. Sei einfach leise, bitte. Ich schlafe heute auf der Couch, dann haben wir beide Ruhe, ich kann das so nicht ertragen, dass du das weißt. Das war falsch, es dir erzählt zu haben."

"Du hättest dich sonst also einfach umbringen lassen, ohne das irgendwer das wüsste? Du bist wirklich ein egoistisches Arschloch, Noah Paszek!", sage ich wütend und gehe raus. Soll das Arschloch sich doch einfach umbringen lassen. Anstatt dass er nach einer Lösung sucht. Die Menschen werden sterben, wenn er nichts unternimmt. Wenn nicht er sie umbringt, dann wird das jemand anderes erledigen. Wir müssen etwas unternehmen.

*****

 

Roommate | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt