Kapitel 46

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~30. März~
N O A H

Wir sind nun schon relativ lange bei meinen Eltern. Also gut, sind nur vier Tage, aber egal. Jedenfalls hat Angelo mich heute angerufen. Der Angelo aus dem Knast. Ich hatte ihm meine Nummer gegeben, damit er mich anrufen kann, sobald er irgendwann raus ist. Und heute ist der Tag gekommen. Sie haben den wahren Mörder gefunden und Angelo konnte endlich wieder raus und frei leben.

Es ist eigentlich ein Unding, dass man den unschuldigen Leuten viele Jahre des Lebens wegnimmt und dann nichtmal eine Entschädigung bekommt, während die wahren Wichser noch frei rumlaufen und ihr Leben genießen. Angelo hat mir im Knast erzählt, wie gerne er Kinder hätte und er seiner Freundin unbedingt einen Antrag machen wollte. Jetzt ist er frei und kann das alles tun, obwohl er das eigentlich schon vor Jahren hätte machen können.

Sobald Maddy und ich wieder Zuhause sind, treffen wir uns direkt. Er ist mir in dieser kurzen Zeit wirklich ans Herz gewachsen. Er war der einzige, dem ich dort vertrauen konnte und er ist ein so herzlicher Mensch, dass man ihn eigentlich nur mögen kann.

Mamá hat mich gefragt, ob ich heute mit ihr gemeinsam etwas unternehmen möchte. Wir hatten damals, als ich dann zu Oma gezogen bin, ein ziemlich beschissenes Verhältnis und nach der Sache mit den Drogen und so konnte ich noch nicht persönlich mit ihr sprechen, weshalb ich zugestimmt habe. Maddy, papá und Liam machen etwas zu dritt. Maddy liebt meine Familie und meine Familie liebt sie, deswegen mache ich mir auch keine Sorgen, sie alleine zu lassen.

Wir gehen am Strand, welcher 15 Minuten mit dem Auto entfernt ist, spatzieren, während wir einfach nur schweigen und dem Meer zuhören. Ich traue mich nicht zu sprechen, denn ich schäme mich dafür, was ich getan habe. Ich weiß, dass mamá extrem enttäuscht von mir ist und das wiederum tut mir weh.

"Noah.", haucht sie nur, um meine Aufmerksamkeint zu bekommen.
"Mamá, es tut mir leid.", gebe ich zurück. Als ich vor meiner Freiheitsstrafe zuhause angerufen habe, habe ich hauptsächlich mit papá gesprochen. Und auch in den Tagen hier kam es nicht wirklich zu Gesprächen zwischen mamá und mir.
"Warum hast du nie etwas gesagt?", fragt sie leise und ich höre tiefe Enttäuschung aus der Stimme.
"Weil das zu gefährlich war. Außerdem wollte ich da niemanden mit reinziehen und vorallem euch nicht."
"Aber Madeline wusste das doch auch, oder nicht?", fragt sie ruhig.
"Ja, sie wusste das. Aber sie wusste das auch nur, weil ich keine andere Möglichkeit hatte, als es ihr zu erzählen. Sie wohnt bei mir und hat mich oft so gesehen, wie mich eigentlich keiner hätte sehen sollen. Und dann wäre sie einmal fast entführt worden, wenn ich nicht da gewesen wäre.", erkläre ich und starre aufs Meer.

"Du hast sie ganz schön in Gefahr gebracht. Warum hast du sie denn sofort bei dir einziehen lassen, wenn es so gefährlich war?"
"Ich habe euch angelogen. Ich habe Maddy garnicht gekannt, bevor sie zu mir gezogen ist. Und ich war auch nicht mit ihr zusammen, als ihr bei uns wart. Ich habe sie darum gebeten, mir zu helfen, damit ihr mich endlich mit euren 'wir müssen Noah eine Freundin suchen' Aktionen inruhe lasst. Ich wollte eigentlich nur ein WG-Zimmer vermieten, damit ich nicht alleine bin und ich dachte auch eigentlich, dass wir uns nicht so nah kommen, denn ich hab am Anfang wirklich versucht, sie zu hassen. Aber irgendwie hab ich ziemlich schnell angefangen, sie zu lieben.", platzt es aus mir heraus.

Mamá bleibt geschockt stehen.
"Noch eine Lüge. Noah du kannst uns nicht wegen allem anlügen oder alles verschweigen. Wir sind deine Familie und wir sind da für dich, auch wenn du schon Erwachsen bist. Du musst deine Probleme nicht alleine regeln."
"Ich weiß. Aber ich wollte. Ich war damals schon das 'Problemkind', das mit 15 Jahren ausgezogen ist, um alleine zu sein. Oma hat mich immer alles alleine machen lassen und das war genau das, was ich gebraucht habe. Und jetzt ist Maddy da. Und sie ist genau das, was ich mittlerweile brauche. Sie ist die, die mir gezeigt hat, dass Lügen eigentlich keine Lösung sind und ich nichts alleine machen sollte. Sie ist die, die mir gezeigt hat, was ich da eigentlich aufs Spiel gesetzt habe. Sie hat mir aber auch gezeigt, dass es richtig war, euch nichts zu sagen. Und sie ist der größte Grund dafür, dass ich da unbedingt raus wollte."

Ich schaue zu mamá und sehe, wie ihr eine Träne über ihre Wange rollt. Ich gehe direkt zu ihr und nehme sie in den Arm.
"Warum weinst du? Hör auf zu weinen, mamá.", sage ich ruhig und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn.
"Du bist so ein toller Mann geworden. Und ich war nie für dich da. Ich habe dich einfach so gehen lassen, obwohl ich dich so sehr liebe. Ich habe dir immer das Gefühl gegeben, unter Druck gesetzt zu sein und perfekt sein zu müssen, weshalb du gelogen hast. Ich bin so stolz auf dich, Noah. Und es tut mir so leid, nie für dich da gewesen zu sein. Auch wenn du viel Scheiße gebaut hast, ist dein Herz am rechten Fleck.", sagt sie und schaut mir in die Augen.
"Danke mamá."

Wir laufen noch ein kleines Stück weiter.
"Und wie lange bist du jetzt wirklich mit Maddy zusammen?", fragt sie irgendwann.
"Keine Ahnung, so richtig zusammen gekommen sind wir nie. Aber ich habe ihr zum ersten mal gesagt, dass ich sie liebe, als ich im Krankenhaus war. Also im Januar.", sage ich ehrlich.
"Warum warst du im Krankenhaus?", fragt meine Mutter irritiert und geschockt zugleich.
"Lange Geschichte. Maddy sollte angeschossen werden, ich habe es noch rechtzeitig gesehen und habe die Kugel abgefangen. Dann musste ich Notoperiert werden.", erzähle ich und muss an den Tag zurück denken.

"Du liebst sie wirklich sehr, oder?", fragt mamá nach kurzer Zeit. Wahrscheinlich hat sie die Geschichte gerade verarbeitet.
"Ich liebe sie mehr als ich dachte, dass es geht. Sie ist nicht nur die Person die ich liebe, sondern auch meine beste Freundin."
"Du hast dein Leben für sie aufs Spiel gesetzt.", denkt sie laut.
"Ja, ich habe es ihr aber auch versprochen. Ich werde sie immer mit meinem Leben beschützen. Mamá, ich liebe sie wirklich."
"Ich weiß. Und das ist das schönste, was du mir hättest sagen können. Ich freue mich so sehr, dass sie dich glücklich macht."

"Weiß ihre Familie, dass das im Dezember gelogen war?", fragt mamá.
Ich schüttle den Kopf. "Nein, ist auch besser so. Ihre Mutter hasst mich jedes Mal mehr. Und ich weiß nicht, was ich tun soll, damit das besser wird.", erkläre ich.
"Oh man, die Frau ist auch unsympathisch. Aber du schaffst das schon. Deine Oma mochte deinen Vater damals auch nicht. Und dann war ich schwanger mit dir und sie hat angefangen, ihn zu mögen."
"Wirklich?", frage ich ungläubig. Miranda fand papá scheiße?

"Ja. Das soll aber nicht heißen, dass du Maddy jetzt auch ein Baby machen musst.", sagt sie und schwingt ihren Zeigefinger mahnend.
"Mamá!"
"Nicht dass du jetzt auf dumme Ideen kommst."
"Ich bin 20.", sage ich mit der Andeutung, dass ich noch lange nicht bereit bin.
"Genau deswegen. Du bist zwar Erwachsen, aber Kinder in die Welt setzen musst du noch nicht."

*****

Roommate | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt