Es war in Spätsommer, als ich mit 6 Jahren in die Schule kam. Am Tag meiner Einschulung, war Mutter in ihr bestes Kleid und mein Vater in seinen Smoking geschlüpft und haben Tanten, Onkels, Cousinen, Opas, Omas und sogar meine Urgroßmutter eingeladen, die kurz darauf gestorben war. Für mich war das nicht schlimm, ich kannte sie ja nicht mal gut. Zur Einschulung hatte ich überhaupt erst mitbekommen das ich noch eine hatte. Warum sollte ich dann traurig sein, über jemanden den ich nicht kenne? Sonst müsste ich ja jeden Tag weinen und trauern über all die Menschen die sterben. Doch ich war trotzdem glücklich, einer fremden Person die zur meiner Familie gehörte einen schönen Tag geschenkt zu haben, auch wenn es nur daran lag, dass ich endlich in die Schule kam. Wenn ich an die Schule dachte, kam mir immer nur der Gedanke, dass dort Lehrer waren, eine Sporthalle die wahrscheinlich voller Schweiß stank und Schüler die wahrscheinlich größer und reifer waren, als die kleinen Kinder im Kindergarten.
Für mich sollte es dort nur besser werden.
Ich war an diesem Tag etwas aufgedreht und überglücklich und als wir von unseren Haus hinüber zur Schule liefen, die nur ein paar Blocks weiter stand, sprang ich umher und erschreckte die Vögel, hopste den Gehweg auf einen Bein entlang und dann auf zwei, so als ob ein unsichtbares Himmel oder Hölle – Spiel auf den Asphalt aufgezeichnet worden war. Mutter und Vater liefen Hand in Hand hinter mir und dahinter der Rest der Familie. Meine Urgroßmutter schob ihren Rollator vor sich her und versuchte die große Schultüte darauf balancieren zu können. Sie wollte sie unbedingt mir übereichen, wenn der große Augenblick gekommen war und ich auf die Bühne in meine neue Klasse durfte. Mir war egal wer sie mich übereichte.
Die Schule war groß, modern und in einem weiß gestrichen, nur die Frontwand, wo die Eingangstür war, war in einen dunklen Lila Ton. Mir gefiel der Farbton unglaublich gut. Sogar heute noch ist er meine Lieblingsfarbe. Auf den Platz vor der Schule war ein regelrechtes Treiben. Tausende Eltern und Familienmitglieder und aber tausende Kinder mit Schultüten im Arm und Schulrucksäcken, die viel zu groß für sie waren. Ich merkte erst jetzt, dass ich meinen vergessen hatte. Enttäuscht drehte ich mich um und meine Tante Eddy lächelte mich verschmilzt an, als sie sich umdrehte und einen für ihren Rücken, viel zu kleinen Rucksack präsentierte. „Suchst du den hier, Mariechen?“, lachte sie und zwang sich ihn von Rücken um ihn mir zu übereichen. „Danke. Denkst du die wollen alle in meine Klasse? Können auch, welche nachhause geschickt werden?“, Tante Eddy half mir den Rucksack aufzusetzen, mit nur einem Arm ging es schwierig, aber es war nicht ganz unmöglich. Ich wurde damit geboren, ich kam damit zurecht. Obwohl wenn ich andere Kinder sah, die beide Arme hatten und glücklicher waren, fühlte ich mich schon etwas komisch. Ich fühlte mich ungewollt und ausgeschlossen. Ein Knoten in meinem Bauch, ein prickeln in meinen rechten Armstumpf.
In der Schule war es überwältigend groß, so groß, dass ich mich nicht zu Recht finden konnte, auch wenn ich mir vorstellte hier irgendwann ein zweites Zuhause gefunden haben zu können. Die Aula war in zweiten Stock und mit viel bunten Krepppapier geschmückt und dekoriert worden, es war laut und hektisch, als jeder sich ein Platz suchte und ab und an eine Mutter noch ein Erinnerungsfoto von ihren Kind schoss. Mir viele die Blicke auf die Erwachsene mir zuwarfen, die Männer mit Desinteresse, die Frauen mit einen Blick auf meine Mutter, voller Entschuldigung und Zum-Glück-Hat-Mein-Kind-Nicht-Nur-Einen-Arm Blick. Ich starrte sie alle gleich an, mit großen Augen und dem Unwissen im Gesicht, dass ich nicht wirklich weiß, warum sie mich so anschauten. Doch ich wusste es. Wusste es seit ich 5 Jahre alt war. Dass ich ein Monster für sie bin und sie Angst vor mir haben oder sich vor mir ekeln. Oder beides.
DU LIEST GERADE
'Bin Ich hübsch, Mama?'
Teen FictionIch bin als Monster geboren worden, werde als Monster weiter leben und auch als eines Sterben. Zwischendurch versuche Ich ein Mensch zu werden.