1995 - Teil 1

498 43 6
                                    

„You taught me never underestimate the power of ten thousand hearts that are beating in time" -Intro (Prelude) – Paradise Fears

Womit ich Menschen vergleiche? Mit einem Schwarm von Seifenblasen. Warum? Ganz einfach: Alle sind unterschiedlich, ab dennoch ziemlich gleich. Die einen Schweben höher, die anderen tiefer. Die einen bleiben lange ganz, die anderen zerplatzen schon nach kurzen Augenblicken. Manche halten viele Strapazen aus, die anderen gehen sofort daran kaputt. Alle Schweben in derselben Umgebung, doch das was sie widerspiegeln ist Grund auf verschieden. Das Innere ist unantastbar. Du kannst es nicht berühren. Die meisten lassen sich treiben. Eine voran und fast alle hinterher. Die einen sinken, die anderen steigen auf bis man sie nicht mehr sehen kann. Stoßen sie jedoch gegen etwas oder wird der Druck zu stark, zerplatzen sie. Sie sind einfach weg. Man kann sie nicht wieder zusammensetzen oder zurückholen. Sowie bei Menschen existieren sie dann einfach nicht mehr. Diese Erkenntnis kam mir sofort, als ich die Seifenblasen erblickte, die über die Wasseroberfläche des großen Sees schwebten. Das Wasser glitzerte im Sonnenlicht und spiegelte mein Abbild entgegen, das ich neckisch die Zunge herausstreckte. Ich war heute zum ersten Mal mit Papa auf dem Boot draußen angeln und war ziemlich hibbelig und nervös gewesen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie es wohl sein mag, dieses Ziehen an der Angelrute zu spüren, wenn ein Fisch angebissen hatte. Es musste großartig sein. Doch bis jetzt hatte noch kein einziger angebissen, noch nicht einmal ein klitzer kleiner Fisch, sodass ich wenigstens ein wenig Druck und Ahnung verspüren könnte, wie es war zu angeln.

„Dann machen wir solange etwas anderes", meinte Papa und holte zwei Seifenblasenflaschen aus der Tasche hervor, von denen er mir eines nach vorne reichte. Die Angelrute hatte er mit einem extra Griff an dem Boot befestigt, sodass wir weiterhin ein Auge darauf haben konnten. Sobald sie sich nur einen Millimeter bewegen würde, würde ich sofort aufhöre, Seifenblasen in die Luft zu schicken, doch es biss kein einziger Fisch an und es war vollkommen Windstill. Papa blies als erstes Seifenblasen in die Luft und ich musste lachen, als ich seine aufgebrausten Wangen sah und wie sehr er sich anstrengte mir extra große und runde Seifenblasen zu schenken.

 „Ich will noch das du lebst, Papa!", lachte ich und öffnete meine eigene Packung.

 „Ach Quatsch, ich bin Profi darin", lachte er, „als Kind bin ich andauernd mit der Seifenblasenflasche herum gewandert. Deine Oma hatte wirklich Angst, dass ich irgendwann dieses Zeug trinke, um festzustellen ob ich nicht auch eine Seifenblase werden kann. Einfach auf und davon."

„Das ist wirklich eine komische Vorstellung", sagte ich verwundert, „Ich stelle mir gerade vor, wie du in einer Seifenblase davon schwebst. Ich glaube, ich würde dich vermissen." Ich konnte mir nicht vorstellen, wie mein Leben wäre ohne Papa. Er war mein Anker, meine Rettung und dem, den ich am meisten vertraute. Ohne ihn wäre die Welt nicht mehr in grellen Farben vorhanden, sondern nur noch schwarz-weiß.

'Bin Ich hübsch, Mama?'Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt