2 Monate ist es her und seit dem ich eingeschult wurde, ist viel passiert. Nachdem der erste Tag gut verlaufen war, ohne blöde Kommentare oder andere Sticheleien, und ich zuhause meine Schultüte überreicht bekommen habe, bin ich tot müde ins Bett gefallen. So viele neue Eindrücke und so viele neue Gesichter, die ich mir versuchte einzuprägen. Ich bin kurz vor halb sieben eingeschlafen, mit einem friedlichen Lächeln im Gesicht.
Es war an einem Freitagnachmittag. Es war Pause in der Schule und alle Schüler waren verpflichtet sie auf dem Schulhof zu verbringen, außer natürlich wenn es sehr stark regnete oder schneite, aber das war an diesen Tag nicht der Fall. Es herrschte gellende Hitze und der Schweiß floss nur so in Strömen von Lehrern und Schülern, sodass ein unangenehmer Geruch sich in der Schule ausbreitete. Ich war so dankbar gewesen, als endlich die Schulglocke klingelte und wir für kurze Zeit entlassen wurden.
Ich saß auf einer Bank unterhalb des Schattens einer großen Eiche. Seit dem ersten Tag saß ich schon dort und aß mein Pausenbrot alleine. Mir machte es nichts aus, zuzusehen, wie andere Kinder kletterten oder Fußball spielten, ältere Mädchen in Gruppen zusammen standen und sich lachend unterhalten oder andere fangen spielten. Ich liebte es zu beobachten, zu analysieren. Ich biss gerade von meinen Sandwich ab, als jemand sich neben mir setzte. Ich hielt mitten in meiner Bewegung inne und drehte langsam meinen Kopf zur Seite. Dort saß Paul.
Paul aus dem Kindergarten. Paul mit der „Harry Potter“ Brille.
„Wusste gar nicht, dass du auch hier bist“, sagte er leise, saß gekrümmt auf der Bank und schwang seine Beine hin und her. Eine Schweißperle lief langsam über seine Stirne in seine buschige Augenbraue. Ich lächelte.
„Ach, sitze immer hier. Und du?“
„Ich bin in der 1c. Darf ich auch ein Stück?“
Ich gab ihm mein angebissenes Pausenbrot und sah gespannt zu, wie er es verschlang. War ich froh, dass er auch auf meine Schule ging? Mein Herz klopfte wie wild und in meinen Gedanken segelten hunderttausende Gedanken herum. Ja ich war froh. Außer mit Jan, hatte ich mich mit niemand richtig unterhalten. Die Wortfetzen, die ich vielleicht gewechselt hatte, basierten jede glich auf Schulwissen oder kleine Gruppenarbeiten.
„Auuu!”, Paul schrie laut auf, als ein dunkelblonder Junge ihn an den Haaren zog, ihn von der Bank schubste und sich neben mich setzte. Er legte einen Arm um meine Schulter. Erschrocken starrte ich zuerst Paul an, welcher sich gerade von staubigem Boden aufrappelte, und dann den fremden Junge.
Er war mindestens zwei Jahre älter als ich und hatte Sommersprossen, die seinen Nasenrücken und Wangen, wie kleine Farbspritzer besprenkelten. Er hatte ein freches Grinsen und machte eine schnelle Kopfbewegung, sodass zwei weitere Jungen dazu kamen.
„Ey, Gabriel, die hat ja nur ein Arm!“
„Ist ja eklig, denkst du ihre Eltern haben ihn ihr abgehackt?“
„Wär‘ ja voll krass, so wie in so’n Horrorfilm.”
Die beiden Jungen standen nun vor mir, sodass ich Paul nicht mehr sehen konnte und Augenblicklich wurde mir unbehaglich. Sie sprachen über meinen nicht vorhandenen Arm.
„Jungs, haltet eure Klappe! Sie hat ihn von Anfang an nicht gehabt.“
„‘schuldigung Romeo.“
Beide ließen den Kopf hängen, nur ihre Augen schielten zu mir rüber und begutachten mich mit Neugier. Romeo, der Junge neben mir auf der Bank, schaute mich lange an. Ich spürte immer noch seinen Arm auf meiner Schulter. Was hatte er vor? Mein Magen rebellierte und ich hatte das Gefühl mein Sandwich würde jeden Moment wieder hochkommen, doch es tat mir den Gefallen und blieb in meinen Magen. Meine Augen huschten ängstlich umher.
„Wie ist es so mit nur einem Arm zu leben?“, Romeo nahm seinen Arm runter und stand auf, sein Blick weiterhin stur auf mich gerichtet. Erleichtert holte ich tief Luft.
Wie war es mit nur einem Arm zu leben? Nun ja, nicht so schwierig wie es vielleicht für andere zu sein scheint. Ich kann mir Brote schmieren, mir etwas zu trinken eingießen und sogar schon alleine auf die Toilette gehen. Was mir jetzt gerade einfällt, was ich nicht besonders gut kann, ist mich morgens alleine anzuziehen und meine Schuhe zu binden. Es war unmöglich eine Schleife mit nur einer Hand zu binden, also jedenfalls für mich. Manchmal kam ich mir dumm und schlecht vor, Sachen nicht alleine hinzubekommen und auf Hilfe anderer angewiesen zu sein, doch mein Vater versucht mich immer wieder aufzubauen und mir Mut zu geben. Er ist in meinen Gedanken in jeder Situation dabei, um Entscheidungen zu treffen und mir zu sagen wie ich handeln soll.
Auch jetzt, wo Romeo und seine beiden komischen Freunde vor mir standen, dachte ich wie Papa. Die Frage von Romeo hallte immer noch in meinen Kopf (Wie ist es so mit nur einem Arm zu leben?), als ich entschlossen aufstand und zwischen den dreien vorbei ging. Ohne ihnen eines Blickes zu würdigen oder etwas zu sagen.
Du musst niemanden eine Frage beantworten, wenn du nicht willst, Papas Stimme in meinem Kopf. Die Schulglocke kündigte das Ende der Pause an und ich bemerkte Paul, der immer noch auf derselben Stelle wie vorher stand und hackte mich unter seinen Arm. Zusammen gingen wir auf das Schulgebäude zu. Hinter mir hörte ich noch lautes Gelächter von Romeo und seinen Freunde. Ich warf einen Blick nach hinten und streckte ihnen meine Zunge raus, bevor ich mit Paul in der Menge verschwunden war, die zum Ausgang schlenderten.
Romeos Sommersprossen wurde von dem Licht der Sonne bescheint und glitzerten verführerisch. In diesem Moment sah er ein kleines bisschen aus wie ein Gott.
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'Bin Ich hübsch, Mama?'
Teen FictionIch bin als Monster geboren worden, werde als Monster weiter leben und auch als eines Sterben. Zwischendurch versuche Ich ein Mensch zu werden.