1998 - Teil 1

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„I'm pressing for an answer

I never should have asked her

I'm pressing for an answer

But I never should have asked her"

- Hear Me Out – Paradise Fears

Erst drei Monate später konnte ich wieder nach Hause gehen. Drei Monate mit Rehabilitation für mein rechtes Bein, welches bei dem Unfall viel mit einstecken musste. Drei Monate in denen ich versucht habe mit den starken Kopfschmerzen klarzukommen, die sich nach den schweren Hirntrauma entwickelt hatten und zum Glück zu keine weiteren Verletzungen geführt haben. Drei Monate in denen meine Narbe an der Wange so gut wie verheilt war, aber immer noch zu sehen war und mir neben meinen nicht vorhanden Arm weitere Schwierigkeiten machte. Drei Monate in denen ich neben bei betreut wurde und mit einem jungen Mann Gespräche geführt habe, die über nichts anderes gingen als meinen Vater. Der tot war. Verstorben. Bei einem Autounfall, den ich überlebt habe.

„Ach nichts, ich hab' mich nur gerade gefragt, warum wir so etwas früher nie getan haben."

 „Die Zeit war nicht die Beste, um..."

  Wann würde die Zeit kommen? Ich hatte oft daran gedacht, wie lange es wohl noch dauern würde und ich bin zu keiner plausiblen Antwort gekommen, außer, dass mein Tod ein Wiedersehen unserer Seelen bedeuten würde. Doch ich wusste nicht ob ich das wollte. Es waren drei Monate in denen ich an meine Grenzen gehen musste: körperlich wie seelisch. Ich hatte schreckliche Alpträume, die mich nachts Schweiß nass hochschrecken ließen. Von Bildern geprägt, die den Unfall in Millisekunden wieder und wieder abspielten. Und die einzige die da war, war Tante Maja. Sie hielt mich in ihren Armen und ließ mich nicht mehr los, bis auch ihre Tränen, um ihr verstorbenen Bruder getrocknet waren. Sie war mein Anker in dieser Zeit der unendlichen Leere und gleichzeitige Fülle des eiskalten Wassers. Meine Mutter kam einmal die Woche, um nach den rechten zu sehen und Papierkram zu unterschreiben.

„Sei nicht so hart zu ihr", sagte Tante Maja, als wir eines Abends draußen im Park des Rehabilitationsklinik saßen, „Sie hat ihren Mann verloren."

  „Aber ich bin doch noch da. Ihre Tochter. Verdammt, ich lebe doch noch!", wie ein kleines Kind habe ich meine Hände zu Fäuste geballt und meine Stimme erhoben. Darauf konnte Tante Maja nichts antworten und das erwartete ich auch nicht. Ich erwartete, dass meine Mutter, mich in den Arm nahm und mir versprach, dass wir diesen Verlust gemeinsam durchstehen würden. Aber es gab kein Band, was uns zusammen hielt. Papa war tot.

Und jetzt nach drei Monaten setzte mich Tante Maja in ihrer alten Rostlaube mit meinen Koffern bei meiner Mutter Zuhause ab, nur das es sich nicht mehr anfühlte, als würde ich dort hingehören. Papa war der einzige bei dem ich sein wollte. Und es schmerzte so über ich nachzudenken, dass ich ihn manchmal einfach vergessen wollte.

 „Ich glaube, dass ist keine so gute Idee", ich blieb auf den Beifahrersitz sitzen ohne Anstalten aufzustehen und mich in das Haus meiner Mutter zu begeben.

„Sie hat dich vermisst, Marie."

 „Das stimmt nicht."

„Sag so etwas nicht."

'Bin Ich hübsch, Mama?'Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt