1997 - Teil 2

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„Well since I met you all these questions keep me guessing here

Like what was life before and what happens when you disappear?

Cause every word that you say is pulling me closer

And now you're finding your way away from my bed to my bones to my head and now I know"

- Sentiment – Paradise Fears

Nach der Hochzeit von Tanta Maja war das Ende der Sommerferien der aufregende Neubeginn an meiner neuen Schule. Das Gymnasium war eigentlich immer ein Wunschtraum gewesen, etwas was noch so weit in der Ferne gelegen hatte und worüber man mit einem freudigen aber auch weinenden Auge gelacht hatte. Denn was war schon das Gymnasium, wenn nicht die nächste Stufe der Hölle? Anstatt wie auf der Grundschule mit den Kindern Verstecken, Fangen oder Mutter-Vater-Kind zu spielen, saß man dort cool auf Bänken, Treppen oder sogar den Steinboden herum und unterhielt sich mit den Klassenkameraden. Es gab keine Streitschlichter, die mit Warnwesten und stolzer Miene den Schulhof entlang liefen, sondern Jugendliche, die mit Zigaretten und selbstgedrehten Joints in den Toiletten rauchten oder vor der Schule ihr Zeug an andere vertickten. Es war der Ort, wo pubertierenden Jungs und Mädchen andere nach ihrem Aussehen beurteilten. Und alleine daran zu denken, was man mit ihr als potenzielles leichtes Opfer anstellen könnte, bereitete mir schon Tage davor Bauchschmerzen.

Papa sprach mir andauernd Mut zu und versuchte mich mit Ausflügen und Beschäftigungen abzulenken, aber es half nicht sehr viel. Dennoch war ich ihm dankbar und atmete seinen typischen Duft ein, der mild, aber so angenehm war.

Auch Tante Maja lenkte mich ab, nachdem sie von den Flitterwochen auf den Fidschi-Inseln zurück gekommen war. Wir gingen shoppen und probierten verschiedene Bikinis an, die gerade im Sommerschlussverkauf preisreduziert waren. Ich musste eingestehen, dass sie unheimlich gut aussah. Jeder Bikini stand ihr ausgesprochen gut und ihr flacher sonnen gebräunter Bauch und die vom Sport kräftigen Beine, ließen mich schwächer aussehen. Ich fühlte mich aber hübsch, als ich einen dunkelblauen Bikini anzog, der eine höher geschnittenes Höschen hatte und von meinen nicht vorhanden Arm ablenkte.

„Du siehst gut aus, Marie", Tante Maja steckte den Kopf in die Umkleidekabine und strahlte mich von oben bis unten an, „Den nehmen wir!"

Und lachend bezahlten wir unsere Bikinis, gingen wie zwei Freundinnen unter einander gehackt in ein Café und bestellten uns jeder ein großes Stück Kuchen. Es war ein wirklich fabelhafter Tag gewesen.




„Hast du deine Tasche?"

„Ja."

„Und den Fotoapparat?"

„Jaaa!", genervt verdrehte ich die Augen und schulterte meine große neue schwarze Tasche über meine Schulter, die mir Papa extra zum neuen Schulanfang gekauft hatte. Ich stand vor dem Spiegel und prüfte mein Aussehen, als ich Papa die Treppe runter kommen sah mit einem stolzen Grinsen im Gesicht und frisch rasierten Bart.

„Du duftest heute gut. Welches Parfüm?"

„Havana", Papa stellte sich hinter mich und fuhr sich noch einmal durchs Haar, „Ich hab' die Schultüte hier gelassen."

'Bin Ich hübsch, Mama?'Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt