2001 - Teil 2

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„But you taught me to be the person that I'm meant to be

So maybe for once we can settle the score

Because the road to my heart leads me straight to your door

Through all of these years I've never been anything more

Than Yours Truly"

- Yours Truly- Paradise Fears

„Liebling, du hörst dich nicht an, als wärst du in ihn verliebt, du hörst dich an, als würdest du verzweifelt versuchen dich an kleine Stücken von Zuneigung festzuhalten, die wie kleine Splitter dein Herz durchbohren", sagte Tante Maja am Telefon und seufzte mitfühlend. Ich brauchte jemanden zum reden und obwohl ich sie zum ersten mal darum bat, mir zu helfen, ja mir einfach zuzuhören, war es unglaublich anstrengend und ich hatte das Gefühl, sie wollte mir die Liebe ausreden.

„Ich habe ihn geliebt, wirklich."

„Wenn deine Augen noch rot sind von weinen letzter Nacht, du aber jeden, der dich passiert, anlächelst, als wäre nicht geschehen, dann, Marie, Liebling, ist das nicht Liebe. Und wenn er deine Träume mit seinen Worten beschmutzt und sagt, dass deine Gedanken verrückt sind, dann ist auch das nicht Liebe."

Ich schüttelte den Kopf und bemerkte erst kurz danach, dass sie das ja nicht sehen konnte. Ich legte mich rücklings aufs Bett und starrte Gedankenverloren zur Decke.

„Was weißt du schon von Liebe, hu? Nur weil wir nicht immer auf einer Wellenlänge geschwommen sind, heißt das nicht, dass wir nicht die gleichen Perspektiven teilten."

„Wenn er dich zu etwas bringt, was du niemals wolltest, dann hör' auf dir einzureden, dass das die wahre, einzige Liebe ist. Liebe ist keines Wegs etwas wo für du dir Entschuldigungen ausdenken solltest. Marie, das war und ist keine Liebe", sagte sie klar.

Ich musste mir eingestehen, dass sie recht hatte. Sie wusste mehr als ich geahnt hatte und erst jetzt bemerkte ich, wie sehr sie auch auf mich geachtete hatte, als ich glaubte niemand würde es tun. Sie wusste von dem Alkohol und sie wusste von dem Rauchen von Drogen und Zigaretten, doch ich war mir sicher, dass sie nichts von der Wertlosigkeit gespürt hatte, die ich während unseres Sexes empfand oder die Freiheit, die ich glaubte, ein klein wenig in der Nacht an der Tankstelle gefühlt zu haben. Jonas war wie Ying und Yang: er hat mir zahlreiche Gefühle gegeben, die ich eindeutig zu „Gut" und „Böse" zuordnen konnte. Doch was war mit den restlichen tausend Gefühlen, die ungerührt in mir schlummerten? Die Tage an denen er mir nicht antworte, mich nicht fragte, wie es mir ging?

"Du musst loslassen, Liebling", sagte sie sanft.

 „Ich weiß...", ich drückte das Kissen fester an meine Brust, „Ich weiß, dass ich muss."

„Dann tu es, lass ihn los."

 „Ich kann noch nicht, Tante Maja. Ich weiß, er hat mir wehgetan, immer und immer wieder, aber ich glaube, wenn ich ihn jetzt loslasse, dann kann ich niemals wieder jemanden so nah an mich heran lassen."

Ich setzte mich wieder auf und blinzelte meine Tränen weg.

„Ich weiß, du kannst es nicht verstehen, aber ich habe so viel Energie in diese Beziehung gesteckt. Ich habe ihn so viel von mir gegeben, dass..."

Ich verstummte.

„Ich glaube, ich verstehe. Du hast ihn mit so einer intensiven Liebe geliebt, dass du nun ausgelaugt und erschöpft bist, und alles was er getan hat, war dich zu verletzen", sie machte eine Pause und ihre Stimme wurde weicher, „Aber wenn du die falsche Person so doll lieben kannst, dann stell dir vor, wie es sein wird, wenn du die richtige Person liebst."

 Bewegungslos blieb ich sitzen.

Der erste Gedanke, der mir in den Sinn kam, war Paul.

♦♦ ♦♦

Paul war der rote Faden. Die Parallele in meinem Leben. Mein einziger Anker. Ich glaubte, dass ich ihn liebte. Ich legte mit einem kurzen Tschüss auf und schmiss das Telefon auf mein Bett. Ich zog meine Jogginghose und mein altes T-Shirt aus und kramte in den Schrank nach einem knielangen Kleid, dass ich vor Jahren einmal gekauft hatte. Es passte wie angegossen und ich musste mich selbst im Spiegel anlächeln. Alles würde gut werden.

Ich ignorierte die Stimmen in meinem Kopf, die sich leise ganz hinten irgendwo in Kanon ankündigten. Ohne zu überlegen schnappte ich mir meine Jacke und zog sie auf den Weg die Treppe hinunter an. Ich joggte den schmalen Weg entlang zu Pauls Haus und der kalte Wind, der mir entgegen schlug ließen meine Gedanken Konturen annehmen, sie wischten ein klein wenig den Zweifel weg. Als ich in den Vorgarten von Paul bog, nahm ich zwei Stufen auf einmal die Verandatreppe hoch und klingelte ohne zu Zögern an der Tür. Ich war voller Tatendrang und mein Leben schien auf einmal eine Art Wende zu nehmen. Paul war der Schlüssel zu allem. Die Tür öffnete sich und Paul schaute mich regungslos an. Seine Haare bewegten sich in der leichten Brise, doch sein ganzer Körper war wie fest gefroren.

„Ich bin hier. Ich bin dein", rief ich verzweifelt mit einem Lächeln auf meinen Lippen und strahlenden Augen, „Ich liebe dich. Alles was du tun musst, ist mich reinzulassen."

Er starrte mich an und blieb weiter im Türrahmen stehen, sodass ich keine Chance hatte in sein Haus zu kommen.

„Marie....", setzte er an, doch seine Stimme verlor sich.

 „Alles ist gut", versprach ich ihn und machte einen Schritt auf ihn zu, „Ich liebe dich auch."

 „Es ist nicht so einfach, Marie. Du kannst nicht einfach herkommen und von mir erwarten, dass ich einfach deine Liebe akzeptieren soll."

Wind kam auf und zog an meinen Kleid. Ich kam mir dumm vor, es extra für Paul angezogen zu haben.

„Es ist nicht so einfach", wiederholte ich seine Worte leise, „Ich meinte nicht, dass es einfach ist. Ich wollte nur..."

„Nein. Hör zu. Ich glaube nicht das du verstehst. Dies hat rein gar nichts damit zu tun 'sich für die Liebe zu öffnen'. Oder für irgendein anderen Scheiß. Das ist keine Wahl."

Er distanzierte sich von mir. 

 „Alleine sein. Zerbrochen zu werden. Mein ganzes Leben hast du mir das Gefühl gegeben, dass ich Liebe nicht verdiene. Besonders deine. Du hast mich gebrochen, Marie, du lässt mich fühlen, als wäre ich es nicht wert geliebt zu werden. Und ich weiß, dass es unfair und nicht logisch ist, aber ich fühle nun mal so. Ich kann nicht hier stehen und wissen, dass du mir vor ein paar Monaten gesagt hast, dass du mich nicht liebst, und jetzt soll ich mich absichtlich dafür entscheiden, dich hereinzulassen und dir die Erlaubnis zu geben mich zu lieben? Nein Marie, das kann und werde ich auch nicht."

„Ich vermiss' dich", flüsterte ich leise.

„Ich kann nicht auf hören daran zu denken, wie du mir immer gesagt, wie sehr du ihn vermisst hast", er schaute mich traurig an, „Ich war immer deine zweite Wahl."

Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich merkte wie alles um mich herum verschwamm.

 „Nun, ich vermisse dich nicht mehr", antwortete er und schloss die Tür.

Eine ungeheuerliche Kälte breitete sich in mir aus.

Ich blieb eine Ewigkeit dort stehen und hypnotisierte die geschlossene Tür vor mir, bis ich endlich aus der Starre erwachte und langsam wieder auf die Straße zu ging. Mein Kopf war leer und ich hatte das Gefühl, meine Füßen würde ohne Kontrolle über den Boden in Richtung Felder gleiten. Das hohe Gras und die großen Bäume, die einen tiefen Wald eröffneten, erschlugen mich förmlich.

Es dämmerte leicht.

 Blutrot und stumm hallte mein Schrei durch die graue Nacht. Verklang im Wald der Vergangenheit. Verschwunden. So wie Paul. Und nichts was ich auch versuchte brachte mich ihm nahe.


'Bin Ich hübsch, Mama?'Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt