1999 - Teil 2

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„And as the years and years went by,

and we fell less and less in love,

we slowly stopped complaining about

what our parents did to us"

- Who We Where With - Paradise Fears


„Guten Abend, Sie sehen gut aus", Jonas lehnte locker am Türrahmen und hielt Smalltalk mit Tante Maja. Ich versuchte mir rote Farbe auf die Lippen zu schmieren und meine Narbe auf der Wange mit Makeup abzudecken, bis mich das Klingeln hochschreckte. In panischer Hektik, dass Tante Maja irgendetwas falsches sagen würde, ließ ich den Lippenstift da wo er war und schüttelte noch einmal meine locken durch, die ich versucht hatte mit Schaumfestiger zu bändigen.

 „Dankeschön, junger Mann, da werde ich ja ganz rot mit meinen 34 Jahren", lachte Tante Maja und zwinkerte ihn verschwörerisch zu. Jonas setzte sein unwiderstehliches Grinsen auf und flirtete ungeniert mit meiner Tante weiter, bis ich mich an ihr vorbei drängelte.

 „Er gehört mir", sagte ich verliebt und holte seine Hand aus seiner Hosentasche, um sie halten zu können. Obwohl es meine Tante und sie glücklich verheiratet war, war ich eifersüchtig darauf, dass Jonas ihr so Aufmerksamkeit widmete. Mir kam es vor, als sei ich das fünfte Rad am Wagen in diesem komischen Gespräch.

„Dass will ich nicht bestreiten", sagte Tante Maja und schloss die Tür hinter uns. Jonas wollte mich heute zu einem Club mitnehmen, dessen Besitzer ihn kannten und somit umsonst reinlassen würden. Es war aufregend jemanden zu haben, der überall seine Kontakte hatte und an Sachen herankam, an denen ich selbst nie heran gekommen wäre. Mein Handy klingelte, als wir gerade auf dem Weg waren. Entschuldigend ließ ich seine Hand los, die er sofort wieder in seine Hosentasche verschwinden ließ, und kramte das Handy aus meiner Handtasche hervor. Mit einem kurzen Blick auf das Display, verweigerte ich den Anruf.

  „War nur Paul, wahrscheinlich wegen den Hausaufgaben", sagte ich entschuldigend und warf Jonas einen Blick von der Seite zu.

„Es sind Sommerferien", erwiderte er, die Kälte in seiner Stimme machte mir Angst.

„Du kennst ihn nicht, er macht sich wahrscheinlich nur Sorgen", versuchte ich Pauls Verhalten zu entschuldigen.

 „Natürlich", sagte Jonas gleichgültig und würdigte mir keines Blickes mehr bis wir am Club ankamen. Wie unter Beschuss lief ich mit eingesunken hinter ihm her. Mir entging nicht der Blick und das aufflackern seiner Augen, als ihm blonde, gertenschlanke Mädchen in Minirock entgegen kamen und ihn kichernd zuwinkten. Die etwas ältere Frau am Eingang begrüßte er mit einem Kuss auf die Wange. Ich kam mir wie ein unbedeutendes Accessoire vor, wie in ekliges Anhängsel.

 Die Frau zwinkerte mir zu, als ich mich hinter Jonas in den Club rein drängelte.Mir war so unbehaglich zumute, dass ich mich am liebsten umgedreht und gegangen wäre. Jonas hätte das noch nicht einmal bemerkt, so viele Freunde oder wenigstens Bekannte hatte er hier mit denen er laut stark hätte feiern können. Trotzdem blieb ich, weil es mir das Herz zuschnürte, wenn ich nur daran dachte, er könnte etwas mit einer anderen anfangen, ohne sich auch noch einmal nach mir umzudrehen. Jonas bestellte mir etwas an der Bar und ließ mich dann für einen Augenblick, der sich nach ein paar Minuten in die Unendlichkeit erstreckte. Die meisten ließen mich in Ruhe und ließen mich ein kleines, schüchternes Mädchen mit nur einem Arm an der Bar bleiben, jedoch andere, meist zu besoffene oder bekiffte Gruppen lachten mich aus oder an, wer weiß das schon, und ließen eins zwei blöde Kommentare ertönen.So gut wie es ging konzentrierte ich mich auf meinen Drink, der eigentlich hätte eine Cola sein sollen, aber einen kräftigen, etwas anderen Nachgeschmack hatte als sonst. Der Barkeeper gab mir zum Trost einen Joint und ich zog ohne zu Zögern daran.

'Bin Ich hübsch, Mama?'Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt