„Sometimes we feel so scared and sick
that we just love who we are with"
-Who We Were With - Paradise Fears
Es war abends, 23.00 Uhr, ich saß auf meiner Fensterbank und hielt eine brennende Zigarette auf meinem Arm. Es war ein schönes Gefühl, so warm. Es war als wäre das, dieser Schmerz, mein zu Hause, mein bester Freund. Es tat so gut. So gut, dass ich für einen Moment den seelischen Schmerz vergessen konnte. Es war eine Art Betäubung für mich und ich merkte, wie ich mich langsam entspannte. Es war meine Bestrafung, mein Bedürfnis, jetzt konnte ich weiter atmen, wenigstens für ein paar Stunden.
So dachte und fühlte ich. Wenn ich mich schnitt, ergab das den gleichen Effekt.
Ich konnte nicht sagen, ob das am Blut, dem Schmerz oder meinem Gewissen lag, aber es tat mir einfach gut. Viele Menschen hielten mich wahrscheinlich für bekloppt, doch diese Menschen kannten mich nicht. Sie kannten nur das glückliche Mädchen, das immer lachte, aber sie wussten nicht, dass es eine Maske trug. Die Maske war ein Schutz vor mir selbst, vor anderen und für andere. Denn so weiß absolut niemand, wie es mir wirklich ging, wie ich mich fühlte, was ich dachte und wie ich drauf war. Auch ich weiß, dass dann selbst nicht mehr genau.
Mittlerweile war die Zigarette ab gebrannt und ich schmiss das glimmende Ende aus dem Fenster. Ich ging ins Bad um mich frisch zu machen. Ich glaube nicht, dass meine Mutter irgendetwas mit bekam oder dass es sie überhaupt interessieren würde. Ich war mir tausend Prozent sicher, dass Tante Maja auch nicht so viel wusste, wie sie vorgab zu wissen. Sie wussten nichts vom Selbstverletzen, von meinen Gefühlen und Gedanken.
Als ich wieder in mein Zimmer kam verdunkelte ich es, weil ich die Helligkeit nicht mehr ab konnte, legte mich erschöpft auf das Bett und schaute an die Decke. Es war meine Lieblingsbeschäftigung geworden. Ich döste irgendwann einfach ein.
Als ich später aufwachte, merkte ich, dass mein Magen sich vor Hunger verkrampft hatte. Am liebsten würde ich aufstehen und etwas essen, aber mir fehlte die körperliche Kraft fehlt und so blieb ich einfach liegen und redete mir den Hunger aus. Ich holte die Klinge aus meiner Hosentasche, hob mein T-Shirt hoch und sah Narben über Narben. Manche älter, manche ein-zwei Tage alt. Ich setzte an und ließ die Klinge langsam, aber tief und bestimmt über meine Haut gleiten. Ich sah zu wie sich meine Haut spaltete. Ich sah zu, wie das Blut anfing zu fließen. Der Schmerz, den ich langsam spürte, zeigte mir, dass ich noch lebte oder zu mindestens noch existierte. Ich konnte zwar wieder atmen, der Druck ist weg und die Angst zu ersticken in den Tränen, aber ich hatte das Bedürfnis mich zu offenbaren. Mich zu zeigen.
Ich stand langsam und schwerfällig auf und kroch fast schon zu meinem Schreibtisch. Müde ließ ich mich auf den Drehstuhl fallen und saß mir auf einmal selbst im Spiegel gegenüber.
Fettige Haar, eklige Pickel, rote Augen, tiefe Narbe auf der Wange, blaue Augenringe, aufgerissenen Lippen – oh Gott, schau dich doch nur an! Du bist hässlich. Abstoßend. Ein fettes Schwein.
„Nein, nein, nein, dass bin ich nicht", knurrte ich leise. Mein Gesicht im Spiegel verzog sich zu einer Fratze.
Haha, wie lustig es doch ist, dass du dir immer noch einredest, dass du geliebt wirst. Dass du zu etwas fähig bist. Schau dich noch einmal genau an: Was siehst du?
Ich konzentrierte mich auf mein Spiegelbild.
Ich sehe ein Häufchen Elend, dass es noch nicht einmal mehr schafft aufzustehen. Du bist unansehnlich. Unattraktiv.
Und dass schlimmste war, je länger ich mich im Spiegelbild betrachtete, desto mehr sah ich das alles auch. Ein Entsetzen breitete sich in mir aus. Sofort wand ich den Blick ab und öffnete unten eine Schublade, in der sich Alkoholflaschen an einander reihten. Ich nahm die erst Beste heraus und nahm ein großen Schluck. Ich merkte wie mir warm wurde, wie sich alles kristallisierte.
DU LIEST GERADE
'Bin Ich hübsch, Mama?'
Teen FictionIch bin als Monster geboren worden, werde als Monster weiter leben und auch als eines Sterben. Zwischendurch versuche Ich ein Mensch zu werden.