Kapitel 6

3.2K 65 0
                                    

Zuhause angekommen habe ich kaum noch Kraft und meinen Schulter schmerzt mittlerweile unerträglich. JJ muss mich ins Haus tragen und das obwohl er wesentlich mehr abbekommen hat als ich.
Aber ich bin zu erschöpft.
Er setzt mich aufs Sofa und kniet sich vor mich.
„Kannst du den Verbandskasten aus dem Bad holen?" frage ich
„Klar. Wo genau?"
„Im Schrank unter dem Waschbecken ganz unten."
Nach nicht mal einer Minute ist er wieder da.
„Komm her."
Er schaut fragend.
„Jetzt mach schon. Knie dich wieder da hin."
Ich zeige auf den Boden vor mir.

Ich desinfizierte mir die Hände mit einem Tuch und taste vorsichtig seine Wunden an Stirn und Mund ab bevor ich beide desinfiziere. Er winselt leicht aber ich verkneife mir das Lachen...
„Das da oben muss ich tapen." sag ich etwas besorgt.
Die Platzwunde ist etwas zu tief, als dass er sie einfach so verheilen lassen könnte.
„Was?" fragt er verwirrt.
„Vertrau mir einfach" sag ich lachend.
Er hat keine Ahnung von Medizin oder geschweige denn Erste Hilfe.
Ich tupfe seine Wunde vorsichtig ab und fixiere sie dann mir zwei weißen Tapes.
„Fertig. wie geht's deinem Bauch?"
„Wird blau aber tut nicht mehr weh wie vorhin."
„Dann ist ja gut." antworte ich erleichtert.
„Woher kannst du das so gut?"
„Was?"
„Na den ganzen Arztkram?"
„Ich hab in den Ferien immer als medizinische Helferin gearbeitet wenn ich nicht gerade hier war."
„Und wie hast du das mit Rafe angestellt?"
„Mein Patenonkel..."
„Dav?"
Er hatte sich seinen Namen gemerkt.
„Ja. Er arbeitet bei der Polizei. Er hat mich seit ich 12 bin mir zum Kampftraining genommen."
„Warum denn das?" fragt er also wüsste er, dass ich das alles nicht zum Spaß gelernt hab...
Ich schaue weg...ich will ihm das noch nicht erzählen.
Nein ich will nicht mal daran denken.
„Hey" er nimmt meine Hand „Du musst mir das nicht jetzt erzählen. Wir haben Zeit."
Ich lächle.
„So jetzt bist du dran. Schulter her!"
„Du hast doch keine Ahnung wie das geht!" ich lache.
„Dann sagst du mir eben Schritt für Schritt was ich machen muss."
Es war sein voller ernst und ich war dankbar, denn mich an dieser Stelle selbst zu verarzten wäre wirklich schwierig geworden.
Ich erkläre ihm alles Schritt für Schritt und im Gegensatz zu meinen Befürchtungen stellt er sich erstaunlich gut an.
Als er mir das ziemlich riesige Pflaster auf die Wunde klebt sag ich nur „Sie haben ihren Doktor in Erste Hilfe erfolgreich bestanden Mr. Holmes.".
Er lacht „ Dr. Holmes jetzt bitte!".
Wir beide lachen und er erzählt mir woher der Spitzname eigentlich kommt.
Das dauert eine Weile aber die Geschichte ist zu spannend, als dass ich jetzt schlafen und er mir sie Morgen zu Ende erzählen müsste. Auch wenn Ich manche Teile der Geschichte schon kenne.
Und so ist es schon ziemlich spät als ich in mein Bett gehe und ihn auf dem Sofa zurück lasse.
Diesmal lass ich jedoch meine Zimmertür offen, damit es sich wenigstens etwas so anfühlt also wäre er bei mir.
Ich nehme noch eine Schmerztablette und kuscheln mich dann in meine Decke ein.

Mitten in der Nacht werde ich von schreien gewegt.
Sie klingen schmerzhaft, wütend und zu gleich angsterfüllt.
Ich schrecke hoch. „JJ!" flüster ich voller Angst und springe aus dem Bett.
Ich glaube ich bin noch nie so schnell eine Treppe unten gewesen wie in diesem Moment.
Ich renne zu ihm ins Wohnzimmer. Niemand ist da.
Er hat einen Albtraum. Ich knie mich neben das Sofa.
„JJ.JJ. Ruhig ich bin da. Es ist nur ein Traum. shhhh."
Er kommt zu sich. Eine Träne rollt über seine Wange.
Ich nehme ihn in meine Arme und halte ihn fest, wärend er mich an der Hüfte zu sich zieht und in Tränen ausbricht...
„Es war nur ein Traum. Alles wird gut. Ich bin hier." flüster ich ihm leise ins Ohr wärend ich selbst anfange zu weinen. Was ist bloß los mit ihm? Was verfolgt ihn so heftig in seine Träume, dass er so zusammen bricht?
„Bitte geh nicht!" wimmert er zwischen den Tränen.
„Ich lass dich nie wieder alleine!" sag ich ruhig und in der Hoffnung, dass er nicht merkt, dass ich mittlerweile auch weine.
Wir bleiben in dieser Umarmung bis sein Schluchzen weniger wird. Dann löse ich mich von ihm und stehe auf.
„Komm" ich strecke ihm meine Hand entgegen.
Er schaut mich mit glasigen Augen fragend an. Seine Wangen sind rot, die Haare zerzaust und der nackte Oberkörper leicht verschwitzt.
„Wir gehen ins Bett. Ich hab doch gesagt ich lass dich nicht mehr alleine."
Das lächeln gehrt in sein Gesicht zurück wärend er meine Hand ergreift und mir in mein Zimmer folgt.

Oben schließe ich hinter uns meine Zimmertür wärend er sich auf mein Bett fallen lässt.
Ich setze mich neben ihn.
„Willst du drüber reden?" frage ich vorsichtig.
Er greift meine Hand und drückt sie fest.
„Mein Dad..." bringt er raus bevor seine Stimme versagt.
„Er hat dich geschlagen oder?" sage ich mir zitternder Stimme.
„Manchmal nicht nur das..."
Es reicht mir um mir auszumalen was er durchgemacht haben muss.
Ich lasse mich nach hinten neben ihn fallen und kuschel mich fest an ihn.
Er hält mich noch fester als er merkt wie mir die Tränen über die Wangen auf seine Brust rollen.
Doch dann löst er sich von mir und setzt sich mit dem Rücken zu mir auf.
Ich bin verwirrt...war was falsch?
Ich zittere.
„Er hat mich ständig geschlagen und für sein schlechtes Leben verantwortlich gemacht.
Er hätte mich schon mehrmals fast umgebracht und ich ihn dann irgendwann auch fast aus Wut und Schmerz darüber was er mir alles angetan hat...letztes Jahr hab ich ihm dann zur Flucht aus dem Gefängnis verholfen in der Hoffnung ihn endlich los zu sein. Doch es kommt immer wieder hoch!" brodelt es aus ihm raus.
In dem Moment fühlt es sich an als würde ich seinen ganzen Schmerz mit ihm Teilen können.
Ich sitze kurz einfach nur da und lasse meinen Tränen freien lauf wärend er aufsteht und aus dem Fenster raus aufs Meer schaut.
Ich folge ihm und dreh ihn dann so zu mir, dass er statt aufs Meer in meine Augen sieht.
„Er hätte es verdient" sage ich „Einen Sohn wie dich zu haben ist das größte Glück. Er sollte sich schämen dich im Stich gelassen zu haben!" sage ich zwar leise aber man merkt die Wut die in mir mitschwingt.
Ich umklammer ihn im gleichen Moment in dem ich den Satz beendet habe und er drückt mich erleichtert an sich.
„Ich hatte nicht erwartet, dass du das verstehst..."
„Hast du dich deswegen weggedreht?"
„mhhh...Ich wollte die Verachtung mir gegenüber nicht in deinen Augen sehen..."
„Die Verachtung gilt nur deinem Vater!"
Er legt die Hand an mein Kinn so das wir uns anschauen.
Unsere beiden Augen sind glasig, ich verliere mich kurz in seinen Blauen, die tiefer reichen als das Meer und mich auf eine unbekannte Art und Weise beruhigen. Dann schaue ich auf seine Lippen.
Sie sind nur noch wenige Zentimeter von meinen entfernt und ich kann seinen kühlen Atem spüren.
So stehen wir da, bis ich es nicht mehr aushalte und mich auf Zehenspitzen stelle und meine Lippen endlich seine berühren...
Er zieht mich so fest an sich, bis jeder Zentimeter meines Körpers seinen berührt und ich vergrabe meine kleinen Hände in seinen blonden Haaren.
Der längste erste Kuss meines Lebens, in dem sich all die Spannungen des letzten Abends und der Nacht entladen...

Als sich unsere Lippen sich trennen hebt er mich hoch und küsst mich nochmal kurz bevor er mich ins Bett legt und sich dann von hinten an mich kuschelt.
„Du bist wunderschön Cupcake!" sagt er während ich seinen langsamen Atem in meinem Rücken spüre.
Ich nehme seine Hand die auf meiner Hüfte liegt und küsse sie bevor ich sie wieder dahin zurück lege.

Outer Banks - welcome home || 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt