Kapitel 66

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Ich setzte mich auf mein Bett und dachte über Carla nach.
Das konnte doch nie im Leben die gleiche Person sein, die immer andere verprügelt hat, wenn sie mich in der Schule geärgert haben.
Sie hatte immer auf mich aufgepasst und auch, wenn wir sehr verschieden waren, gab sie mir nie das Gefühl, dass unsere Freundschaft nicht lange halten würde.
Ich habe Carla in der Schule kennengelernt und wir verstanden uns auf Anhieb gut.
Sie wusste aus irgend einem Grund immer wo ich war und mit wem.
Ich und Carla sind zusammen aufgewachsen und mir tut es im Herzen weh, dass ich sie nicht mehr in meinem Leben habe.
Wir stritten uns nie und auch, wenn habe ich ihr immer verziehen.
Ich verzeihe Menschen, weil, auch wenn sie mir wehtun, ich Angst habe sie zu verlieren.
Carla war immer beliebter als ich und hatte viel mehr Freunde.
Aber ich weiß jetzt, dass es kein Erfolg ist 100 Freunde zu haben, sondern eine, die wirklich bleibt.
Früher bin ich immer zu Carlas Haus gerannt, wenn mein Vater mich mal wieder geschlagen hatte und sie hat mich dann immer getröstet.
Carla konnte meinen Vater nicht ausstehen, sie sagte noch nicht mal ,,dein Dad" sondern immer ,,Arschloch" oder ,,Alkoholika" zu meinem Vater.
Es ist witzig, wie Freundschaften zerbrechen.
Vor 9 Monaten waren ich und Carla noch zu Hause und haben Netflix geschaut und einander versprochen auf ewig beste Freunde zu bleiben, und heute sind wir fast Feinde.
Mein Vater hatte mir mal als Kind gesagt, dass Verrat nie von Feinden kommt, sondern immer nur von Freunden.
Diesen Satz verstehe ich jetzt.
Ich bin sauer auf Carla und ich werde ihr auch nie verzeihen, aber sie wird immer einen Platz in meinem Herzen haben.
Sie war die Schwester, die ich nie hatte.

Ich lehnte mich an mein Fenster und schaute hoch in den Himmel.

,,Hi Gott,
langsam glaube ich das ich dich mit meinen Problemen nerve, aber ich habe sonst niemand anderen, der mir zuhört, mich aber nicht verurteilt.
Ich habe gerade meine beste Freundin seit der ersten Klasse verloren.
Ich weiß, es ist besser so, aber es tut dennoch weh.
Eh was ich dich fragen wollte ist...
Warum hasst du mich so sehr?
Ich meine ja ich bin körperlich gesund und habe essen auf dem Tisch aber ich meine damit warum du mir alles nimmst?
Im Leben hat alles einen Grund, aber warum hast du mir Carla weggenommen?
Oder meine Eltern?
Warum musste mein Vater Alkoholika sein?
Es ist so frustrierend, mit jemanden zu reden, der dir sowieso nicht antwortet.
Ich hatte gedacht das, wenn ich auf das College gehe, ich ein neues Leben anfangen könnte, aber hier wurde es nur noch schlimmer.
Wann kann ich endlich leben?
Wir Menschen warten unser ganzes Leben auf irgend welche Sachen.
Wir warten zum Beispiel bis es Wochenende wird oder bis der Monat um ist, wir warten auf das neue Jahr oder vielleicht sogar auf unserem Schulabschluss.
Wir warten auf unseren Sommerurlaub oder darauf endlich unseren Führerschein zu machen.
Wir warten auf so viele Dinge und malen uns diese Bilder im Kopf aus das, wenn wir nur noch etwas warten unser Leben gut wird und das wir wirklich anfangen zu leben.
Ich habe mir früher immer, wenn ich traurig war, gesagt das ich nur noch ein paar Jahre aushalten muss bis ich auf das College gehe, heirate, Kinder kriege und so weiter bis ich endlich glücklich bin, aber ich bin nicht glücklich.
Jetzt gerade warte ich darauf das, dass alles hier ein Ende hat, aber auf was warte ich als Nächstes?
Auch wenn es nur kleine Dinge sind, wir Menschen warten immer auf Sachen, die in der Zukunft passieren, sei es eine Verabredung oder sogar auf unseren Tod.
Ok sorry ich beschere mich gerade wieder über mein Leben bei dir aber du bist ein wirklich guter Zuhörer.
Es tut mir leid, dass du immer Menschen zuhören musst und keiner dir zuhört, aber, um ehrlich zu sein hast du diese Welt ja auch erschaffen, also ist es unser gutes recht uns über unser scheiß Leben zu beschweren.
Es ist nicht deine Schuld, aber wer wäre für eine Schuldzuweisung besser geeignet, als der der alles erschaffen hat?
Egal, was du mit meinem Leben noch anstellen willst oder wen du mir wegnehmen willst, nimm mir nicht Mason oder Ruby.
Die beiden sind die einzigen Menschen, die noch da sind"

Ich hörte auf, mit einer Gestalt zu sprechen, von der ich von seiner Existenz noch nicht einmal richtig überzeugt war.
Aber es ist egal.
Ich muss nicht an Gott glauben, denn Gott glaubt an mich.
Ich habe eines in meinem kurzen Leben gelernt.
Wenn du von einer giftigen, negativen, beleidigenden, einseitigen oder unglücklichen Beziehung oder Freundschaft weggegangen bist, dann hast du gewonnen.
Auch wenn dein Herz eine Zeit lang weh tut, bist du endlich frei.
Frei, endlich das zu sein, was du schon immer sein wolltest.
Glücklich.

Infinity (GERMAN VERSION)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt