10. Chapter: Halloween

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Es war Halloween, die gruseligste Nacht des Jahres. Kinder, die wie aus einem Fantasiebuch entsprungen schienen, wanderten durch die Straßen. Erwachsene die ausgelassen zu der dröhnenden Clubmusik tanzten, während immer mehr Alkohol floss. Es war, als würde jeder diesen Tag in hellster Aufregung verbringen. Claire bevorzugte es meist jedoch diesen Tag in Stille zu verbringen. Die Angststörung hatte ihr schon vor langer Zeit die große Freude an diesem Fest genommen, auch wenn sie in den letzten Jahren wieder begonnen hatte, sich etwas aus ihrem dämmergrauen Zimmer zu trauen. Allerdings nur mit der großzügigen Unterstützung ihrer beiden besten Freunde. 

 ,, Und? Habt ihr beiden Turteltäubchen auch schon einen konkreten Plan für die heutige Nacht? " , grinste ihr bester Freund Max neugierig, ehe er flüchtig an seinem Morgenkaffee nippte. Die Wangen der Braunhaarigen färbten sich in ein zartes Rosa, als sie nur leicht mit den Schultern zuckte. ,, Nein, nicht wirklich. Wir dachten daran, vielleicht einfach von Haus zu Haus zu wandern und Süßigkeiten einzusammeln, bevor wir den Abend gemütlich bei ihm ausklingen lassen. Ach ja, übrigens werde ich bei ihm übernachten. Das heißt, ihr braucht keine Rücksicht auf mich nehmen. Tobt euch ruhig so richtig schön aus. " Claires freches Grinsen verriet nur all zu gut, was sie mit ihren Worten meinte und nun war Max derjenige, dessen Wangen vor Verlegenheit kribbelten.  

,, Und als was wirst du dich verkleiden? " , wollte der Blonde nach einem weiteren kräftigen Schluck Kaffee wissen. ,, Eigentlich hab ich ja nicht wirklich Lust darauf " , seufzte sie, setzte jedoch schnell mit einem leicht beschwichtigenden Lächeln fort, als sie bemerkte, wie Max sie mit zusammengezogenen Augenbrauen ansah, ,, Aber da er als Joker geht, werde ich mich vermutlich als Harley Quinn verkleiden. Dann passen wir schließlich super gut zusammen. " ,, Klingt nach einer süßen Idee. Aber vergiss nicht dein Medikament vorher zu nehmen " , lächelte Max zufrieden mit ihrer Antwort, woraufhin die Braunhaarige nur artig nickte.

Unsicher warf sie ihrem Spiegelbild noch einen letzten Blick zu, während sie sich immer wieder durch ihr buntgefärbtes Haar fuhr, in der Hoffnung irgendetwas dadurch verschönern zu können. ,, Hey, du siehst gut aus, und jetzt geh schon, bevor er noch ohne dich loszieht " , riss Max sie aus ihren Gedanken, wobei er breit grinsend mit ihrem Handy winkte, worauf eine Nachricht von Hideto aufblitzte. Tief atmete sie noch einmal durch. Die frische Luft in ihren Lungen wirkte beruhigend. Dann nahm sie dem Blonden mit einem dankenden Lächeln ihr Telefon ab, drückte ihm noch ein hauchdünnes Küsschen auf die Wange und verschwand dann mit eilenden Schritten durch die Tür, wobei sie fast ihre Tasche vergessen hätte. 

Hideto wartete bereits unten auf sie. Sein dichtes Haar war zu einem Half Bun zusammengebunden, der selbst die lästigste Strähne in ihre Schranken wies. Die Gesichtstattoos des Jokers sahen so realistisch aus, dass Claire ernsthaft darüber grübelte, ob er nicht doch einfach kurzer Hand zur Tätowiermaschine gegriffen haben könnte. Jedoch war es nicht nur sein Make-Up, auf das sie einen neugierigen Blick warf, sondern auch auf sein beeindruckendes Oberkörpertattoo, das durch sein weit aufgeknöpftes, violett schimmerndes Hemd lugte.

,, Hey, meine Augen sind hier oben! " , riss der Schwarzhaarige sie schmunzelnd aus ihren faszinierten Gedanken. Für einen Moment blickte sie ihn noch verwundert an, ehe sie so stark errötete, wie schon lange nicht mehr. Doch nicht nur dabei erwischt worden zu sein, wie sie starrte, brachte sie so sehr aus der Fassung, sondern auch die Angst, er könnte ihre Faszination für seinen Körper missverstanden haben. ,, Sorry... " , nuschelte sie, während ihre Augen beharrend den seinen auswichen. 

,, Kein Grund sich zu entschuldigen oder sich dafür zu schämen " , lachte Hideto, in dem Wissen, Claire würde durch seine Worte nur noch mehr in Verlegenheit gebracht werden. Dann griff er zärtlich nach ihrer Hand und schenkte ihr ein Lächeln, das die Braunhaarige am liebsten für immer auf seinen Lippen gewusst hätte. Nicht minder verlegen als vorher ließ sie sich von dem Schwarzhaarigen durch die hellbeleuchteten Straßen Dublins ziehen. Der altbekannte Geruch von Cannabis, der an jeder Faser seiner Kleidung hing, strömte durch ihre Nase, als sie sich zögernd an ihn schmiegte. Sein Geruch hatte mittlerweile sogar etwas Beruhigendes an sich, und war auch nicht mehr von ihm wegzudenken.

,, Weißt du, die Art wie du mich vorher angesehen hast, die hat mir gefallen " , unterbrach Hideto plötzlich das Schweigen zwischen ihnen. Obwohl in seiner Stimme Unsicherheit widerhallte, so durchbohrte sein intensiver Blick sie doch bestimmt. Nur kurz blinzelte die Braunhaarige ihn voller Verwunderung an, ehe sie ihr hübsches Antlitz peinlich berührt hinter ihren Händen versteckte. Bei diesem Anblick konnte er nicht anders, als zu schmunzeln. Die Angst, seine Worte könnten sie unwohl fühlen lassen, wich nun der Erleichterung, dass er sie doch nur in Verlegenheit gebracht hatte. Nun wieder vollends amüsiert legte der Schwarzhaarige leise lachend einen Arm um die Kleinere, bevor er ihr einen liebevollen Kuss auf die Schläfe hauchte, was die in Claire wütende Scham wieder ein wenig zur Ruhe kommen ließ.

Nachdem sich das Paar endlich dazu überwunden hatte an dem ersten Haus zu klingeln, sammelten sie Süßigkeit um Süßigkeit ein, auf die sich Claire schon seit dem heutigen Morgen gefreut hatte. Voller Glück streiften sie durch die Straßen, lachten viel und kuschelten auch manchmal miteinander, während sich ihre Kürbiseimer langsam aber sicher immer mehr füllten. Doch schlussendlich wurde der Hunger der Braunhaarigen auf die süßen Leckereien größer als ihre Lust darauf, diese einzusammeln, weswegen sie auch so schnell wie nur möglich nach Hause wollte. 

,, Ach komm schon, Claire! Bei einem Haus klingeln wir noch, damit auch mein Eimer ganz voll wird und dann gehen wir nach Hause " , bettelte Hideto liebevoll und schenkte ihr dabei ein kleines süßes Grinsen, dem die Braunhaarige einfach nichts abschlagen konnte. ,, Na gut, aber nur noch ein einziges Haus! " , stimmte sie schließlich seufzend zu, wenn auch etwas genervt und mit einem kaum merkbaren Augenrollen. Er nickte nur zustimmend, dafür aber überglücklich als Antwort auf ihre Forderung, ehe er sie bis vor die Tür des nächsten Hauses zog.

Als sie vorsichtig geklingelt hatten öffnete eine ältere Dame die Tür. Diese sah zuerst zwischen dem Paar hin und her, ehe ihre fragenden Augen an Hideto hängen blieben und sie ihn mit hochgezogenen Augenbrauen neugierig musterte. Trotz des etwas seltsamen Blicks der alten Frau lächelte der Schwarzhaarige freundlich, als er mit fast kindlicher Stimme sagte: ,, Süßes oder Saures. " Da stand die ältere Dame ihm plötzlich nun ganz überrascht gegenüber und stockte sogar für einen Moment, als ob er ihre gerade über etwas Unglaubliches erzählt hätte. ,, Du kannst ja wirklich sehr gut Englisch. " Nun war auf einmal er derjenige, der die alte Frau entgeistert anstarrte. Hatte sie ihn etwa deswegen die ganze Zeit über so komisch angesehen...? Dachte sie wirklich nur aufgrund seines Aussehens, dass er seine eigene Sprache nicht besonders gut beherrschen würde...? 

Während Hideto in seinen Gedanken immer noch versuchte die Worte der älteren Dame zu begreifen, schlichen sich bereits altvertraute Gefühle in sein Herz. Zuerst flammte rasende Wut in ihm auf, die ihn von innen zu verbrennen drohte. Doch schnell wandelte sich diese zerstörerische Wut in tiefe Traurigkeit, die vergangene Tage zurück in sein Gedächtnis rief. Er begann sich wieder an den Spott in den Worten der anderen und an seine eigene, schreckliche Einsamkeit zu erinnern. Die Gedanken an diese eigentlich längst verstrichene Zeit trieben ihm auf einmal unerwünschte Tränen in die Augen.

Doch noch bevor er der alten Frau in seiner Verzweiflung hätte antworten können, sprach Claire dazwischen, die bis jetzt noch geschwiegen hatte: ,, Ja, mein Freund spricht einwandfrei Englisch! Und wissen Sie, in was er noch alles sehr gut kann? Er kann sehr gut zeichnen, zuhören und Rücksicht auf andere nehmen, was man von Ihnen ja wohl nicht behaupten kann, so taktlos wie Sie sich ihm gegenüber verhalten haben. " 

Nachdem sie auch ihre letzten Worte ausgesprochen hatte, verzog die ältere Dame nur etwas missmutig das Gesicht, ehe sie den beiden die Tür vor der Nase zuschlug. Der Schwarzhaarige, der bis zu diesem Moment noch mit dem Sturm, der in seinem Inneren tobte, zu kämpfen hatte, blickte nun fassungslos zu der Kleineren. Diese schien selbst über sich verwundert zu sein und auch Zweifel spiegelten sich flüchtig in ihren Augen wider, die jedoch schnell verschwanden, als sie in sein tränenüberströmtes Gesicht sah. Vorsichtig stellte sie sich auf Zehenspitzen, ehe sie ihm liebevoll seine salzigen Tränen von den Wangen küsste.

An Ace in BedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt