Einsam saß das Paar unter dem spärlichen Licht der Straßenlaterne und starrte in die nächtliche Ferne, während der Wind ihnen den köstlichen Duft der übrig gebliebenen Pizza in die Nase trieb. Nur das Rascheln der Blätter war zu vernehmen, während eisige Stille sie umgab. Keiner traute sich etwas zu sagen oder hatte auch nur die Kraft dazu. Beklemmung schnürte ihnen die Kehle zu. Die Erinnerungen an vergangenen Schmerz, den er glaubte bereits besiegt zu haben, suchte das Herz des Schwarzhaarigen heim. Hilflos versank er in dem Gefühl der Andersartigkeit, der Einsamkeit. Dabei war er doch nicht mehr als ein Ire und ein Japaner. Warum konnte das niemand außer ihm erkennen...?
,, Weißt du, mir ist eigentlich vollkommen egal, woher deine Eltern kommen und welche Sprache du sprichst, denn ich weiß, dass wir gemeinsam immer einen Weg finden würden. Selbst wenn du meilenweit entfernt irgendwo in Japan leben würdest, wärst du ganz nah bei mir. Und auch wenn du nicht Englisch sprechen könntest, würden wir uns trotzdem irgendwie verstehen " , riss Claire ihn plötzlich mit einem liebvollen Lächeln aus seiner dunklen Grübelei.
Die Sanftmut ihrer Augen umschloss voller Wärme sein Herz und ließ es schneller schlagen, sodass es ihn ein weiteres Mal zu Tränen rührte, diesmal jedoch vor Verliebtheit. Als die Braunhaarige die kleinen salzigen Perlen bemerkte, die erneut seine Wangen schmückten, verlor ihr Lächeln ein wenig an Stärke, und doch zog sie ihn behutsam in ihre Arme.
Augenblick um Augenblick verstrich, in denen er seinen Kopf wohlig auf ihrem Schoß ruhen ließ. Ihre zarten Finger spielten mit seinen losen Haarsträhnen, die sich aus dem strengen Bund des Haarbands gewunden hatten. Jedoch galt seine Aufmerksamkeit dem schwarzen Sternenzelt über ihnen, welches ihn an eine hellbeleuchtete Unterwasserwelt erinnerte. Sternenbilder, die zu leuchtenden Walen wurden und durch das dunkle Wasser glitten, frei von dem Leiden der Menschen. Wenn er doch nur eine Leinwand hätte, um seine wildgewordenen Träume einzufangen. Schwer seufzend schloss er für einen Moment die Augen.
,, Ist etwas...? " , wollte die Braunhaarige plötzlich mit sanfter, aber besorgter Stimme wissen. Er öffnete seine Augen wieder, starrte zuerst in ihre romantisch braunen Augen und dann auf ihre zarte Haut, die im weißen Mondlicht noch fragiler wirkte. Sie hatte wirklich wunderschöne Haut. ,, Nein, es ist nur... " , seufzte er nur flüchtig, bis sein Blick wieder auf ihren zierlichen Unterarm fiel, ,, Möchtest du ein Tattoo auf Zeit? " Seine plötzliche Frage verwirrte Claire, die schon länger darüber grübelt hatte, welche Gedanken gerade in seinem Kopf tobten.
,, A-Auf Zeit? " , wiederholte sie stammelnd, während sie ihn unsicher anfunkelte. Anstatt mit Worten, antwortete Hideto nur mit einem kurzen Nicken, ehe er in seiner Jackentasche kramte und schließlich einen schwarzen Stift aus dieser hervorzog. Sein intensiver Blick kämpfte sich bis zu den Tiefen ihrer Seele vor, als er ihr diesen einfachen Marker präsentierte und es war, als würde er ihr keine andere Wahl lassen, als zuzustimmen. Deswegen nickte sie schlussendlich auch.
Als sie die kalte Spitze des Stifts auf ihrem empfindlichen Unterarm spürte, zuckte sie kaum merkbar zusammen. Doch der Schwarzhaarige ließ sich davon nicht beirren. Fest im Griff seines künstlerischen Schöpfertums zeichnete er unbekümmert Strich für Strich auf ihre weiche Haut, während das spärliche Licht der Laterne immer noch seinen Schein auf das Paar warf, zusammen mit dem kraftvollen Vollmond. Sie wusste nicht, wie viel Zeit genau vergangen war. Nur der Krampf in ihrem zierlichen Arm verriet ihr, dass es viele Minuten gewesen sein mussten. Doch seine fertige Kunst waren Schmerz und Zeit wert.
,, Tut mir leid, dass du gerade als meine Leinwand hinhalten musstest... " , entschuldigte er sich kleinlaut, als er wieder aus seiner schöpferischen Trance erwachte. ,, Schon gut. Es ist wunderschön geworden. Ich hab echt Glück so einen talentierten Freund zu haben " , hauchte sie mit einem leisen Lächeln, ihre Augen nicht von seiner kunstvollen Zeichnung nehmend. Anfangs verwundert und dann mit einem kleinen Grinsen musterte Hideto die Braunhaarige. Bis jetzt hatte er noch nicht geglaubt, dass sie schon bereit für eine Beziehung mit ihm war. Doch nun ließen ihre Worte ihn etwas anderes vermuten. Trotzdem hallte in seiner Stimme eine gewisse Vorsicht, als er neckend fragte: ,, Das heißt also, ich bin jetzt dein Freund? "
Nun war Claire diejenige, die ihn überrascht ansah, bevor ihre Wangen sich in ein verlegenes Rot färbten und sie seinem erwartungsvollen Blick auswich. Wenn sie ehrlich zu sich war, hatte sie selbst keine Antwort auf diese Frage. Sie wollte gerne mit ihm zusammen sein, sogar sehr gerne. Jedoch zweifelte sie, ob dies die richtige Entscheidung nach nur so kurzer Zeit sein würde. Es gab noch so vieles, mit dem er früher oder später zurecht kommen müsste, wenn er diese Beziehung wirklich wollte. Ihre Asexualität war nur ein Teil davon. Außerdem wusste er immer noch so wenig über sie, genauso wie sie kaum etwas über ihn in Erfahrung gebracht hatte. Was war, wenn die Vergangenheit und Geheimnisse des jeweils anderen sie voneinander abschrecken würden...?
,, B-Bist du sehr traurig, wenn i-ich dir sage, dass ich e-es noch nicht weiß...? I-Ich würde es dir wirklich gerne sagen, wenn i-ich es wüsste, aber das t-tue ich nicht... " , stammelte die Braunhaarige unsicher, während ihre Unterlippe wieder einmal unter ihrer Nervosität litt. Doch entgegen ihrer Befürchtungen, er könnte ihre indirekte Zurückweisung als Kränkung empfinden, lächelte er nur warm und seine kalte Hand fand ihren Platz an ihrer weichen Wange. ,, Nein, ich bin nicht traurig, denn dafür mag ich dich einfach zu sehr. Aber ich hoffe trotz allem, dass der Plan bei mir zu übernachten immer noch steht " , erwiderte er mit einem sanften Schmunzeln. Seine Worte ließen Claire nun wieder aufsehen und auch sie hauchdünn lächeln, ehe er ein kaum merkbares Nicken als Antwort erhielt.
Wie schon einmal an diesem Tag ließ sie sich von ihm durch die hellbeleuchteten Straßen Dublins ziehen, während ihr Blick immer wieder auf ihren kunstvollen Unterarm fiel. Die glatte weiche Haut des Wals wurde durch sein außenliegendes Skelett geschützt, welches sich wie eine eiserne Rüstung um ihn krümmte. Die Braunhaarige fragte sich, ob der weiche Körper des Wals, der dem Inneren Hidetos glich, und auch vor all dem menschlichen Schmerz beschützt werden musste. Auf einmal flammte in ihr der Wunsch auf, auch so eine Rüstung zu besitzen.
DU LIEST GERADE
An Ace in Bed
Romance,, Einmal Liebe ohne Sex, bitte! " Wenn man aus der Norm fällt, dann ist Dating wohl eines der schwierigsten Dinge, das weiß die asexuelle Claire ganz genau. Nach zwei bitter gescheiterten Beziehungen, vielen tröstenden Übernachtungspartys mit ihren...