32. Chapter: Date of Death

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Nervös rutschte sie auf dem Fahrersitz von Hidetos Auto, das sie sich während seiner Abwesenheit ausgeliehen hatte, hin und her und versuchte dabei ein weiteres Mal sich zu einem Lächeln zu zwingen. Die Sehnsucht nach ihm, seinem Geruch, seiner  Stimme, sie war fast unerträglich geworden. Aber nun, nach einer für sie sehr langen Woche des Wartens, würde sie ihn endlich wiedersehen, in seinen Armen liegen und seine zärtlichen Küsse spüren. Jedoch konnte sie sich trotzdem nicht zu den freudsamen Gefühlen in ihrem Inneren durchkämpfen. Stattdessen kreisten ihre Gedanken nur um die Dunkelheit in ihr, erneut entfacht durch den heutigen Todestag ihres Vaters.

Die Braunhaarige schreckte aus ihrer tiefen Grübelei auf, als plötzlich ein leises Klopfen an der Autoscheibe zu vernehmen war. Sofort erkannte sie diese dunklen, intensiven Augen und das breite Grinsen wieder. Mit einem leicht gezwungenem Lächeln entriegelte sie die Tür. ,, Anata ni aitakatta, watashi no yasashī sakura (Ich habe dich vermisst, meine zarte Kirschblüte) " , raunte Hideto liebevoll in ihr Ohr, nachdem er eingestiegen war. Ein flüchtiges verlegenes Kichern entkam über ihre Lippen, während ihre Wangen rot zu glühen begannen. Sie liebte es seinen heißen Atem endlich wieder an ihrer zarten Haut zu spüren und auch seine raue Stimme mit dem japanischen Akzent ließ ihr Herz vor Verliebtheit rasen.

Anstatt seine Worte, die Claire sowieso nicht wirklich verstanden hatte, zu erwidern, hauchte sie ihm einen schnellen, schüchternen Kuss auf die Lippen. Dabei lächelte sie zart, jedoch auch traurig. Das Lächeln des Schwarzhaarigen schwand ein wenig, als er ihren Blick bemerkte. ,, Hey, was ist los...? Ist irgendwas passiert während ich weg war...? " Sie unterdrückte den eifrigen Drang auf ihre Unterlippe zu beißen, wissend, wie sehr ihn diese Angewohnheit besorgte. ,, H-Heute i-ist... " , druckste sie mit kaum hörbarer Stimme herum und ließ ihre bekümmerten Augen dabei seinem bohrenden Blick ausweichen, ,, d-der T-Todestag m-meines D-Dads... " Kaum traten die schweren Worte über Lippen, kullerten auch schon dicke Tränen über ihre Wangen, die sie solange versucht hatte zurückzuhalten. Für einen Augenblick starrte der Schwarzhaarige sie noch fassungslos an, ehe er sie schweigend in eine tröstende Umarmung zog. 

Für eine lange Zeit hielt Hideto die Braunhaarige einfach nur in seinen Armen und streichelte ihr dabei stärkend über den Rücken, bis sie sich schließlich selbst wieder von ihm löste. ,, I-Ich gehe h-heute sein G-Grab besuchen u-und wollte f-fragen, ob d-du vielleicht m-mitkommen könntest... Alleine s-schaffe ich d-das nicht... " , schluchzte sie verunsichert, während sie versuchte ihre salzigen Tränen zu trocknen. Ein weiteres Mal musterte er sie für einen Moment verwundert, ehe er kaum merkbar nickte und ihr ein kleines aufmunterndes Lächeln schenkte. ,, Natürlich komme ich mit, wenn du das willst... " Mit dankbaren Augen blickte sie nun wieder zu ihm, als sie zitternd flüsterte: ,, D-Danke... "

Die ganze Fahrt über nach Branbridge schwiegen sie. Der Schwarzhaarige wollte ihr den Raum geben, von dem er glaubte, dass sie ihn brauchen würde, auch wenn es ihm schwerfiel die ganze Zeit in Stille zu verbringen. Doch es versprach nicht besser zu werden, vor allem nicht, als sie auf dem kleinen grauen Parkplatz hinter dem bescheidenen Friedhof hielten. Die Luft im Auto schien dünner zu werden, während die Stimmung immer erdrückender wurde. Und dann fing Claire ein weiteres Mal an zu weinen, noch stärker als zuvor und diesmal am ganzen Körper zitternd. ,, Hey, sieh mich bitte an...!  Atmete tief durch und nenn mir eine Sache die du anfassen kannst... " , erlangte er schließlich ihre Aufmerksamkeit wieder. Seine tiefe Stimme zu hören schien sie bereits ein wenig zu besänftigen, ehe sie zittrig nach seiner Hand griff. ,, I-Ich kann d-deine Hand s-spüren... " , antwortete sie schniefend. 

Hideto schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln und fuhr schließlich fort: ,, Und jetzt nenn mir zwei Dinge, die du sehen kannst... " Zögernd wanderte ihr unsicherer Blick durch das Auto, bis er schließlich wieder bei ihm hängen blieb. ,, E-Einen Totenkopfschlüsselanhänger und d-dich... " Obwohl immer noch vereinzelte Tränen ihre Wangen hinabkullerten, blitzte nun auch ein leichter Rotschimmer auf diesen auf. Ein weiteres Mal lächelte Hideto sanft und legte diesmal auch seine kalte Hand an ihre nasse Wange. ,, Schließ die Augen... " , wies er sie mit ruhiger Stimme an, ehe er meinte, ,, Und jetzt zähl mir drei Dinge auf, die du hören kannst... " Für einige Sekunden lauschte die Braunhaarige konzentriert, bevor sie schließlich leise antwortete: ,, Einen V-Vogel, das Rascheln der B-Bäume und deine Stimme... " Nun öffnete sie ihre vom Weinen roten Augen wieder und musterte ihn mit diesen unbeholfen. ,, Das hast du gut gemacht. Ich bin stolz auf dich " , lächelte Hideto liebevoll, wobei er zärtlich anfing ihren Kopf zu kraulen, was ihr ein flüchtiges Schnurren entlockte und ihn kaum merkbar grinsen ließ.

Trotz des wärmenden Mantels, fröstelte Claires zierlicher Körper bei der eisigen Kälte, die sie umgab. Vielleicht lag es aber auch an diesen kalten Gefühlen, die wie ein Schneesturm in ihrem Innersten tobten. Doch plötzlich legte sich ein starker Arm um sie, der sie an eine wärmende Brust zog. ,, Ich hoffe du erfrierst mir nicht. " Die Braunhaarige kuschelte sich unter seinen großen warmen Mantel, während ihr heißer Atem wie Rauch aus ihrem Mund qualmte. Als sie über das matte Gras, welches sein sattes Grün schon längst verloren hatte, spazierten umklammerte Claire die weiße Kerze fest mit ihren zarten Fingern. All die schrecklichen Erinnerung, die dieser Ort in ihr hervorrief, drohten immer wieder sie zu verschlingen und sie war sich nicht sicher, wie lange sie sich noch gegen dieser wehren können würde. 

 ,, Hier ist es... " , murmelte sie, diesmal so leise, dass er sie beinahe überhört hätte, als sie plötzlich stehen blieb. Sie wuselte unter seinem großen Mantel hervor, um sich vor das graue Grab zu knien. Claire erkannte die frischen Vergissmeinnicht, die ihre Mutter vermutlich heute morgen auf das Grab gelegt hatte. Erinnerungen an ihren Vater und seine Liebe zu den Blumen, die einen nie vergessen lassen sollten, zogen an ihrem geistigen Auge vorbei. Ein trauriges Lächeln und erneute, salzige Tränen schmückten ihre Lippen, als sie die weiße Kerze zu den hellblauen Blumen stellte und Hideto mit leiser Stimme um sein Feuerzeug bat. Das leuchtende Lodern der kleinen Kerzenflamme erhellte zusammen mit den anderen Flammen den tristen grauen Tag.

Der Schwarzhaarige lauschte ihr, während sie ein evangelisches Gebet sprach. Zwar war er mit dem evangelischen Glauben vertraut, durch Schule und Freunde, doch er selbst fühlte sich keinem Glauben wirklich zugehörig. Dennoch war der Tod für ihn nur ein weiterer Neubeginn, weswegen er sich auch sicher war, dass Claires Vater nun ein neues Leben begonnen hatte, jedoch stets in Erinnerung an seine geliebte Tochter. 

,, Ich bin mir sicher, dass ihr in einem anderen Leben wieder vereint sein werdet " , meinte Hideto, nachdem die Braunhaarige ihr Gebet beendet hatte. Für einen kurzen Moment glaubte er ein wenig Hoffnung in ihren trüben Augen aufblitzen gesehen zu haben. Allerdings seufzte sie dann wieder schwer, ihren bekümmerten Blick auf den grauen Grabstein ihres Vaters gerichtet, auf dem in weißer Schrift der Name Trevor Henderson geschrieben stand. ,, Hoffentlich hast du recht, denn ohne ihn fühlt sich vieles einfach nur noch furchtbar schwer an... "

An Ace in BedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt