☆ River ☆
Ein wenig zu forsch säge ich den Stamm des Baumes zurecht, damit er in den Ständer passt. Noch immer habe ich Dakotas Gekicher im Ohr, was mich unwahrscheinlich wurmt. Ja, sie hat recht, die Tanne ist ein Witz, aber das konnte ich doch nicht wissen. Es war der letzte Baum, den der Verkäufer noch übrig hatte und gerade auf seinen Truck laden wollte, als ich mit meinem Quad hinter ihm anhielt. Alles, was ich sah, war die Größe und die fand ich passend für unser großes Wohnzimmer. Wer weiß, ob der Typ selbst überhaupt wusste, was für missratenes Grünzeug er da verkauft.Einstein sitzt neben mir und beobachtet aufmerksam, was ich tue.
Sobald ich fertig bin, stelle ich den Baum in den Christbaumständer und schraube ihn langsam fest.
»Steht er gerade?«, frage ich meinen Hund, der mich verständnislos ansieht.
»Nein, er neigt sich leicht nach rechts«, ertönt Dakotas Stimme von der Tür.
Murrend versuche ich das Ungetüm gerade auszurichten, was nicht so einfach ist, wenn man auf dem Boden kniet und nicht wirklich sieht, was man da eigentlich macht.
»Stopp«, sagt sie und ich halte in der Bewegung inne. »Jetzt ist er gerade.«
»Kannst du ihn dann mal halten, während ich die Schrauben reindrehe?«
Wortlos kommt sie näher und umfasst den Baum im oberen Teil. Kurz fällt mein Blick auf ihre grauen Hausschuhe in Strickoptik, die mit Plüsch gefüttert sind und an den Außenseiten jeweils zwei Bommeln haben. Schmunzelnd widme ich mich wieder meiner Arbeit. Diese Puschen passen perfekt zu Dakota, denn sie hatte schon immer einen Hang zu verspielten Klamotten und Accessoires.
Als ich fertig bin, erhebe ich mich wieder und klopfe mir die Hose ab. »Hast du die Deko gefunden?«
»Ja.« Sie deutet auf das Ecksofa, wo sie die Schachteln abgestellt hat. »Allerdings habe ich verschiedene Farben gefunden. In welcher Farbe wollen wir den Baum denn schmücken?« Unschlüssig mustert sie die jämmerliche Tanne und ich gehe hinüber zur Couch, um die Lichterkette zu holen.
»Du willst ja das Beste aus dem Quasimodo unter den Nadelbäumen herausholen, wie wäre es dann mit bunt?« Ich halte die Pappschachtel mit der bunten Beleuchtung hoch.
Dakota legt den Kopf schief und und tippt sich mit einem Finger gegen die Lippen. »Warum nicht?!«
Nickend hole ich die Lichterkette aus der Verpackung und beginne damit sie auseinanderzuwickeln, ehe ich mich daran mache, das Bäumchen damit zu verzieren. Meine Mitbewohnerin schnappt sich indes die Kugeln und wickelt sie aus dem weißen Papier, in das meine Mutter sie nach dem letzten Gebrauch verpackt hat.
»Ist die Kette nicht zu lang?«
War ja klar, dass da noch eine Spitze kommen muss.
»Natürlich ist sie zu lang, aber ich kann sie ja schlecht in der Mitte durchschneiden, oder?« Unbeirrt drehe ich meine Runde um den Baum und lege, wenn möglich, auch mal zwei Reihen mit bunten Lämpchen auf die Äste. Irgendwo muss die Kette ja hin, ne?
Dakota verschluckt sich fast an einem unterdrückten Lachen.
»Unfassbar«, stöhne ich auf und bleibe stehen, um sie anzusehen. »Ich bringe extra einen Baum mit, als eine Art Friedensangebot, und das Einzige, was von dir kommt, ist nur Gemecker.«
Sie hält ebenfalls in ihrem Tun inne und hebt den Kopf. »Friedensangebot? Von dir? Den Tag muss ich mir im Kalender ankreuzen.«
Verärgert kneife ich die Augen zusammen.
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Snowed In With The Sin
KurzgeschichtenDakota ist nach Aspen gekommen, um die Feiertage in aller Ruhe zu genießen und das vergangene Jahr mit all dem Stress und den herben Verlusten zu verarbeiten. Doch kaum ist sie nach einem grauenvollen Flug in dem Skiort angekommen, da erfährt sie, d...