Was nun?

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☆ Dakota ☆


Still und leise entferne ich mich aus dem Wohnzimmer und peile die Küche an, um etwas Abstand zwischen River und mich zu bringen. Das Geständnis von eben liegt mir noch schwer im Magen. All die Jahre habe ich geglaubt, dass er nie erfahren würde, wie sehr mich sein Spruch damals getroffen und welche Folgen er nach sich gezogen hat, aber sein Kommentar kam so überraschend, dass mir auf die Schnelle keine Ausrede eingefallen ist. Noch während die Worte über meine Lippen kamen, fühlte ich mich seelisch entblößt. Kein besonders angenehmes Gefühl.

Seit damals habe ich ein Problem damit, mich auf Männer einzulassen, ihnen zu vertrauen. Egal wie oft sie mir auch versichern, dass sie mich hübsch oder sexy finden, genauso oft zweifele ich an ihrer Ernsthaftigkeit. In letzter Zeit habe ich schon einige Male daran gedacht, mir psychologische Hilfe zu suchen, denn so kann ich mein Leben einfach nicht weiter führen. Ich wollte immer eine eigene Familie haben, doch so wird das nie etwas. Wie soll ich den Vater meiner zukünftigen Kinder finden, wenn ich mich nie wirklich auf einen Mann einlassen kann?

Einer der Gründe, warum ich allein nach Aspen gekommen bin, ist, dass ich mir über meine Zukunft klar werden wollte. Schon immer war ich jemand, der sein Leben plant und durchstrukturiert, doch im vergangenen Jahr bin ich vom Weg abgekommen und das muss ich schleunigst wieder ändern.

Bereits vom Türrahmen aus sehe ich, dass er seine Einkäufe nur auf der Theke abgestellt hat. Keine Lust zum Ausräumen oder weiß er nicht, wo was hinkommt? Neugierig gehe ich hinüber und inspiziere die einzelnen Schachteln, Dosen und Tüten.

Zuallererst fallen mir die Dosen und Tüten Hundefutter auf. Er hat Einstein also nicht vergessen. Lächelnd beuge ich mich vor und staune nicht schlecht, als ich die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen sehe: Rind, Huhn, Lamm, Schwein. Und alles mit Gemüse. Nicht schlecht, Herr Specht. Das nenne ich mal abwechslungsreich. Wie es scheint, wird es dem Pelzträger hier im Haus besser gehen als uns, wenn der Strom tatsächlich ausfällt, denn sein Futter muss weder gekocht, gebraten oder gebacken werden. Außerdem gibt es noch Kauknochen und Leckerli. River liebt seinen Hund, das wärmt mein Herz.

Warum wundert es mich nicht, Dosen mit Ravioli, Tomatensuppe, Hirschgulasch, Würzfleisch, Chili Concarne sowie Fisch zu sehen? Kann der Herr nicht kochen oder ist er einfach zu faul dafür? Oder er ist einfach nur schlau und hat den angekündigten Stromausfall bedacht, so können keine Lebensmittel verderben und blitzschnell auf dem Campingkocher erwärmt werden. Da hat er mir definitiv etwas voraus.

Es gibt außerdem Netze mit Clementinen, Orangen, Zitronen und Äpfeln. Er ernährt sich also nicht nur ungesund, das ist gut zu wissen. Zusammen mit dem Obst, das ich gekauft habe, werden wir unser Immunsystem stärken können und der drohenden Kälte trotzen.

Vor mich hinsummend, mache ich mich daran, alles in den Schränken zu verstauen und dann eine Tasse unter den Vollautomaten zu stellen, da ich dringend einen Kaffee brauche.

Einstein kommt langsam in die Küche getapst, sieht sich suchend um und macht sich mit einem freudigen Schnauben auf den Weg zu mir herüber, um mit seiner Schnauze gegen mein Bein zu stupsen.

»Willst du etwa auch einen Kaffee?« Lächelnd gehe ich hinüber zu dem kleinen runden Tisch, der direkt vor dem Fenster steht, und stelle die Tasse ab.

Den Blick durch den Raum schweifen lassend, fällt mir auf, dass nirgends eine Schüssel für Wasser steht. Wahrscheinlich hat der arme Kerl Durst. Sofort suche ich ein passendes Gefäß und befülle es. Einstein wedelt begeistert mit dem Schwanz und weicht mir nicht von der Seite.

Wusste ich es doch!

Gierig stürzt er sich auf das Wasser, als hätte er tagelang die Wüste Gobi durchquert und wäre jetzt am Verdursten. Lächelnd beobachte ich ihn und fülle das Schälchen noch einmal auf, sobald er auch den letzten Tropfen weggeschleckt hat.

Danach gehe ich zurück zum Tisch, nehme auf einem der vier Stühle Platz und umschließe die Tasse mit beiden Händen, um sie zu wärmen. Minutenlang bin ich in Gedanken versunken, überlege, wie ich mich jetzt River gegenüber verhalten soll. Auf keinen Fall möchte ich sein Mitleid. Auch kann ich darauf verzichten, mit Samthandschuhen angefasst zu werden. Ich bin kein zerbrechliches Püppchen und möchte daher auch nicht wie eins behandelt werden.

Ich ziehe mein Smartphone hervor und checke den Zeitunterschied zwischen Aspen und den Malediven. Zwölf Stunden. Also ist es bei Raven jetzt sechs Uhr morgens. Sie schläft sicher tief und fest, eng an ihren Liebsten gekuschelt.

Nur kein Neid, ermahnt mich die Stimme in meinem Kopf.

Ich bin nicht neidisch auf das Glück meiner besten Freundin. Nach Dutzenden Flops hat sie mit Jacob endlich das große Los gezogen und ich gönne es ihr von Herzen. Und natürlich freue ich mich schon auf die bevorstehende Hochzeit. Ob mir das auch eines Tages vergönnt sein wird? Insgeheim habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Kurz entschlossen öffne ich unseren Chat und beginne zu tippen.

Ich habe es River gesagt. 🙈

Wenn sie diese Nachricht in ein paar Stunden liest, wird sie wissen, was ich meine.

Einstein schüttelt sich kurz, kratzt sich hinter dem linken Ohr und gesellt sich dann zu mir, wo er es sich unter dem Tisch gemütlich macht. Neugierig schnüffelt er an meinen Schuhen und zupft kurz mit den Zähnen daran.

»Hey, mein Hausschuh ist kein Kauknochen«, erkläre ich und drohe ihm lächelnd mit dem Finger.

Er legt eine Pfote auf meinen Fuß und rutscht näher heran ohne dabei den Blickkontakt zu unterbrechen.

»Versuchst du gerade mich mit dem berühmten Dackelblick um den Finger zu wickeln?«

Dieses Fellknäuel ist wirklich zu niedlich. Ihm kann man einfach nicht böse sein.

Während ich an meinem Kaffee nippe, legt sich der Hund auf die Seite, streckt alle viere von sich und schließt die Augen. Tiere haben doch ein recht einfaches Leben. Sie müssen sich um nichts weiter Sorgen machen, als wo sie die nächste Mahlzeit und ein sicheres Plätzchen zum Schlafen herbekommen. Sie müssen nur selten mit anderen Artgenossen auskommen. Nicht so wie wir Menschen.

Mein Blick geht rasch zur Tür, wo ich irgendwie erwarte, River vorzufinden, aber dort steht niemand. Ist er immer noch im Wohnzimmer oder hat er sich auf sein Zimmer zurückgezogen?

Seufzend wende ich den Blick ab und schaue stattdessen aus dem Fenster. Irgendwann in der letzten Stunde, während wir mit dem Weihnachtsbaum beschäftigt waren, hat es angefangen zu schneien. Lautlos fallen die Flocken vom Himmel und verdecken so langsam unsere Fußspuren auf der Terrasse.

Sind das die harmlos wirkenden Vorboten des Schneesturms?

☆°~♡~°☆

Ich fühle mit Dakota. An ihrer Stelle wüsste ich jetzt auch nicht, wie ich mich River gegenüber verhalten sollte. 🙈

Zum Glück ist Einstein da und weicht ihr nicht von der Seite. So einen pelzigen Seelentröster hätte ich auch gern. 😁

Snowed In With The SinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt