Sensenmann, Würgegalgen, Marienkäfer

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Für Cliffhouse
... selbst schuld! Die letzten Strophe sind vielleicht harmloser:)
Das war eine Art Reizwortgedicht: Kapillaren (Entschluss beim Zähneputzen), Würgegalgen, Sensenmann, Marienkäfer.

So manches feines Blutgefäß,
ob dünn im Dummhirn, unterm Käs',
ob heil, im jüngsten Krater,
ob blutreich, krampfig, filigran,
ist's doch der Knochen Untertan,
vereint im Sensenvater.

Aorta, Halsschlag, Schenkelschlauch
in Lunge, Arm und Unterbauch,
wie kleine Kapillaren,
er öffnet alle ihrerzeit,
bei dir vielleicht, bei mir, Greis, Maid,
kein Kindlein auszusparen.

Die Erdenmutter hat's geprägt,
der Vater treibt sie an, zersägt
mit strahlend rotem Stahle.
Es leuchtet farbenfroh ein Blut,
das wissen Kind wie Vater gut,
befreit bloß aus der Schale.

Die Grausgestalt stets weiter wächst,
geschliffen doch, nicht nur verkleckst
wird's Werkzeug, um zu wüten.
So bricht der Galgen kein Genick,
er würgt allmählich Stück für Stück,
mehr Kraft kost's, umzunieten.

Geflochten wird ihm selbst ein Seil,
auf dass sein Tod werd' unser Heil,
von tausend Törns der Knoten,
doch sei das Seil auch noch so stark,
der Särgefüller braucht kein' Sarg,
der Tod nicht tritt zu Toten.

Kein Nerv mit dem Genick zerbricht,
es stranguliert den Odem nicht,
da niemals je vorhanden.
Er japst nach Luft im Stillen nur,
zu still sogar für die Natur,
er scheint stets auferstanden.

Dann eines Tages wird gewahr,
wie Morgengrau'n, so sonnenklar,
des Anfangs Schönheit's Ende,
noch achwarzgeblend't und eingetrübt,
verworren, dass es Andres gibt
als Angst und Arbeitshände.

Er lockert seinen Griff, betracht',
kein Lorbeerblatt ihm dargebracht,
nur Friedensfüll' der Taube,
so fett, doch fliegt sie leicht umher,
sein Herz ist von dem Blute schwer,
im fleischfrei schweren Staube.

So schön geformt, er lässt nicht los
den kleinen Schatz, genießt drauflos
verspeist, ohn dass sie nährte.
Erst gibt ihm sein Gewissen Ruh,
verschüchtert, er beißt stetig zu,
ohn dass ihn's, scheinbar, scherte.

Ein kleines krabbelnd Ding und Tier,
Marienkäfer Namenszier,
lässt seinen Wahn verlöschen.
Fast friedlich wird er, Zeit steht still,
will zuschaun, sich mit Still' umhüllt,
mag Menschen nicht verdreschen.

Er spielt mit ihm, der Kleine rennt
vor Angst, der fliegt, doch macht die Wend'
und setzt sich auf den Finger.
Er könnt' ihn quetschen, pusten fort,
doch schöner's ausschaut unverdorrt,
die Griffkraft wird geringer.

Die Sense, die den Käfer schreckt,
so kalt, die viele niederstreckt',
sie kracht zu Boden klirrend.
Er aber lacht, nicht böse - froh,
der Käfer hält es ebenso,
dort flatternd, schwärmend, schwirrend.

Zwar lebt das Leben wundervoll
in seinen Adern, wie es soll;
doch Menschen lehrt' der Vater.
Man nimmt die Sense und kopiert
bald Vielfalt wieder Menschen ziert,
wenn's Blut soll aus der Ader.

Der letzte SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt