Kapitel 8

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Lincoln

Zwei Wochen war es her, seit ich Micah gesehen hatte. Seine Drohung, ich würde darum betteln nicht mehr zu kommen hatte er noch nicht wahr gemacht und ich war auch nicht sonderlich scharf drauf gerade. Die Uni spannte mich vollkommen ein und mit dem neu aufgetragenen Aufsatz sich mit Goethes Werken intensiv auseinander zu setzen, kam ich auch nicht sonderlich gut voran, aber was sollte es. Es verging kein Tag, an dem sich Micah nicht meldete oder mir keine neue Aufgabe stellte, wenigstens etwas. Trotzdem. Es wollte mir nicht in den Kopf, wieso er keine Beziehung wollte und jeden Mann, der Interesse zeigte, anfunkelte, als hätte er einen seiner Lamborghinis zerkratzt, zu schrott gefahren, oder seine ganze Familie getötet. Kopfschüttelnd versuchte ich meine Gedanken hintenanzustellen, während ich die Tür zur Universitäts Bibliothek öffnete. Die Bibliothekarin am Empfang lächelte mir freundlich zu und schob ihre große Runde Brille, die mich stets an Edna aus Die Unglaublichen erinnerte, ein wenig weiter nach oben. Herrgott sie hatte sogar den gleichen Haarschnitt und Größe. Nur der Kleidungsstil und die Persönlichkeit stimmten nicht überein.

„Guten Morgen Ms. Rivers", sagte ich freundlich als ich die letzten ausgeliehenen Werke von Goethe aus meinem Rucksack kramte und sie ihr auf das Pult legte.

„Guten Morgen Herzblatt!", quietschte ihre helle Stimme hocherfreut und sie lächelte mir breit entgegen. Ein Lächeln, welches jeden noch so miserablen Tag zu einem guten machen konnte. Die Ärmel ihres zu groß erscheinenden second-hand Cardigans rutschten ihr leicht über die kleinen Hände, in welchen die Bücher größer aussahen, als sie tatsächlich waren.

„Suchst du heute nach etwas bestimmten?", fragte sie und stützte sich am Tresen ab. Es würde mich nicht wundern, wenn sie auf einem Schemel stand, um ihren Kunden in die Augen blicken zu können.

„Nein, heute sehe ich mich einfach nur so um", sagte ich ebenfalls lächelnd.

„Okidoki! Wenn du was brauchst, du weißt, wo du mich findest!" Ms. Rivers winkte mir nach, während ich im Inneren der Regale verschwand, die überfüllt mit Büchern waren. Hier und da fand man welche gestapelt auf dem Boden liegen und einen dösenden Studenten daneben, der wohl wieder Überstunden geschoben hatte. Meine Beine trugen mich zum etwas abgelegeneren Bereich wo sich die Psychologie Abteilung befand. Ich meinte mir einzubilden, dass es hier irgendwo ein Werk über Amerikas größte Serienmörder gab.

Gedankenverloren fuhren meine Hände die Einbände entlang, die in liebevoller mühsamer Arbeit von Rivers ständig entstaubt wurden. Diese Frau lebte für diese Bibliothek und in Anbetracht wie ordentlich und sauber diese war, war ihr nichts auf der Welt wichtiger.

„Auch auf der Suche nach interessanter Lektüre?", erschrocken zuckte ich zusammen als ich in Lucas dunkle Augen blickte.

„Shit du hast mich erschreckt", lachte ich „Für private Zwecke ja. Du?"

„Professor Stock im Arsch hat uns einen 10.000 Wörter Aufsatz aufgetragen", seufzte sie schwer „Keine Ahnung wie ich die zusammen bekommen soll und ob er sich das überhaupt durchliest"

„Oh Shit. Bin ich froh, dass ich Psychologie nicht als Hauptstudium gewählt habe. Das ist echt ätzend" Luca überdrehte die Augen „Kannst du laut sagen"

„Was müsst ihr machen?", fragte sie, während sie sich den Titel ‚Ted Bundy: Conversations with a Killer' aus dem Regal holte und das Inhaltsverzeichnis durchblätterte.

„Einen Aufsatz in dem wir Goethes Werke zerlegen"

„Klingt ja spannend"

„Es ist in etwa so spannend wie es klingt", lachte ich auf und nahm ein zerfleddertes altes in Leder gebundenes Buch heraus. Ich schlug die Seiten auf, welche aus seltsamem Material waren und betrachtete die blutrote Schrift auf diesen.

Eden - Craving LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt