Lincoln
Mathias entfernte sanft den Stoff um meine Augen. Ich spürte seinen Körper dicht hinter mir, seine Arme sanft um mich gelegt, damit ich das Gleichgewicht behielt. Der Geruch von Kerzenwachs und Rauch stieg mir in die Nase. Vermischt mit dem Geräusch des Waldes um uns herum und dem sanften säuseln des Windes durch die restlich verbliebenen Blätter des Herbstes.
„Öffne deine Augen", sagte er sanft aber bestimmt. Eine Art Bestimmtheit, die mich sofort dazu bewegte zu tun was er verlangte ohne auch nur einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.
Kleine Kerzen standen in der Form eines riesigen Herzens um einen Bistrotisch der Platz für zwei Personen bot. In der Mitte dieses Tisches stand eine dezente gläserne Vase. Ein Strauß dunkelroter und schwarzer Rosen die sich um meine Aufmerksamkeit stritten badeten in dem frischen Wasser in der Vase. Der Schein der Kerzen flackerte im Glas wie funkelnde hellrote Rubine. Ein Spiel der Flammen. Neben der Vase waren nochmal zwei kleine Kerzen platziert und außen herum, befand sich ein riesiger Pavillon um welchen sich Efeu und Rosenranken wanden und sich am eisernen Gerüst festhielten. Dahinter konnte ich eine riesige Hütte ausmachen, die sich in der Dunkelheit des Abends bedeckt hielt.
„Wow", kam es mir leise über die Lippen während ich versuchte jedes kleine Detail in mich aufzunehmen und wie ein Schwamm aufzusaugen.
„Ich hoffe es gefällt dir", sagte Mathias während er neben mich trat und mir seine Hand anbot. Ich hatte mit vielem gerechnet. Aber nicht damit. Ich dachte wir würden einfach nur in ein Restaurant gehen und uns unterhalten. Besser kennenlernen und uns vorsichtig aneinander herantasten.
„Bist du verrückt? Das ist ... absolut umwerfend", sagte ich während ich mich zu Mathias umwandte und ihm in seine dunklen Augen blickte in denen sich der Kerzenschein verfing. Ein Lächeln zauberte sich auf seine weich aussehenden rosa Lippen. Es schien, als würde ich Mathias zum Ersten Mal wirklich betrachten. Ich wollte mir jedes Detail einprägen. Seine breiten Schultern, die mich regelrecht einluden sich erschöpft an sie zu lehnen und zu ruhen. Die starken Oberarme die anders als die von Micah, nicht ganz so von Muskeln protzten und dennoch stark genug wirkten, als könnten sich mich überall hintragen. Seine großen Hände die so viel Sicherheit versprachen und sich auch gut an anderen Stellen machen würden ... Nein. Warte. Lincoln hör auf! Was denkst du dir da bloß? Das ist das allererste richtige Date mit Mathias und du hast nichts Besseres zu tun als ihn anzuschmachten und dir diverse Dinge auszumalen? Herrgott noch eins lern ihn doch erstmal besser kennen verdammt! Schalte ich mich selbst und brachte mich zurück zur Gegenwart. Zur immer noch mit entgegen gestreckten Hand die darauf wartete, dass ich sie ergriff.
„Alles in Ordnung?", unsere Blicke trafen sich. Für einen Moment war ich wie erstarrt.
„Ja", sagte ich lächelnd und ergriff seine Hand, ließ mich von ihm zum Bistrotisch führen.
„Woher kennst du diesen Ort?", lautete meine erste Frage, während mir Mathias ein Glas Wasser einschenkte.
„Siehst du die Hütte dort bei den Kiefern und Fichten?", fragte er. Zeigte in die Richtung in die ich vor wenigen Momenten geblickt hatte.
„Was ist mit ihr?", fragend wog ich meinen Kopf zur Seite.
„Die gehört meinem Vater. Sie ist seine Ferienhütte. Nicht weit von hier ist ein kleiner See mit kristallblauem Wasser wo er hin und wieder Fischen geht. Immer dann, wenn er eine Auszeit von allem braucht. Ich habe hier so gut wie meine gesamte Kindheit verbracht", erzählte er lächelnd.
Wann es passierte, wusste ich nicht. Aber ich verfing mich in seinen Erzählungen wie ein Schmetterling in einem Spinnennetz. Fortwährend, hingen meine Augen an seinen Lippen. Meine Ohren an seinen Worten. Am dunklen Klang seiner Stimme. Sie klang anders. Tief aber nicht zu tief. In seiner Brust vibrierte ein tiefer Bariton, der von den Schwingungen der Luft zu mir herübergetragen wurde und mich mit sich zog. Ich fühlte mich wohl. Geborgen. Sicher.
„Tut mir leid. Ich habe mich gerade viel zu sehr in den Erinnerungen meiner Kindheit verloren, du bist bestimmt hungrig", entschuldigte er sich.
„Ach was. Ich höre dir gerne zu. Es ist immer interessant die Geschichten andere Menschen zu hören. An ihren Erfahrungen und Erinnerungen teil zu haben", sagte ich lächelnd und trank ein Schluck meines Wassers. Das kühle Nass tat gut in meiner trockenen Kehle. Erweckte meine Stimme zu neuem Leben.
Mathias lächelte „Dennoch, ich denke es wird Zeit das wir etwas essen, findest du nicht?" ich lachte und nickte zustimmend. Mathias erhob sich, entschuldigte sich und verschwand für einen Moment im Haus. Nur um kurze Zeit später mit zwei Tellern wiederzukommen. Das Besteckt sorgfältig auf ihnen platziert. Man sah ihm an, dass er noch nie gekellnert hatte, aber gerade diese ulkige Erscheinung brachte mich erneut zum Lächeln. Sie hatte etwas Unschuldiges an sich. Gleichzeitig etwas interessiertes.
Auf dem Teller befand sich ein gemischter, griechischer Salat mit dunklen Oliven und flambiertem Schafskäse. Auf dem Salat befand sich italienisches Brot, sorgfältig aufgereiht mit einem gewissen Auge fürs Detail. In einer Pyramide aufgetürmt.
„Hast du das alles selbst zubereitet?", fragte ich ihn erstaunt. Er nickte verlegen. Eine leichte röte legte sich über seine noch Sommergebräunten Wangen. Seine Augen leuchteten im Kerzenschein wie zwei dunkle Seen bestehend aus Obsidian.
„Wow. Ich bin beeindruckt", sagte ich, wünschte ihm einen guten Appetit und begann zu Essen. Bereits beim ersten Bissen schienen meine Geschmacksknospen zu explodieren. Verdammt. Dieser Mann konnte wirklich kochen. Das Dressing war perfekt abgestimmt. Keine Komponente fehlte. Das Brot war warm, fluffig weich und saftig. Es schien frisch aus dem Ofen zu kommen und schmeckte himmlisch. Passte perfekt zum restlichen Gericht.
„Das schmeckt himmlisch", sagte ich. Ein zögerndes Lächeln huschte übers Mathias Gesicht „Du bist zu freundlich Lincoln"
„Nein. Das ist mein voller ernst! Was für Talente verstecken Sie noch Mr. Whitlock?"
„Nun ... das werden Sie noch früh genug erfahren Ms. Maddox ... Viel eher interessiere ich mich für Ihre Talente" Gott diese Stimme. Dieser tiefe warme Ton in seiner Brust legte sich wie eine Decke über meine Schultern.
„Ich fürchte ... da gibt es nicht viel zu erzählen"
„Quatsch. Diese wunderschönen dunkelbraunen Augen beherbergen bestimmt Geschichten die es lohnt erzählt zu werden", sagte er. Lehnte sich kaum merklich nach vorne.
„Was wenn diese Geschichten langweilig sind?"
„Ich verwette 100 Euro darauf, dass sie das nicht sind", antwortete Mathias. Leckte sich in einer gut verborgenen Geste über seine Unterlippe, während seine Augen zu den meinen wanderten, ehe sie wieder hoch zu meinen Augen schwankten um den Blickkontakt zwischen uns wiederherzustellen.
„Also schön", seufzte ich. Trank einen Schluck und lehnte mich ebenso ein wenig vor.
„Wo soll ich da nur anfangen?"

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Eden - Craving Love
RomansaOft passieren einem im Leben die besten Dinge, wenn man noch nie dagewesene Entscheidungen trifft. Das zumindest hat mir mal einer meiner Professoren erzählt. "Wenn du nie ein Risiko ein gehst, wirst du als Person nie wachsen Lincoln. Du wirst nie d...