Kapitel 35

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Micah

Die schwere Holztüre fiel laut hinter uns ins Schloss. Das Haus war im Almstil eingerichtet. Bequem. Herzlich. Warm. Mit vielen aufgehängten Fellen und präparierten Tierschädel und prächtigen Geweihen, die die Holzwände neben teuren Landschaftsgemälden aus aller Welt schmückten. Lincoln ließ ihre schlanken Finger über den rot karierten Stoff des Sofas streichen und betrachtete nachdenklich den gegenüberliegenden Kamin.

„Den Kamin hat mein Großvater damals selbst gebaut", erzählte ich. Betrachtete mit beinah kitschiger Melancholie das Gemälde von ihm welches auf dem Sims stand. Dor waren haufenweise Familienfotos aufgereiht. Erinnerungen an eine bessere Zeit.

„Er schien sehr geschickt gewesen zu sein", sagte sie.

„War er" Ich stand so dich hinter ihr, dass ich ihre Wärme spüren konnte und ihr Geruch mich in der Nase kitzelte. Erdbeeren und Bananen. Himmlisch.

„Das Büro meines Vaters ist im oberen Stock. Wenn er etwas zu verbergen hat, dann dort oben", räusperte ich mich und ging vor. Lauschte Lincolns leisen Schritten hinter mir. Die Holztreppe knarzte unter unseren Schritten. Am Baumartigen Geländer hatte sich eine beträchtliche Staubschicht gesammelt. Kein Wunder, wir waren schon lange nicht mehr hier gewesen.

„Du wirst mich nie kriegen!" Grölte ich aus vollem Halse während ich vor Camille davonrannte. Das rosa Tütü welches sie trug behinderte sie, doch das störte sie nicht. Sie gluckste und lachte. Ihre goldene Mähne flog wie ein Schleier hinter ihr her, während ihre kleinen Händchen nach mir tapsten.

„Von wegen!" Sie warf sich auf mich. Riss mich zu Boden.

„Arghhh was soll denn dieser Lärm Kadeten?" Mein Vater kam aus den Schatten gesprungen. Um seine Hüfte trug er ein rotes Tuch an welchem ein Holzschwert hing. Eines seiner Augen war mit einer provisorischen Augenklappe bedeckt und eine seiner Hände steckte in einem Haken, den er uns entgegenhielt. Seine Lippen wurden von einem aufgemalten schwarzen Bart umrahmt. Lachfalten bildeten sich an den Winkeln seiner Augen, als er Camille und mich mit Leichtigkeit über die Schulter warf. Wir glucksten und lachten, während wir versuchten uns zu befreien ...

Das Phantom verschwand vor meinen Augen ebenso schnell wie es gekommen war. Doch das Gelächter. Das tapsen unserer Füße auf dem nackten Holzboden, hallte in meinen Ohren nach. Ließ mein Herz schwer werden vor Wehmut.

„Das Büro ist links" Ich blinzelte energisch und schüttelte meinen Kopf um die Erinnerung zu vertreiben.

Warmes Licht erleuchtete Vaters ehemaliges Büro als Lin den Lichtschalter betätigte. Mir fiel auf, dass ihr kurzes Haar beinahe lang genug war damit man es zusammenbinden konnte. Wie ein dunkles fließ umrahmte es ihr wunderschönes schmales Gesicht. Deutete Wellen und Locken an. Neugierig blitzten ihre Augen auf, als sie sich in dem kleinen aber gemütlichen Raum umsah. Gegenüber vom Schreibtisch, welcher aus Eichenholz gefertigt war, befand sich eine Sitzecke mit Fell überzogenen Stühlen und einem kleinen Glastisch davor, auf dem eine leere verstaubte Obstschale stand. Links und Rechts neben dem Schreibtisch befanden sich volle Bücherregale während sich hinter dem Schreibtisch ein Fenster befand, von wo aus man direkt auf den Wald und Mutters ehemaligen Kräutergarten blicken konnte. Lincoln betrachtete die Bücher. Fuhr über die staubigen teils kaputten Bücherrücken. Die vergilbten abgegriffenen Seiten. Es roch so wie ich es in Erinnerung hatte. Nach Büchern. Tinte. Wald. Nach Ferien und Geborgenheit. Familie und Freunde.

„Ich fange beim Schreibtisch an", sagte ich trocken, setzte mich auf den alten Bürostuhl der bedrohlich knarzte und öffnete die erste Schublade. Begann diese zu durchforsten und auseinander zu nehmen. Als ich nichts fand, ging ich zur nächsten über. Dabei ertappte ich mich, wie ich immer wieder zu Lincoln hinüber linste und ihre natürliche Schönheit stumm bewunderte. Dachte darüber nach, wie das mit uns angefangen hatte und verfluchte mich dafür, wie ich mich Verhalten und sie behandelt hatte. Rief mir den Abend in Erinnerung, als wir in meinem Whirlpool saßen. Nebeneinder schliefen. Frühstückten und erkannte, dass ich mich noch nie so sehr zu Hause und angenommen gefühlt hatte, wie in ihrer Gegenwart. Wie sonst auch, versteckte sie ihren Körper unter einem zu großen gelben Hoodie. Gepaart mit einer hellblauen Jeans und hellbraunen Timberland Boots. Doch das passte zu ihr. Das machte sie ... zu dem was sie war.

Eden - Craving LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt