The Mists Of Your Secrets

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»Was zur Hölle ist das?!« Ich zuckte zusammen, weil ich gerade eben noch fast eingeschlafen wäre

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»Was zur Hölle ist das?!« Ich zuckte zusammen, weil ich gerade eben noch fast eingeschlafen wäre. Erst nach drei Mal Blinzeln wurde mein Bild scharf und ich erkannte, dass Sam vor mir stand, ein Paar meiner weißen Wollsocken in den Händen.

Ich rieb mir die Augen, bevor ich mich mühsam aufsetzte. »Socken«, murmelte ich etwas irritiert, wahrscheinlich merklich genervt. Er trug ein weißes Hemd über einer schwarzen Anzughose und hatte eine aufgeknotete Krawatte um den Hals hängen. Seine Haare waren offen, was irgendwie ein irritierender Stilbruch war – band er die nie zusammen?

»Blutige Socken«, betonte Sam, und irgendwas an seiner Stimme ließ mich vermuten, dass ich lieber den Kopf einziehen sollte. Vor Demut. Aber was gingen ihn meine Fersen an?!

»Ja, na und?«

»Wo kommt das Blut her?«

»Die Schuhe, die du mir gekauft hast ...«

»Sind die zu klein?«

Ich atmete einmal tief durch, um nicht überdimensional an die Decke zu gehen, weil er mich mal wieder unterbrochen hatte. So richtig hörte er mir eigentlich nie zu ...

»Nein, aber es sind Doc Martens, Sam. Die machen nun mal Blasen.«

»Bei mir nicht ...« Ich zog die Schulter hoch. Schön für ihn. Bei mir eben schon. Außerdem hatte ich ihn bisher nur in seinen uralten Blundstones gesehen. »Und wieso sagst du mir nicht, dass du bereits blutige Fersen hast?«

»Was kümmert's dich?«

»Es kümmert mich, weil ich keinen Bock habe, mich von dir verklagen zu lassen!« Seine Stimme wurde scharf, viel heftiger als noch vor drei Sekunden. Verwirrt sah ich ihm die Augen, die besorgniserregend glitzerten. Er sah müde aus, fürchterlich erschöpft. Dass er sich jetzt mit Daumen und Mittelfinger die Schläfen rieb, verstärkte diesen Eindruck noch.

»Verklagen?« Ich war verwirrt. »Weshalb denn?«

»Frag mich doch nicht ...«, maulte er. »Keine Ahnung, was dir für Scheiße einfällt.« Irgendwie wurde ich nicht ganz schlau aus dem Kerl. Einmal machte er auf nett und interessiert, dann wieder bekam er einen Anfall wegen bescheuerter Blasen an meinen Fersen. »Sag mir in Zukunft, wenn du dich verletzt oder dir etwas wehtut.«

»Wieso?«

»Weil ich es eben wissen will!«

Ich erstarrte, so scharf war sein Ton. Wie benebelt nickte ich, sah ihn perplex an, weil ich es kaum wagte, den Blick abzuwenden. Ich fühlte mich wie in meine Kindheit zurückversetzt, wenn ich Mist gebaut hatte und mein Dad mir einen Vortrag hatte halten müssen.

Zögerlich nickte ich, weil ich dachte, dass das so richtig war, bevor Sam sich wegdrehte und einfach ins Bad verschwand. Erst jetzt konnte ich wieder Luft holen. Und im nächsten Moment kollidierten die rationalen Gedanken meines Hirns mit den Impulsen meines Herzens. Ich stand auf, und ehe ich mich versah, klopfte ich an die Badezimmertür.

»Sam?« Keine Antwort. Mein Herz wummerte wild, keine Ahnung, was das war, es fühlte sich mies an. »Sam, komm schon ...« Ein klickendes Geräusch von drinnen ließ mich verstummen. Einmal würde ich noch klopfen, wenn er dann nichts sagte ... Glas zersplitterte und ich riss die Tür auf.

»Sam!«

Er saß am Boden, neben sich eine Pfütze aus ... wahrscheinlich Rasierwasser, und rund herum tausend kleine Scherben.

»Verfluchte Scheiße«, murmeltet er. Sein Kiefer zuckte vor Anspannung, er hatte sich geschnitten, und ich war mir nicht sicher, ob ich mich bewegen durfte. »Fuck, ich ... ich blute ...« Blitzmerker.Fast musste ich über ihn lächeln. Wie er so dasaß, auf dem Boden, und seine Hand betrachtete. In Anzughose und weißem Hemd, was die Szene irgendwie absurd wirken ließ.

Ohne weiter darüber nachzudenken, ging ich an Sam vorbei zum Badschrank und kramte darin nach meinem Verband. Ich war nicht unvorbereitet ins Nirgendwo von Kanada geflohen, ich war ausgerüstet. »Lass mal sehen.« Vorsichtig kniete ich mich neben Sam auf den Boden. Überraschenderweise hielt er mir seine Hand entgegen, von der Aggression von vorhin war nichts mehr zu spüren. Viel eher wirkte er jetzt verletzlich und geknickt. Und irgendwie tat er mir leid.

Behutsam fasste ich nach seiner Hand und betrachtete die Verletzung. Groß war sie nicht, nur ziemlich stark am Bluten. Und in dieser Sekunde wurde mir bewusst, dass ich gerade Sams Hand in meiner hielt, sie berührte und betrachtete. Er hatte große Hände, stark und mit leichter Hornhaut unter den Fingern. Meine Haut kribbelte ein bisschen, was sicher an dem Blut lag. Ja, an was sonst? Bewirkte Blut Hautkribbeln? Bestimmt.

»Ähm ...«

»Du weißt nicht, wie das geht, oder?«

Ich schluckte einigermaßen verzweifelt. So richtig wusste ich echt nicht, wie das ging. Musste die Wunde desinfiziert werden, oder abgewaschen?

»Joanie?«

»Mhm?«

»Ich mach das schon.«

Dankbar reichte ich ihm den Verband, den er sich keine fünf Minuten später, in denen ich irritiert auf dem Badewannenrand herumsaß, erschreckend souverän angelegt hatte. Einhändig. Okay.Wahrscheinlich wäre meine Version davon sowieso um einiges weniger ordentlich geworden. Meine Hände zitterten ja immer noch, im Gegensatz zu seinen, die jetzt einfach ruhig und gelassen auf seinen Oberschenkeln lagen.

»Kann's sein, dass du kein Blut sehen kannst?«, fragte Sam und grinste dabei, weshalb ich mir zunehmend bescheuert vorkam.

»Doch, ich ...« Ich hatte keine Ahnung, was gerade passiert war. Mein Magen hatte sich vorher nie beim Anblick von Blut gehoben, eigentlich hatte sich nie auch nur irgendetwas in mir getan.

Sam setzte sich neben mich. Ich hatte nicht weitergesprochen, weil ich den Gedanken nicht zu Ende hatte denken wollen. Es musste nichts bedeuten, dass es mir Übelkeit bescherte, wenn Sam Finley, der mir im Grunde ja völlig egal war, sich verletzte. Das war auch gar keine richtige Übelkeit, nur ein leichtes Magenflattern. Und kribbelnde Haut, was ein seltsam nerviger Nebeneffekt war.

»Sorry.« Ich blickte auf. In Sams Augen funkelte es leicht, kaum sichtbar, aber ich erkannte es. »Für eben, mein ich.« Da lag mehr dahinter als eine Entschuldigung, ich konnte es deutlich sehen. Vielleicht wollte er es mir auch erklären, das wäre gut, ich war nämlich neugierig. Meine angeborene Schwäche. Sams Leben schien interessanter zu sein als zuerst vermutete, wieso sonst sollte er Anzug und Krawatte tragen?

»Schon gut«, krächzte ich viel zu leise. Stell ihm eine Frage, Jo! Aber ich schwieg.

»War ein anstrengender Tag ...« Ich hoffte, er würde noch etwas sagen, aber anscheinend hatte er keine Lust, das näher auszuführen. »Was hältst du davon, wenn ich uns etwas koche?«, fragte er und da war wieder dieses Grinsen. So richtig nahm ich ihm das nicht ab, aber was wusste ich schon? Sam war nur irgendwer, mit dem ich zufällig zusammenlebte, ich kannte ihn ja gar nicht. »Als Wiedergutmachung?«

Ich nickte.

Zu mehr war ich gar nicht in der Lage.

Irgendetwas in mir blockierte auf einmal all meine Sinne, sodass ich mir vorkam, als wäre ich hinter einer Nebelwand gefangen.

You See My HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt